Interpharm 2013

Späte Schwangerschaften sind medizinisch vertretbar – bei adäquatem Management

(bf). 35 plus? Dann sinkt nicht nur die Chance auf Nachwuchs. Auch die mit einer Schwangerschaft verbundenen Risiken für Mutter und Kind steigen erheblich. Chromosomale Störungen, Fehlgeburten, Frühgeburten und intrauterine Wachstumsretardierung bedrohen den Feten. Die Mortalität der Mütter ist erhöht. Wichtig ist deshalb eine konsequente Schwangerschaftsüberwachung bis hin zu einem gezielten Entbindungsmanagement. Dann allerdings spricht zumindest aus medizinischer Sicht nichts gegen eine Schwangerschaft auch im "hohen" Alter, so Prof. Dr. Peter Mallmann, Köln.
Prof. Dr. Peter Mallmann sieht nicht mehr Risiken für ältere Frauen während einer Schwangerschaft als für Jüngere.

Die Natur will junge Eltern. Dies zeigt schon der Blick auf die Schwangerschaftsrate pro Zyklus in Abhängigkeit vom Alter der Frau: Liegt sie bei einer 22-Jährigen noch bei 25%, ist sie im Alter von 38 Jahren bereits auf etwa die Hälfte gesunken. Klappt es dennoch, müssen verschiedene Risiken ins Kalkül gezogen werden.

Risiko Chromosomenaberrationen

Zu den größten Problemen gehören chromosomale Störungen. Sie können zu einer Behinderung des Kindes führen, gehen aber auch mit einem erhöhten Risiko für eine Fehlgeburt einher. Bis zum 39. Lebensjahr kommt es nur bei etwa 20% der Schwangerschaften zu einer Fehlgeburt. Danach steigt die Wahrscheinlichkeit exponenziell an. "Bei den über 45-Jährigen enden deutlich mehr als 80% der Schwangerschaften mit einer Fehlgeburt", so Mallmann. Die Mehrzahl der Fehlgeburten lässt sich auf Chromosomenaberrationen zurückführen, die mit steigendem Lebensalter stetig zunehmen. Allen älteren Schwangeren wird daher eine intensivierte frühgeburtliche Diagnostik angeboten, beginnend mit einem Ersttrimester-Ultraschall-Screening und der Messung von hCG in der 11. Schwangerschaftswoche. Auf Basis des Untersuchungsergebnisses, etwa der Nackenfaltendicke, kann die Entscheidung für oder gegen eine Amniozentese in der 16. bis 18. Schwangerschaftswoche (SSW) gefällt werden. In der 21. SSW werden in einem zweiten Ultraschall-Screening die Organe genauer untersucht. Denn nicht jede Fehlbildung ist chromosomal bedingt. Zu diesem Zeitpunkt können beispielsweise angeborene Herzfehler diagnostiziert werden. Die Aussagekraft dieser Untersuchung ist sehr hoch. "Etwa 96% der Missbildungen lassen sich damit erkennen", so Mallmann. Eine Innovation im Bereich der Diagnostik chromosomaler Aberrationen des Feten ist der Praena®-Test. Er kann aus mütterlichem Blut bestimmte Trisomien ab der 11. SSW nachweisen. Der Vorteil: Es besteht kein Risiko für das Kind, während invasive Verfahren mit einem – wenn auch geringen – Risiko einer Fehlgeburt assoziiert sind. Laut Mallmann ist es eine Frage der Zeit, bis noch mehr, möglicherweise alle, chromosomalen Aberrationen per Bluttest erkennbar sind.

Risiko Adipositas

Als problematisch gelten späte Schwangerschaften auch, weil ältere Mütter oft schon zu Beginn der Schwangerschaft zu viele Pfunde auf die Waage bringen. Da deren Kinder oft größer sind, wird beispielsweise häufiger ein Kaiserschnitt notwendig. Auch ein Gestationsdiabetes entwickelt sich eher. Wenn ältere, übergewichtige Frauen Nachwuchs planen, sollten sie deshalb bereits vor Erfüllung des Kinderwunschs ihr Gewicht reduzieren und die Gewichtszunahme während der Schwangerschaft kontinuierlich kontrollieren. Besonderes Augenmerk muss auf dem Gestationsdiabetes liegen.

Plazenta-Probleme

Auch die Plazenta macht bei älteren Schwangeren häufiger Probleme. Eine Placenta praevia ist aus noch unbekannten Gründen bei über 40-jährigen Schwangeren acht Mal häufiger als bei unter 25-jährigen Schwangeren. Zudem kommt es gehäuft zu intrauteriner Wachstumsretardierung als Folge einer Funktionsuntüchtigkeit der Plazenta, vor allem zwischen der 37. und 39. SSW. Es besteht die Gefahr eines Fruchttods. "Wenn Frauen ihr Kind in dieser Schwangerschaftsphase plötzlich nicht mehr spüren, kann dies die Ursache sein", erläuterte Mallmann. Bei einer Wachstumsretardierung wird eventuell eine frühzeitige Entbindung angestrebt. Generell gilt ohnehin: Bei werdenden Müttern über 40 Jahren sollte die Entbindung nicht über den errechneten Termin hinaus verschoben, sondern die Geburt gegebenenfalls eingeleitet werden.

Mütterliche Mortalität

Auch für die Gesundheit der Mutter ist eine späte Schwangerschaft nicht ohne Risiko. Die mütterliche Mortalität steigt von 1,4/100.000 Geburten bei Frauen zwischen 20 und 29 Jahren auf 22,1 Todesfälle bei Schwangeren zwischen 40 und 44 Jahren. Ist die Frau bereits über 44 Jahre alt, liegt die Zahl der Todesfälle sogar bei 166 pro 100.000 Geburten. Summa summarum kam Mallmann zu dem Schluss, dass trotz der Risiken bei einer intensivierten Schwangerschaftsüberwachung und einem aktiven Entbindungsmanagement auch eine Schwangerschaft im hohen Lebensalter medizinisch vertretbar ist. Er verwies aber auch auf die psychosozialen Folgen einer späten Schwangerschaft. So leiden ältere Mütter häufiger unter dem Kontrollverlust und der Desorganisation des Tagesablaufs durch das Kind, aber auch unter sozialer Isolation, körperlicher Erschöpfung und dem Verlust des Berufs.



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DAZ 2013, Nr. 13, S. 36

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