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- DAZ 9/2012
- Privatsache Heuschnupfen
Fragen aus der Praxis
Privatsache Heuschnupfen?
Wann GKV-Patienten Antihistaminika zahlen müssen
Antwort gebenApothekerinnen und Wissenschaftlerinnen der Arbeitsgruppe "Arzneimittelanwendungsforschung", Zentrum für Sozialpolitik, Bremen. |
Bereits in der DAZ Nr. 40 vom 6. Oktober 2011 hatten wir uns mit der Frage beschäftigt, inwieweit Ärzte verschreibungspflichtige Arzneimittel verordnen dürfen, wenn von dem gleichen Wirkstoff auch nicht-verschreibungspflichtige Präparate im Handel sind. Hintergrund ist das Wirtschaftlichkeitsgebot. Auch bei den Antihistaminika greift das Wirtschaftlichkeitsgebot: sind therapeutisch vergleichbare Wirkstoffe erhältlich, die das gleiche Anwendungsgebiet haben, ist der Arzt gehalten, das apothekenpflichtige Arzneimittel zu empfehlen und nicht das verschreibungspflichtige zu verordnen. Dazu heißt es in der Arzneimittelrichtlinie in §12 Abs. 11:
"Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt soll nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zulasten des Versicherten verordnen, wenn sie zur Behandlung einer Erkrankung medizinisch notwendig, zweckmäßig und ausreichend sind. Die Verordnung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels kann unwirtschaftlich sein."
Und in § 9, Abs. 2 Satz 1:
"Stehen zum Erreichen eines Therapieziels mehrere gleichwertige Behandlungsstrategien zur Verfügung, soll die nach Tagestherapiekosten und Gesamtbehandlungsdauer wirtschaftlichste Alternative gewählt werden."
Da für die neueren (verschreibungspflichtigen) Antihistaminika kein therapeutischer Zusatznutzen belegt ist, wird der Arzt in der Regel auf Wirkstoffe wie Cetirizin oder Loratadin verweisen – oder das bisherige Mittel auf einem Privatrezept verordnen.
Für Kinder bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres (und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres) können apothekenpflichtige Antihistaminika zulasten der Krankenkasse verordnet werden. In bestimmten Fällen, die in der Arzneimittelrichtlinie AM-RL Anlage 1 Nr. 6 geregelt sind, können auch apothekenpflichtige Antihistaminika (z. B. Cetirizin oder Loratadin) für Kinder über 12 Jahre und Erwachsene auf einem Kassenrezept verordnet werden (siehe Kasten). Eine Verordnung der verschreibungspflichtigen Antihistaminika gilt auch in diesen Ausnahmefällen als unwirtschaftlich.
Näheres zu den Wirkstoffen
Levocetirizin.Die Ausgangssubstanz Cetirizin ist ein racemisches Gemisch, Levocetirizin ist das wirksame enantiomerselektive R-Isomer. Es bietet keine belegten klinisch relevanten Vorteile [1, 4, 5] gegenüber dem racemischen Gemisch und wirkt genauso wie Cetirizin, allerdings wird aus nachvollziehbaren Gründen nur die Hälfte der Dosis benötigt. Daher kann dem oben erwähnten Patienten Cetirizin empfohlen werden; unter Umständen kann dieses sogar auf einem Kassenrezept verordnet werden (siehe AM-RL, Anlage 1 Nr. 6).
Desloratadin ist der aktive Metabolit von Loratadin. Es hat zwar eine deutlich längere Halbwertszeit (27 h gegenüber 12 h bei Loratadin), da Loratadin aber in der Leber ohnehin vollständig in Desloratadin umgewandelt wird, ergibt sich aus der verlängerten Halbwertszeit kein nachgewiesener therapeutischer Zusatznutzen [1, 6]. Daher wird Desloratadin als Analogpräparat bewertet. Die Alternative Loratadin kann unter Umständen sogar auf einem Kassenrezept verordnet werden (siehe AM-RL, Anlage 1 Nr. 6).
Terfenadin wurde in vielen Ländern bereits vom Markt genommen, da es eine potenziell tödliche Herzschädlichkeit besitzt (arrhythmogene Eigenschaften, Torsades de pointes). Insbesondere bei gleichzeitiger Anwendung von CYP-3A4-Hemmern (z. B. bestimmte Makrolidantibiotika oder Azol-Antimykotika) ist das Risiko erhöht. Auch in Deutschland ist das Originalpräparat Teldane® nicht mehr im Handel, es gibt aber noch ein Terfenadin-Generikum.
Fexofenadin ist der aktive Metabolit (Terfenadinsäure) von Terfenadin und soll nicht dessen herzschädigende Wirkung haben. Da es aber auch für Fexofenadin Berichte über Herzrhythmusstörungen gibt [2], sollte auf besser verträgliche Antihistaminika ausgewichen werden. Die höhere Dosierung von 180 mg ist ohnehin nicht für Heuschnupfen zugelassen, sondern nur für eine chronisch-idiopathische Urtikaria.
Tab.: Antihistaminika | ||
Wirkstoff |
Handelsnamen |
Rezeptpflichtig? |
Cetirizin |
Zyrtec®
, zahlreiche Generika |
nein |
Levocetirizin |
Xusal®
, Xyzall®
, einige Generika |
ja |
Loratadin |
(früher Lisino®), zahlreiche Generika |
nein |
Desloratadin |
Aerius®
|
ja |
Mizolastin |
Mizollen®
, Zolim®
|
ja |
Bilastin |
Bitosen®
|
ja |
Ebastin |
Ebastel®
, Ebastin®
, Kestine® (a. H.) |
ja |
Terfenadin |
(früher Teldane®), Terfenadin Generikum |
ja |
Fexofenadin |
Telfast®
, Fexofenadin Generika |
ja |
Rupatadin |
Rupafin®
, Urtimed®
|
ja |
Azelastin |
Allergodil®
|
teilweise (Augentropfen und Nasenspray teilweise nicht verschreibungspflichtig) |
Was verordnet werden kann
In bestimmten Fällen können apothekenpflichtige Antihistaminika zulasten der Krankenkasse verordnet werden. Dies gilt für Kinder bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres (bei Jugendlichen mit Entwicklungsstörungen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres) sowie in bestimmten Ausnahmefällen, die in Anlage I der AM-RL im Punkt 6 geregelt sind (siehe Kasten). Selbst wenn eine solche Ausnahme für einen heuschnupfengeplagten Patienten vorliegt, gilt die Verordnung eines verschreibungspflichtigen Heuschnupfenmittels als unwirtschaftlich.
AntihistaminikaDie AM-RL, Anlage 1 Nr. 6, regelt, wann Antihistaminika zulasten der GKV verordnet werden dürfen
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Ein weiteres Therapieprinzip ist der Einsatz von Cortison (z. B. als Depotspritze), der aber nicht Gegenstand dieser Abhandlung sein soll. Außerdem ist die Möglichkeit einer Desensibilisierung zu prüfen, da insbesondere bei einer Pollenallergie gute Ergebnisse erzielt werden.
Antwort kurz gefasst
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Literatur
[2] Arzneitelegramm Arzneimitteldatenbank (www.arznei-telegramm.de), letzter Zugriff 20. Februar 2012
[3] www.g-ba.de: Arzneimittelrichtlinie, Anlage I und Anlage III, letzter Zugriff 20. Februar 2012
[4] KBV Wirkstoff aktuell 01/2004 (Levocetirizin)
[5] Walsh G.M. A review of the role of levocetirizine as an effective therapy for allergic disease. Expert Opin Pharmacother, 2008, 9(5), 859 – 67
[6] KBV "Arzneiverordnungen in der Praxis" 02/2002 (Desloratadin)
[7] ARIA 2008 (Allergic rhinitis and its impact on asthma), www.whiar.org
[8] ARIA update 2010 (Allergic rhinitis and its impact on asthma), www.whiar.org
Autorinnen
Insa Heyde, Daniela Boeschen, Stanislava Dicheva, Anna Hinrichs, Heike Peters
Apothekerinnen und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen in der Arbeitsgruppe "Arzneimittelanwendungsforschung", Zentrum für Sozialpolitik,
Universität Bremen
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