Gesundheitspolitik

Bahr: Nicht alle kreativen Wege sind gut

Spahn: Nullretax wegen Formalia ist Schikane - gesetzliche Regelung denkbar

BERLIN (ks) | Bei der Eröffnungsveranstaltung des Deutschen Apothekertags war auch in diesem Jahr die Bundespolitik vertreten. Kurz vor der Bundestagswahl stattete Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) den Apothekern einen Besuch ab. Applaus gab es für sein Versprechen, das Apothekenhonorar im Auge zu behalten und regelmäßig anzupassen. Auch der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion Jens Spahn und seine Kollegin von der Linksfraktion, Martina Bunge waren gekommen – die SPD blieb der Eröffnung hingegen fern. Auch Bundestagsabgeordnete der Grünen fehlten. Dafür hatte Marlis Bredhorst, Staatssekretärin im (grünen) NRW-Gesundheitsministerium, einige freundliche Worte für die Apotheker im Gepäck.
Fotos: Chris Hartlmaier
Will regelmäßig einen Blick auf das Apothekenhonorar werfen: Gesundheitsminister Daniel Bahr

Bahr räumte ein: Die Apotheker haben in der letzten Legislaturperiode viele Veränderungen erlebt. Auf eines hätten sie sich jedoch verlassen können: Die Freiberuflichkeit blieb unangetastet, ebenso das Fremd- und Mehrbesitzverbot. Dies sei „der beste Schutz und die beste Garantie für eine gute Arzneimittelversorgung in ganz Deutschland“. Wer auf andere Länder verweise, in denen es den Fremd- und Mehrbesitz gebe, und in denen alles angeblich so gut laufe, müsse auch bedenken, dass es hier nicht die Freiheit und den Wettbewerb des deutschen Marktes gebe. In Deutschland könne jeder, der über die nötige berufliche Qualifikation verfügt, eine Apotheke eröffnen, es gibt keine Bedarfsplanung, kein Lizenzsystem. An dieser Freiheit solle auch festgehalten werden, so Bahr. Deswegen könne ein Bundesgesundheitsminister allerdings auch keine Garantie für jede einzelne Apotheke geben. „Da wird es immer Veränderungen geben.“ Derzeit gehe die Zahl der Apotheken etwas zurück – „aber noch immer haben wir eine gute und flächendeckende Versorgung“. Überdies: Es tue dem Land gut, einen starken Mittelstand zu haben, betonte Bahr. Es brauche Selbstständige, die bereit sind, Risiken einzugehen. Allein auf Großkonzerne dürfe man sich nicht verlassen.

ApBetrO: Standards erhöht

Was die Novellierung der Apothekenbetriebsordnung betrifft, so habe er den Anspruch gehabt, zu entbürokratisieren, sagte Bahr. Dann habe er sich aber von den Apothekern überzeugen lassen, dass in einigen Bereichen die Anforderungen durchaus erhöht werden sollten – als Schutz, um den hohen Anspruch zu wahren. Man dürfe nicht in Richtung „Apotheke light“ gehen. An der Basis habe die Umsetzung der neuen Verordnung nicht für Begeisterungsstürme gesorgt, aber die Spitze habe es so gewollt, entschuldigte sich Bahr. Immerhin habe man damit eine hohe Qualität an Beratung erreicht, die Schutz vor Ausfransungen biete. Selbst in kleinen Gemeinden sei die Versorgung gesichert – etwa mit Botendiensten. Man müsse flexibel sein, aber müsse nicht alle „kreativen neuen Wege“ gehen. „Ich bin skeptisch, wenn man plötzlich mit Büsschen in Gemeinden fährt und wie ein Eisverkäufer mit der Glocke läutet.“

Was das Apothekerhonorar betrifft, so sagte Bahr, es dürfe nicht wieder zehn Jahre gewartet werden, ehe es angepasst wird. Skeptisch sehe er allerdings Forderungen, das Honorar automatisch anzupassen. Er könne sich schon eher vorstellen, regelmäßig in jeder Legislaturperiode einen Blick darauf zu werfen. Das heutige Fixhonorar habe seinen Grund in den vielen Gemeinwohlaufgaben des Apothekers wie Notdienst und Rezepturanfertigung. Zudem: „Das Fixum und das Fremd- und Mehrbesitzverbot gehören zusammen.“ Deshalb mahnte der Bundesgesundheitsminister, gut nachzudenken, ehe die Apotheker in eine große Diskussion über Einzelvergütungen einsteigen. Dies könnte das Nachdenken über Ketten aufleben lassen.

Das große Warten auf das ABDA-KBV-Modell

Bahr verwies ferner darauf, dass die christlich-liberale Koalition das Medikationsmanagement ins Gesetz geschrieben habe. Es sei grundsätzlich richtig, dass sich der Arzt auf die Wirkstoffverordnung konzentriere und der Apotheker dann das Arzneimittel aussuche, das Medikationsmanagement übernehme. Es sei daher bedauerlich, dass es so lange dauere, bis das ABDA-KBV-Modell umgesetzt werde. Er ermunterte die Apotheker dazu, dieses Vorhaben voranzutreiben. Er ist überzeugt: Letztlich könnten durch solche Modelle Einsparpotenziale generiert werden. Aber dazu müssten die Ergebnisse aus Sachsen und Thüringen abgewartet werden.

„Das macht einen ja irre!“ Jens Spahn zur Substitutionsliste.

Auch Jens Spahn (CDU) betonte in seinem Grußwort, es wäre wichtig, dass es mit dem ABDA-KBV-Modell in Sachsen und Thüringen „bald mal losgeht“. Er räumte ebenfalls ein, dass den Apothekern zu Beginn der Legislaturperiode viel zugemutet worden sei. Man habe vor dem größten Defizit in der Historie der gesetzlichen Krankenversicherung gestanden. Das sei keinem leicht gefallen – doch jetzt gebe es Rücklagen. Und die stabile Lage habe es ermöglicht, in den vergangenen zwei Jahren den Blick auf die Versorgung zu lenken – frei von Kostendämpfungsfragen. So entstand etwa die gesetzliche Implementierung des ABDA-KBV-Modells, aber auch das Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz.

Zu einer guten Versorgung gehöre auch, dass sich die Vergütung entwickle. Hier habe die Koalition auf die Selbstverwaltung gesetzt – mit guten Verhandlungsergebnissen, aber auch einem Schiedsstellenverfahren am Ende. Danach müsse es allerdings auch gut sein, so Spahn. Mit Blick auf den langen Streit um die Anpassung des Apothekenabschlags sagte er: „Vielleicht sollten wir den anschließenden Rechtsweg im Gesetz mal streichen – dann ist das mit der Schiedsstelle abschließend geklärt.“ Eine Idee, die die Apothekerinnen und Apotheker mit Beifall quittierten.

Spahns Kassenschelte

Auch die Zufriedenheit der Beteiligten zählt für Spahn zu einer guten Versorgung. Und er kann verstehen, dass Apotheker sich hiermit zuweilen schwer tun, wenn ihre Arbeit nicht gewürdigt wird, sondern sie Schikane erfahren. Etwa in Form von Null-Retaxationen durch Krankenkassen wegen marginaler Formfehler – und das teilweise mit System. Dass diese Schikane aufhöre, sei erklärter politischer Wille gewesen. „Wenn es da jetzt keine vernünftige Einigung gibt, muss man das meines Erachtens gesetzlich festschreiben“, erklärte Spahn. Das Gleiche gelte für die Substitutionsliste. „Das macht einen ja irre!“, so der CDU-Politiker. Auch hier sei der politische Wille klar definiert – und das sogar gesetzgeberisch. DAV und GKV-Spitzenverband sollen sich auf eine Liste mit Arzneimitteln einigen, die nicht mehr ausgetauscht werden dürfen. Patienten mit bestimmten Erkrankungen sollen nicht ständig mit Substitutionen infolge von Rabattverträgen zu kämpfen haben, Apotheker dies nicht immer wieder erklären müssen. „Wir wissen, dass es nicht die Apotheker sind, die das scheitern lassen“, so Spahn. Wenn ein Spitzenverband der Krankenkassen nicht in der Lage und nicht Willens sei, in der Selbstverwaltung zu einem Ergebnis zu kommen, müsse man auch hier darüber nachdenken, wie man dieses anderweitig erreicht – etwa durch eine behördliche Entscheidung. Auch hierfür gab es Applaus von den versammelten Apothekerinnen und Apothekern.

Bunge: Betrieb von Rezeptsammelstellen honorieren

Auch Martina Bunge warf einen Blick zurück. AMNOG, Packungsgrößenverordnung und die schon länger bestehenden Rabattverträge hätten Apotheken belastet. Die Regierung habe mit der Honorarerhöhung und der Notdienstpauschale immerhin versucht zu korrigieren. Dies habe die Linke unterstützt. Dennoch hätte sich Bunge gewünscht, man hätte schon vorher über die Folgen mancher Regelungen nachgedacht, um nicht hinterher reparieren zu müssen. Die Kurzsichtigkeit sehe man insbesondere an den Rabattverträgen. Sicher werde hier zunächst Geld gespart. Doch den Mehraufwand in den Apotheken habe man ignoriert – noch schwerer wögen jedoch die Folgen für die Patienten. Sehr viele seien durch den Zwangsaustausch verunsichert. „Verunsicherung ist doch völlig contra Vertrauen, das die Apotheker als ihre Säule proklamieren“, so Bunge. Die Compliance sinke, die Folgen sind bekannt. Sicher, es müsse auch eine wirtschaftliche Versorgung geben. Die Lösung für die Linke wären „vernünftige Arzneimittelpreise“ – sprich Listenpreise. „Das wäre in Europa nicht einmalig“. Immerhin: Die frühe Nutzenbewertung sei ein Schritt in die richtige Richtung, wenn auch nicht ganz der erhofft große Wurf. Für Generika plädiert die Linke für eine erweiterte Festbetragsregelung; diese könnte auch eine Oligopolisierung im Herstellermarkt verhindern.

Positiv sieht Bunge auch das ABDA-KBV-Modell. Die Erprobung sei dringend erforderlich, die zögerliche Umsetzung daher bedauerlich. „Hier muss mit mutigeren Schritten vorwärts gegangen werden.“

Was die Apothekenvergütung betrifft, so hätten die Apotheker in den vergangenen Jahren „nicht so viel zu lachen“ gehabt. Bunge begrüßte, dass Bahr jedenfalls ein regelmäßiges „Draufschauen“ auf das Honorar, also zumindest eine Art Dynamisierung, versprochen habe. Dies werde man kritisch beobachten. Die Linke sehe hier Nachholbedarf. Sie selbst habe vorgeschlagen, den Betrieb von Rezeptsammelstellen zu honorieren, so Bunge. Erhöhen wolle sie ihre Zahl nicht – aber gerade die älteren Menschen im ländlichen Raum bräuchten pharmazeutisch geschulte Beratung. Hier auf den Versandhandel zu verweisen sei nicht fair. Die Haltung der Linken ist bekannt: Sie würde den Versandhandel gerne auf OTC beschränken. 

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