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Gesundheitspolitik
Koalitionsvertrag steht – ABDA sieht Chancen
SPD-Mitgliedervotum entscheidet über Zustandekommen der Großen Koalition
Die Parteispitzen mussten bei ihren Verhandlungen Kompromisse eingehen. Nicht alle Wünsche der einzelnen Arbeitsgruppen haben daher Einzug in das gemeinsame Papier gehalten. In Bezug auf den Arzneimittelbereich bleibt es aber bei den bereits bekannten Plänen (siehe DAZ Nr. 48, 2013, S. 9). So heißt es im Vertrag auch weiterhin: „Eine qualitativ hochwertige, sichere und wohnortnahe Arzneimittelversorgung erfordert freiberuflich tätige Apothekerinnen und Apotheker in inhabergeführten Apotheken. An dem bestehenden Mehr- und Fremdbesitzverbot wird festgehalten.“
Auch im Hinblick auf die Finanzierung der Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bleibt es bei den von den beiden Verhandlungsführern Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) vor gut einer Woche verkündeten Ergebnissen (siehe AZ 2013, Nr. 48, S. 1).
Anderes findet sich im Koalitionsvertrag indes nicht mehr. So sollten die gesetzlichen Krankenkassen bislang verpflichtet werden, deutlich mehr Geld in Präventionsleistungen zu stecken. Der Koalitionsvertrag sieht die Verabschiedung eines Präventionsgesetzes im Jahr 2014 zwar weiterhin vor, die ursprünglich vorgegebenen konkreten Richtwerte (ab 2015 mindestens sieben Euro pro Versichertem, danach jährlich ein Euro mehr, bis zehn Euro erreicht sind) sind jedoch herausgerutscht.
Schmidt: Chancen für Arzneimittelversorgung
Aus Sicht der ABDA bietet der Koalitionsvertrag zahlreiche Chancen, das gesamte Gesundheitswesen und insbesondere die Arzneimittelversorgung in Deutschland zu verbessern. „Das klare Bekenntnis zu einer hochwertigen, sicheren und wohnortnahen Arzneimittelversorgung durch Freiberufler in inhabergeführten Apotheken verstehen wir als Auftrag, diesem Anspruch der Patienten auch künftig gerecht zu werden“, erklärte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt. Positiv wertete er, dass es nun Planungssicherheit für die nächsten vier Jahre gebe. Zudem sieht er große Chancen für das Gesundheitswesen durch die Pläne in den Bereichen Prävention, patientenfreundliches Entlassmanagement sowie bei der strukturierten Versorgung von chronisch kranken Patienten. „Die Apotheker werden dafür kämpfen, dass ihre Kompetenz im Gesundheitswesen künftig noch besser genutzt wird“, betonte der ABDA-Präsident – und verwies auch auf die anstehenden Herausforderungen: So sorge der erhöhte Herstellerrabatt durch das Inkasso in den Apotheken für Bürokratie und Haftungsrisiken. In der ambulanten Notfallversorgung in Kliniken müssten die Apotheker nun außerdem Möglichkeiten prüfen, inwiefern eine bessere Verzahnung der ärztlichen Notdienstversorgung mit den Nacht- und Notdiensten der öffentlichen Apotheken gewährleistet werden könne. Schmidt kündigte an, dass die Apothekerschaft von der künftigen Regierung auch eine neue Honorierung fordert: „Um bessere Leistungen für die Patienten zu erbringen, brauchen wir solide Rahmenbedingungen, aber auch Spielraum für innovative Lösungen.“
Kassen, Industrie und Ärzte unterschiedlich begeistert
Die übrigen Reaktionen fielen unterschiedlich aus. „Der Koalitionsvertrag ist eine gute Grundlage für die Verbesserung der Patientenversorgung“, erklärte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Dr. Doris Pfeiffer. Insbesondere dass die Systematik der Preisverhandlungen für neue Medikamente bestätigt wurde, sei wichtig – und dass der Großkundenrabatt mit sieben Prozent erhalten bleibe. Das sieht der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) anders: „Wie ist es zu erklären, dass ein krisenbedingt eingeführter Preisstopp in Kombination mit Zwangszahlungen bei Milliardenüberschüssen in der GKV und wirtschaftlich stabiler Konjunktur einfach beibehalten wird?“, fragt sein Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp. Der Ausnahmezustand von 2010 werde einfach zur Regel gemacht, mit drastischen Konsequenzen. Bei der Bundesärztekammer bemängelt man indes die Verschärfung der Kontrollbürokratie und die Kompetenzausweitung des Gemeinsamen Bundesausschusses – die Selbstverwaltung verliere damit an Gestaltungskraft, findet Präsident Frank Ulrich Montgomery. „Das alles ist mehr geprägt von längst überwunden geglaubter Misstrauenskultur als vom Anspruch auf Freiberuflichkeit und Therapiefreiheit.“
SPD-Parteispitze rührt Werbetrommel
Über Inhalte haben sich die Spitzen von Union und SPD mit Unterzeichnung des Koalitionsvertrags zwar geeinigt. Doch unter Dach und Fach ist das Regierungsbündnis deshalb noch lange nicht. Ob es eine Große Koalition geben wird, werden die SPD-Mitglieder entscheiden. Sie müssen die mit CDU und CSU ausgehandelten Vereinbarungen bis Mitte Dezember per Mitgliederentscheid billigen – am 17. Dezember soll Merkel im Bundestag zur Kanzlerin gewählt werden. Bis zum Votum der SPD-Basis soll auch die Besetzung der Ministerposten nicht bekanntgegeben werden. Wer in einer Großen Koalition Gesundheitsminister würde, bleibt also offen. Fest steht aber, dass die SPD in einem schwarz-roten Kabinett unter Merkel sechs Ministerien bekommen soll, die CDU fünf (plus Kanzleramtsminister) und die CSU drei. Jetzt muss die SPD Überzeugungsarbeit leisten. Laut Karl Lauterbach ein „sehr hartes Stück Arbeit“ – aber er ist sicher: zum Schluss werde es gelingen.
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