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Kalk

Ein vielfältiger Baustoff der Natur und Kultur*

Kalkstein ist neben Sandstein das häufigste Sedimentgestein der Erde und besteht ganz überwiegend aus Calciumcarbonat, einer Verbindung, die auch in Kalksandsteinen und Mergeln enthalten ist. Da Calcium auch in zahlreichen Mineralien der magmatischen Gesteine vorkommt, ist es das fünfthäufigste Element der Erdkruste (Tab. 1). Es spielt zudem in Organismen eine wichtige Rolle, wo es zu den Mengenelementen zählt; beim Menschen z. B. steht es gewichtsmäßig an fünfter Stelle, direkt nach den vier Grundelementen (O, C, N, H). Auf den biogenen Ursprung der meisten Kalksteine deuten die Bezeichnungen Muschelkalk und Korallenkalk hin.


* Herrn Prof. Dr. Gottfried Blaschke zum 75. Geburtstag gewidmet.

Calciumcarbonat

Calciumcarbonat (CaCO3) kristallisiert meistens als Calcit im trigonalen Kristallsystem. Eine andere Modifikation ist der Aragonit im orthorhombischen System. Kalkspat besteht aus besonders regelmäßigen und großen Calcitkristallen und ist für seine optische Doppelbrechung bekannt (die Endung "‑spat" bei Mineralien weist auf deren gute Spaltbarkeit hin).


Tab. 1: Die 13 häufigsten Elemente der Erdkruste (Gew.-%)

Element
Anteil
Sauerstoff
46,6 %
Silicium
27,7 %
Aluminium
8,1 %
Eisen
5,0 %
Calcium
3,6 %
Natrium
2,8 %
Kalium
2,6 %
Magnesium
2,1 %
Titan
0,6 %
Wasserstoff, Phosphor, Kohlenstoff, Mangan
je 0,1 %

Calciumcarbonat ist farblos, kann aber durch Verunreinigungen gefärbt sein. So besteht das in allen Farben des Regenbogens schillernde Perlmutt, das von Mollusken gebildet wird, zu 95% aus Aragonit und zu 5% aus organischer Materie, die wechselweise in Schichten angeordnet sind. Perlen besitzen die gleiche Schichtenfolge in konzentrischer Form.

Kreide (lat. terra creta, gesiebte Erde) ist aus der Ablagerung von Foraminiferenschalen auf dem Meeresgrund entstanden (Foraminiferen sind 0,2 bis 0,5 mm große Einzeller mit Kalkgehäuse und zählen zum Meeresplankton). Sie ist im Vergleich zu anderen Gesteinen nur wenig verdichtet und verfestigt. Tafelkreide wird heute meist aus Gips (CaSO4 · 2 H2 O) hergestellt.

Ein mit dem Kalkstein chemisch verwandtes Gestein ist der Dolomit, der hauptsächlich aus CaMg(CO3)2 besteht. Er wurde ebenso wie die Dolomiten nach dem französischen Geologen Déodat Gratet de Dolomieu (1750 – 1801) benannt, der dieses harte Gestein mit seinen bizarren Felsformationen auf einer Reise in Südtirol erforscht hatte.

Marmor (lat. marmor aus griech. marmaros, wahrscheinlich verwandt mit marmarein = funkeln, glänzen) ist ein metamorphes Gestein, nämlich in geologischen Tiefen durch Druck und Hitze umgewandelter Kalkstein. Er zeichnet sich durch eine lückenlose Kristallisation aus, die durch Polieren ihren Glanz entfaltet. Aber nicht jedes polierbare Carbonatgestein ist Marmor.

Römisches Kulturerbe

Die Germanen, die ihre Hütten aus Holz und Lehm bauten, lernten die Steinarchitektur bei den Römern kennen. Mit der Technik übernahmen sie auch die lateinischen Fachwörter wie Mauer (lat. murus), Ziegel (lat. tegulum), Keller (lat. cellarium), Mörtel (lat. mortarium, ursprünglich das Gefäß in dem der Mörtel angerührt wird; auch der Mörser leitet sich davon ab), Zement (lat caementum) und selbstverständlich auch Kalk (lat. calx).

Kalkbrennen

Schon in der Antike war die Kunst des Kalkbrennens weit verbreitet. Kalk gibt bei 900 bis 1000 °C Kohlendioxid ab, und es bleibt Calciumoxid (gebrannter Kalk) zurück:

CaCO3 → CO2 + CaO

Verallgemeinernd nannten die Alchemisten solche thermischen Umwandlungsprozesse "calcinatio" (Verkalkung; "Metallkalke" waren Metalloxide).

Gebrannter Kalk reagiert mit Wasser unter Wärmeentwicklung zu Calciumhydroxid (gelöschter Kalk):

CaO + H2 O → Ca(OH)2

Calciumhydroxid verursacht bei Kontakt Verätzungen – daher sein volkstümlicher Name Ätzkalk. Die wässrige Lösung reagiert stark alkalisch und war seit jeher die billigste Lauge. Eine breiige Suspension wird Kalkmilch genannt. Sie wird seit der Antike als Kalkfarbe (weiß) verwendet, die sowohl fungizid als auch desinfizierend wirkt.

Eine breiige Anrührung von Ätzkalk und Sand im Verhältnis 1: 2 bis 1: 5 ist der zum Bauen verwendete Mörtel. Mit dem Kohlendioxid der Luft (ca. 0,04%) bildet sich Calciumcarbonat in Form kleiner Nadeln, die mit der Sandkomponente "verfilzen" und einen harten zusammenhängenden Feststoff bilden:

Ca(OH)2 + CO2 → CaCO3 + H2 O

Dieser Vorgang (Mörtelprozess), bei dem ständig Wasser freigesetzt wird, kann Jahre dauern. Um ihn zu beschleunigen, stellte man früher einen Kohleofen in den Rohbau. In Berlin praktizierte man um die Wende zum 20. Jahrhundert das "Trockenwohnen" von Neubauten: Man ließ arme Leute zu günstiger Miete in ihnen wohnen, bis der Mörtelprozess beendet war.

Kalk im Grund- und Trinkwasser

Wenn es regnet, wird ein Teil des Kohlendioxids der Luft als Kohlensäure ausgewaschen, die das im Boden und im darunter liegenden Gestein vorhandene Calciumcarbonat löst (nicht zu verwechseln mit saurem Regen, der durch H2 SO3 sauer ist):

CaCO3 + CO2 + H2 O → Ca2+ +2 HCO3

So gelangen Kohlensäure und Calcium in das Grundwasser; das daraus gewonnene Trinkwasser ist deshalb relativ kalkhaltig. Die Menge der Kationen aller Erdalkalimetalle (neben Ca insbesondere Mg) bestimmt die Härte des Wassers. Hartes Wasser beeinträchtigt z. B. den Geschmack und das Aussehen von Tee und erhöht den Verbrauch von Seife, Spül- und Waschmitteln. Wird hartem Wasser durch Erhitzen CO2 bzw. HCO3 entzogen, scheidet sich Calciumcarbonat als Kesselstein ab. Dieser erschwert den Durchgang der Wärme und muss in der Heizung sowie in Küchentöpfen und -geräten mechanisch oder durch organische Säuren entfernt werden ("Entkalken").

In der bekannten römischen Wasserleitung Pont du Gard bei Nîmes hat sich durch Verdunstung von Wasser und Kohlendioxid im Laufe der Zeit eine etwa 5 cm dicke Schicht Calciumcarbonat abgelagert.

Während Hydrogencarbonat aufgrund seiner möglichen Entfernung in Form von Kohlendioxid (und der gleichzeitigen Bildung von Kesselstein) die temporäre Härte des Wassers bestimmt, sorgen andere Anionen wie Sulfat oder Chlorid für seine permanente Härte (beide Komponenten zusammen ergeben die tatsächliche Härte). Will man die Bildung von Kesselstein vermeiden, kann man das HCO3 durch Ionenaustausch entfernen oder durch Zusatz von Komplexbildnern binden. Für Dampflokomotiven bereitete man das Kesselwasser auf, indem man dem Wasser Phosphat zusetzte und darauf das Calcium- und Magnesiumphosphat abtrennte.

Karst, Quelltöpfe, Tropfsteine

Dieser Begriff für steinigen unfruchtbaren Boden wurde nach der slowenischen Landschaft Kras geprägt und hängt auch mit dem Lösen von Kalkstein durch Kohlensäure zusammen. Das fließende Wasser verschwindet im Gestein, wo es unterirdische Wasserläufe und Höhlen bildet. Ein markantes Beispiel dafür ist die "Versinkung" der jungen Donau zwischen Immendingen und Möhringen (südwestlichen von Tuttlingen); das versickerte Wasser tritt nach 60 Stunden 12 km entfernt im Aachtopf bei Radolfzell wieder zutage (Schüttung: ca. 9 m3 /s), nachdem es die Wasserscheide Atlantik – Mittelmeer gequert hat. Dass es sich bei der Aach um Donauwasser handelt, wurde 1877 mit 10 kg Natriumfluorescein nachgewiesen.

Wenn Sickerwasser in eine Grotte eindringt und durch Verdunsten von Wasser auch CO2 verliert, scheidet sich ähnlich dem Kesselstein CaCO3 ab. Von der Decke herabhängende Tropfsteine bezeichnet man als Stalaktiten, die ihnen von unten entgegenwachsenden Gebilde als Stalagmiten (griech. stalagmos = Tropfen).

Calcium in der Biosphäre

Pflanzenasche enthält bis zu 40 Gew.-% Calciumoxid. Düngekalk ist hauptsächlich Calciumcarbonat oder auch Calciumoxid und enthält meist auch Magnesium, das ebenfalls ein Pflanzennährstoff ist. Phosphorit (ein in Deutschland an der Lahn vorkommendes Calciumphosphat) ist ein Ausgangsmaterial für die Phosphorgewinnung. Die Lagerstätten sind meist biogenen Ursprungs in Flachwasserzonen der Meere.

Hydroxylapatit (Ca5 (PO4)3 OH) ist der Hauptbestandteil der Knochen, die 12% des Körpergewichts des Menschen ausmachen, und der Zähne. Der Mensch nimmt das Calcium mit der Nahrung auf (einschließlich Trink- und Mineralwasser). Milch und Milchprodukte sind besonders reich an Calcium (Tab. 2). Bei Tintenfischen, die als Mollusken ("Weichtiere") keine Knochen haben, besteht der Schulp ("Sepiaschale") aus Calciumcarbonat.

Die "Gefäßverkalkung" (volkstümlicher Ausdruck für Arteriosklerose) hat nichts mit Kalk zu tun; es handelt sich um die Bildung von Plaques an den Arterienwänden (Ablagerung von Fett, Leukozyten u. a.), die den Durchmesser verringern und den Blutfluss beeinträchtigen.


Tab. 2: Calciumgehalt von Milch und Milchprodukten (mg/100 g)

Lebensmittel
Ca
Milch
120
Joghurt
120
Buttermilch
110
Magerquark
92
Gouda
800
Emmentaler
1100
Parmesan
1180


Autor
Dr. Wolfgang Werner, Münster,
E-Mail: ww-@muenster.de



DAZ 2012, Nr. 7, S. 97

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