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Gesundheitspolitik
Der Kommissionierautomat – Fluch oder Segen?
Glaubt man den Anbietern von Kommissioniergeräten für Apotheken, ermöglicht die Installation desselben einen Quantensprung in den innerbetrieblichen Prozessen. Kritiker stehen der Inbetriebnahme eher skeptisch gegenüber. Zunächst einmal muss konstatiert werden, dass die Installation eines Kommissioniergerätes einen massiven Eingriff in den apothekerlichen Ablauf darstellt. Nicht nur während der Installationsphase selbst, auch danach sind die Prozesse völlig neu zu definieren und zu erlernen. Eine Investition in einer Apotheke macht dann Sinn, wenn diese direkt oder indirekt einen Beitrag zur Verbesserung der Rentabilität leistet. Indirekt wäre beispielsweise die Renovierung der Apotheke, die die Attraktivität der Apotheke erhöht und von daher ein höheres Umsatzpotenzial verspricht. Direkt bedeutet, dass durch die Investition tatsächlich unmittelbar mehr Umsätze generiert werden, eine Verbesserung des Deckungsbeitrages erzielt werden kann oder die Kosten gesenkt werden können. Fangen wir mit den Kosten an.
Auf Dauer kann ein Kommissioniergerät vor allem Personalkosten reduzieren helfen. Aber stimmt das wirklich? Dies ergibt ja nur dann Sinn, wenn nicht nur einzelne Stunden eingespart werden können, sondern tatsächlich auf eine Person oder mehr verzichtet werden kann. Protagonisten der Technik argumentieren nun, auch einzelne Stunden wären ein brauchbarer Wert, denn diese könnten für andere Dinge eingesetzt werden. Hier wäre ich vorsichtiger, denn dies setzt voraus, dass alle in der Apotheke Beschäftigten immer am Limit arbeiten und kein weiteres Potenzial mehr vorhanden war, allfällige Dinge zu tun. Insbesondere im Bereich der Warenbeschickung sind erhebliche Zeitvorteile zu erzielen, da ein wirklich ausgereifter Kommissionierautomat die Einsortierung der Ware vollautomatisch zu leisten vermag. Damit ist die Ware auch automatisch erfasst. In diesem Bereich kann in der Tat ein auf Dauer hoher Zeitvorteil generiert werden.
Reduziert ein Kommissionierautomat auch den Warenbestand? Wenn bereits ein gutes Warenwirtschaftssystem vorliegt – denn dieses regelt ja den Warenbestand – kann der Kommissionierer in diesem Punkt nichts mehr ausrichten. Lag dieses nicht vor, schlägt man in der Regel zwei Fliegen mit einer Klappe, denn ein guter Kommissionierer hängt von einer guten Warenwirtschaft ab. Zeitersparnisse ergäben sich auch in der Offizin selbst, da der Verkaufsvorgang in mehrfacher Hinsicht optimiert werden kann, sei es, weil man sich intensiver um den Kunden kümmern kann, sei es, weil das Heraussuchen der gewünschten Ware nun automatisch erfolgt. Dies setzt aber auch eine gewisse Geduld voraus, denn die Ware ist in der Regel nicht innerhalb weniger Sekunden da. Somit ist ein anderes Verkaufstalent erforderlich, das erst geschult werden muss. Auf der Kostenseite würde sich aber das Kommissioniergerät in der Front-End-Seite erst dann bemerkbar machen, wenn man aufgrund der Technik tatsächlich insgesamt mindestens einen Mitarbeiter ersetzen könnte. Dies wird schwierig.
Kann durch den Kommissionierer ein besserer Deckungsbeitrag erzielt werden? Dies wäre dann der Fall, wenn es durch den Kommissionierer zu besseren Einkaufskonditionen käme. Dies setzt eine höhere Lagerfläche durch die optimierte Einlagerung voraus und die Bereitschaft, diese auch zu bestücken. Damit würden auf der anderen Seite aber der Warenbestand, damit das Warenrisiko und damit die Lagerhaltungskosten der Apotheke steigen. Sinnvoll ließe sich dies nur bei Schnelldrehern rechtfertigen. Liegen diese in hinreichender Höhe vor, kann durchaus ein Mengenvorteil durch bessere Konditionen oder weniger Belieferungen erreicht werden.
Und schließlich muss die Umsatzseite näher betrachtet werden. Natürlich – wie oben schon beschrieben – ist es gut, wenn man nicht den Verkaufsvorgang ständig dadurch unterbrechen muss, dass man die gewünschte Ware holt. Gleichwohl ist dies erprobt und sicher auch nicht dramatisch. Oftmals wird suggeriert, dass durch die dauerhafte Unmittelbarkeit des Verkaufsvorgangs das Cross-Selling-Potenzial erhöht wird. Mag sein, dass dies in dem einen oder anderen Fall förderlich ist, aber Cross-Selling-Potenzial setzt in erster Linie zwei Dinge voraus: Einen Käufer, der das Potenzial hat und einen Verkäufer, der dies erkennt. Beide Voraussetzungen sind unabhängig von der Lagertechnik.
Kommissioniergeräte haben vor allem ihren Charme in verwinkelten, weit verstreuten Räumen. Hier helfen sie wirklich, hier ist aber auch nicht der Standard einbaubar, sondern die individuelle Lösung und wie bei allen Geräten, die nicht Standard sind, sondern Mass Customized, wird es dann auch schnell etwas teurer.
Fragt man bei Apotheken nach, die ein Kommissioniergerät installiert haben, sind diese in der Regel hochzufrieden. Kann daraus abgeleitet werden, dass andere Apotheken ihnen folgen sollten? Ja und nein: Eingebaut wird es natürlich zunächst bei solchen Apotheken, die sich dafür aufdrängen. Dass diese zufrieden sind, ist gut, aber fast auch klar. Also ja, es gibt noch hinreichend viele, die davon profitieren können. Also nein, es kommt nicht für jede Apotheke infrage.
Fazit: je größer und individueller die Apotheke, umso eher macht ein Kommissionierer Sinn. Vor allem im Back-Office-Bereich können die Einsparungen zeitlicher Art immens sein, so dass tatsächlich auch signifikant eine Kostenersparnis die Folge ist. Dann lässt sich leicht errechnen, ab wann sich der Kommissionierer rechnet. Ob die Güte des Verkaufs durch den Kommissionierer erhöht wird, hängt von der Befähigung und der Bereitschaft des Apothekenpersonals ab. Auch ein Kommissionierer macht aus einem Ackergaul kein Rennpferd. Habe ich Rennpferde, ist der Kommissionierer ein Kann oder Soll, aber kein Muss. Habe ich Ackergäule, rettet der Kommissionierer nicht, was nicht durch andere Maßnahmen schon versucht wurde.
Am Ende ist es wie bei jeder Investition: die Anschaffung eines Kommissionierautomaten ist Glaubensfrage. Technikaffine werden auf jeden Fall ihren Spaß daran haben und sicher auch Nutzen generieren, Technikaverse werden nicht glücklich damit. Wie bei jedem technischen Gerät gilt auch hier, dass es nur Sinn macht, wenn man es wirklich optimal nutzt. Aber dazu braucht es Bereitschaft.
Andreas Kaapke
Andreas Kaapke ist Professor für Handels-management und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de
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