Klinische Pharmazie – POP

Verhüten ohne Risiko

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Die Auswahl der passenden Methode

Von Ina Richling, Robert Hermann und Hartmut Derendorf | Kaum eine Substanzklasse wird von so vielen jungen, an sich gesunden Frauen angewendet wie hormonale Kontrazeptiva. Auch wenn einige von ihnen aufgrund ihres erhöhten Thromboserisikos in letzter Zeit etwas in Verruf geraten sind, gibt es keinen Anlass, hormonale Kontrazeptiva generell zu verteufeln. Grundvoraussetzung für eine sichere Anwendung ist allerdings die individuelle Auswahl des richtigen Präparats für die jeweilige Patientin. Gegebenenfalls muss auch auf nicht-hormonale Alternativen zurückgegriffen werden. Dann steht einer sicheren und wirksamen Verhütung nichts im Wege.

Jede Empfängnisverhütungsmethode hat Vor- und Nachteile. Zu den pharmakologischen Unterschieden zwischen den verschiedenen Kontrazeptiva und den daraus resultierenden Kontraindikationen, kommen Unterschiede im Einnahmeschema, der Darreichungsform und zuletzt auch der Sicherheit. Die folgenden Seiten geben einen Überblick über verschiedene Methoden der hormonalen Kontrazeption, sowie über nicht-hormonale Alternativen.

Kombinierte orale Kontrazeptiva

Kombinierte orale Kontrazeptiva enthalten meist Ethinylestradiol, Ausnahmen: Qlaira® enthält Estradiolvalerat, Zoely® Estradiol, beide kombiniert mit einem synthetischen Gestagen. Bei einer Ethinylestradiol-Konzentration unter 50 µg nennt man die kombinierten oralen Kontrazeptiva auch Mikropillen. Die meisten kombinierten oralen Kontrazeptiva enthalten 20 bis 35 µg Ethinylestradiol.


Wirkungsmechanismus

Kombinierte orale Kontrazeptiva vermitteln ihre kontrazeptiven Eigenschaften im Wesentlichen durch drei Mechanismen:

  • Hemmung der Ovulation durch Suppression der FSH- und LH-Sekretion: Die erhöhte Estrogen-/Gestagen-Konzentration führt durch eine negative Rückkopplung auf die Hypothalamus-Hypophysen-Achse zu einer Senkung der Gonadotropin-Ausschüttung (LH und FSH, Abb. 1, Abb. 2) aus der Hypophyse. Infolgedessen wird der Eisprung, und somit auch die Befruchtung, verhindert.
  • Erschwerung/Hemmung der Einnistung: Da die Stimulation durch das luteinisierende Hormon fehlt, wird weniger Progesteron ausgeschüttet. Voraussetzung für eine erfolgreiche Nidation ist aber der Progesteron-induzierte drüsige Umbau des Endometriums (Abb. 1). Des Weiteren kommt es auch zur Downregulation der Östrogen-Rezeptoren am Endometrium und somit auch zur Hemmung der Proliferation der Uterusschleimhaut.
  • Erhöhung der Viskosität des Zervixschleims: Die Zusammensetzung und Konsistenz des Zervixschleims verändert sich und erschwert so die Penetration und Einnistung der Spermien.

Abb. 1: Der weibliche Zyklus
Abb. 2: Wirkungsweisen kombinierter oraler Kontrazeptiva mit Einteilung der Einphasenpräparate und Qlaira® nach ihren Inhaltsstoffen.

Synthetische Estrogene

  • Ethinylestradiol (15 µg, 20 µg, 30 µg, 35 µg, 50 µg).
  • Niedrig dosierte Präparate, die 20 bis 30 µg Ethinylestradiol enthalten, werden vor allem für jugendliche Frauen, die unter 50 kg wiegen und für Frauen über 35 Jahre empfohlen.
  • Mestranol (Prodrug des Ethinylestradiol), zur Zeit ist kein Kombinationspräparat mit Mestranol auf dem Markt.
  • Estradiolvalerat: veresterte Form des natürlichen 17β-Estradiols; wird rasch und vollständig resorbiert und zu natürlichem Estradiol hydrolysiert; 1 mg Estradiolvalerat ist äquivalent mit 0,76 mg Estradiol; Estradiolvalerat wird während der gastrointestinalen Resorption schnell gespalten und es wirkt nur das Estradiol; schnellere Metabolisierung als Ethinylestradiol.


Synthetische Gestagene (Tab. 1, 2)

Gestagene mit antiandrogenem Effekt haben einen unterdrückenden Effekt auf männliche Hormone und werden bei starker Akne, Seborrhoe oder Androgenisierungserscheinungen, wie Hirsutismus eingesetzt.

  • Drospirenon
  • Dienogest
  • Chlormadinonacetat
  • Cyproteronacetat

Cyproteronacetat-haltige Präparate sind bis auf morea® sanol zur Zeit in Deutschland ausschließlich zur Therapie von schwerer Akne und vermehrter Behaarung, nicht jedoch als Verhütungsmittel, zugelassen.

Gestagen mit antimineralcorticoidem Effekt: verminderte Wassereinlagerung, weniger Gewichtszunahme

  • Drospirenon

Tab. 1: Synthetische Gestagene

1. Generation
2. Generation
3. Generation
Unklassifiziert
Norethisteron
Levonorgestrel
Desogestrel
Drospirenon
Norethisteronacetat
Norgestrel
Etonogestrel
Cyproteronacetat
Lynestrenol
Norgestrion
Gestoden
Chlormadinonacetat
Dienogest
Norgestimat

Tab. 2: Wirkprofile synthetischer Gestagene

Pillen-Gestagen
Gestagen-Typ
Partialwirkungsverhalten
androgen
antiandrogen
estrogen
antiestrogen
antimineralcorticoid
Norethisteronacetat
19-Norgestagen
+
+
+
Levonorgestrel
19-Norgestagen
+
+
Desogestrel
19-Norgestagen
+
+
Gestoden
19-Norgestagen
+
+
Norgestimat
19-Norgestagen
+
+
Dienogest
19-Norgestagen
++
Chlormadinonacetat
C21-Gestagen
+
+
Cyproteronacetat
C21-Gestagen
+++
+
Drospirenon
Spirolacton-Derivat
++
+
+

Mehrphasenpräparate/Sequenzpräparate

Durch unterschiedliche Zusammensetzung der einzelnen Phasen versucht man die Präparate dem weiblichen Zyklus näher anzupassen und sie somit besser verträglich zu machen. Mehrphasenpräparate werden vor allem den Patientinnen empfohlen, die in den ersten Tagen ihres Zyklus unter Nebenwirkungen leiden. Doch je stärker man sich dem physiologischen Bild annähert, umso unsicherer wird die Pille vor allem dann, wenn Fehler bei der Einnahme gemacht werden.

  • Sequenz- und Zweiphasenpräparate: Enthalten in den ersten Tagen lediglich Ethinylestradiol, oder Ethinylestradiol und eine niedrige Gestagen-Dosis, danach Ethinylestradiol und eine höhere Gestagen-Dosis. Zum Beispiel: Lyn-Ratiopharm Sequenz®, Oviol 22®, Neo-Eunomin®, Biviol®.
  • Dreiphasenpräparate: Die Konzentrationen der beiden Inhaltsstoffe liegen in drei unterschiedlichen Dosierungen vor. Meist eine gleichbleibende Gestagen-Konzentration mit langsam ansteigendem Ethinylestradiol-Gehalt. z. B. Triette®, NovaStep®, Triquilar®, Trisiston®.
  • Vierphasenpräparat: ist ähnlich aufgebaut wie ein Zweiphasenpräparat, allerdings wird der Einnahmezyklus durch jeweils zwei Estrogen-Tabletten am Anfang und Ende verlängert (Qlaira®: Estradiolvalerat und Dienogest, enthält 26 wirkstoffhaltige Tabletten und zwei wirkstofffreie Tabletten).

Einphasenpräparate

Fixe Kombination aus Ethinylestradiol und einem Gestagen in gleichbleibender Konzentration über den gesamten Verlauf für 21 Tage (Abb. 2).


Einnahmeschemata

  • 21/7
    Die meisten kombinierten oralen Kontrazeptiva enthalten üblicherweise 21 Tabletten mit Wirkstoff, gefolgt von einer siebentägigen Pause. Die Phase der Nicht-Einnahme (Phase der Abbruchblutung) darf maximal sieben Tage andauern, nicht länger, da sonst die Sicherheit der Pille gefährdet ist. Dagegen ist eine Verkürzung dieser Zeit jederzeit möglich.
  • 24/4
    Die Packung enthält 28 Tabletten. Über 24 Tage werden wirkstoffhaltige Tabletten und anschließend über vier Tage Placebo-Tabletten eingenommen. Somit wird sofort im Anschluss eine neue Packung begonnen. (z. B. Yaz®).
    Vorteile:
    - verringertes Risiko, nach der Pause die erneute Pilleneinnahme zu vergessen,
    - verkürztes hormonfreies Intervall, weniger hormonelle Schwankungen und Hormonentzugssymptomatik,
    erhöhte kontrazeptive Sicherheit durch verkürzte Zeit zur Follikelreifung.
  • 84/7
    kontinuierliche Einnahme der Pille für 12 Wochen mit anschließendem siebentägigem, einnahmefreien Intervall. Somit kommt es nicht zum Hormonabfall und damit nicht zu einer Blutung. In den ersten drei bis sechs Monaten kann es hierbei zu vermehrten Durchbruchblutungen kommen.
  • kontinuierliche Einnahme für ein Jahr.

Tab. 3: Management der Nebenwirkungen aus Sicht der Klinischen Pharmazie Tabelle modifiziert nach [19]

Nebenwirkung
Management
zu hohe Estrogen-Konzentration
Übelkeit, Brustspannen,
Kopfschmerzen, Gewichtszunahme
  • Senken der Estrogen-Dosis;
  • Minipille
Dysmenorrhö, Menorrhagie,
verlängerte Blutung
  • Senken der Estrogen-Dosis;
  • Einnahmeschema ändern: 24/4, 84/7 oder Dauereinnahme
  • NSAR
zu niedrige Estrogen-Konzentration
Durchbruchblutungen in der
ersten Zyklushälfte (Tag 1 – 9)*
  • Erhöhung der Estrogen-Dosis
vasomotorische Symptome,
Nervosität, verminderte Libido
  • Erhöhung der Estrogen-Dosis
Amenorrhö
  • Schwangerschaft ausschließen;
  • Erhöhung der Estrogen-Dosis
zu hohe Gestagen-Konzentration
gesteigerter Appetit, Gewichtszunahme, Völlegefühl, Blähbauch, Verstopfung
  • Senken der Gestagen-Dosis
Akne, Seborrhö, Hirsutismus
  • Senkung der Gestagen-Dosis;
  • Auswahl eines antiandrogenen Gestagens
Depression, Müdigkeit, Reizbarkeit
  • Senkung der Gestagen-Dosis
zu niedrige Gestagen-Konzentration
Dysmenorrhö, Menorrhagie
  • Erhöhung der Gestagen-Konzentration;
  • Einnahmeschema ändern: 24/4, 84/7 od. Dauereinnahme
  • Minipille oder Spirale
  • NSAR
Durchbruchblutungen in der
2. Zyklushälfte (Tag 10 – 21)*
  • Erhöhung der Gestagen-Konzentration

* Einnahmezeitraum für mindestens 3 Monate, bevor Wechsel zu einem anderen oralen Kontrazeptivum, da Durchbruchblutungen in den ersten 3 – 6 Monaten häufiger sind

Minipille

Die Minipille ist ein reines Gestagen-Präparat, das täglich zur exakt gleichen Zeit eingenommen werden muss. Wird die Einnahme einmal vergessen, kann sie nur innerhalb von maximal drei Stunden (bei Cerazette® und wirkstoffgleichen Präparaten 12 Stunden) nachgenommen werden. Kommt es trotz Einnahme zu einer Schwangerschaft, ist das Risiko einer Eileiterschwangerschaft erhöht, da das Gestagen in der Minipille den Eitransport stört. Häufig kommt es bei jedem zweiten bis dritten Zyklus zu Schmierblutungen oder Durchbruchblutungen. Die Minipille ist besonders gut geeignet für Frauen, die Estrogen-haltige orale Kontrazeptiva nicht anwenden können oder wollen. Dazu zählen Frauen mit Kontraindikationen, wie einer Thrombose in der Vorgeschichte oder Raucherinnen über 35 Jahre. Für stillende Mütter ist die Minipille empfängnisverhütende Methode der Wahl.

Der Pearl-Index liegt bei 0,4 bis 3,0 und es besteht kein erhöhtes Thromboserisiko.

Präparate: Levonorgestrel (28 mini®), Desogestrel (Cerazette®, Damara®).

Der Pearl-Index


Der Pearl-Index (benannt nach dem amerikanischen Wissenschaftler Raymond Pearl) ist das Beurteilungsmaß für die Sicherheit von Verhütungsmitteln: je kleiner der Pearl-Index, desto sicherer die Verhütungsmethode. Wenden 100 Frauen ein Jahr lang das gleiche Verhütungsmittel an und treten in diesem Zeitraum drei Schwangerschaften auf, so beträgt der Pearl-Index 3. Ein Pearl-Index von 0,1 besagt, dass eine von 1000 Frauen, die ein Jahr lang das gleiche Verhütungsmittel anwenden, schwanger wird [21].

Absolute Kontraindikationen kombinierter oraler Kontrazeptiva


  • Schwangerschaft und Stillen innerhalb der ersten sechs Wochen post partum
  • kardiovaskuläre Erkrankungen und deren Risikofaktoren:
  • Blutdruck >160/100 mmHg
  • arterielle Hypertonie (auch bei normalem RR unter Therapie) mit vaskulären Erkrankungen

  • Frauen über 35 Jahre, die mehr als 20 Zigaretten täglich rauchen
  • vorausgegangene oder bestehende venöse und thromboembolische Erkrankungen
  • bekannte Thromboseneigung
  • Myokardinfarkt akut oder anamnestisch
  • zerebrovaskuläres Ereignis akut oder anamnestisch
  • Migräne mit fokalen neurologischen Symptomen
  • Herzfehler mit Komplikationen
  • schwere Hypertriglyceridämie
  • multiple schwere Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen
  • großer chirurgischer Eingriff mit prolongierter Immobilisation
  • Mammakarzinom vor weniger als fünf Jahren (abhängig von Tumorstadium; Prognosefaktoren; Alter der Patientin; Familienplanung)

  • Herpes gestationis in der Anamnese
  • Otosklerose mit Verschlechterung in vorausgegangenen Schwangerschaften
  • Leberstoffwechselstörungen (intrahepatische Cholestase, Enzymopathien wie Dubin-Johnson-Syndrom oder Rotor-Syndrom, Schwangerschaftsikterus in der Anamnese, Porphyrien)

  • Diabetes mit vaskulären Komplikationen
  • Diabetes mellitus seit mehr als 20 Jahren
  • akute und chronische Lebererkrankungen
  • akuter Schub eines Morbus Crohn oder einer Colitis ulcerosa
  • schweres Übergewicht (BMI > 35 kg/m2)


Relative Kontraindikationen


  • weniger als drei Wochen post partum nach Abstillen
  • kardiovaskuläre Erkrankungen und deren Risikofaktoren
  • Zigarettenrauchen > 15 Zig./Tag
  • medikamentös eingestellte arterielle Hypertonie
  • oberflächliche Beinvenenthrombosen, Thrombophlebitis, starke Varikosis
  • Hypercholesterinämie
  • Migräne ohne fokale neurologische Symptome
  • onkologische Erkrankungen
  • Brustkrebs vor mehr als fünf Jahren (s. absolute KI)
  • ausgeprägte Adipositas (siehe unten)
  • gestörte Glucosetoleranz
  • behandlungsbedürftige Gallenblasenerkrankung
  • leichtere, kompensierte Leberzirrhose
  • Einnahme von Medikamenten, die zu einer Arzneimittelinteraktion mit der Pille führen können

  • Epilepsie
  • Übergewicht (BMI = 30 – 35 kg/m2)
  • Status nach Splenektomie
  • Sichelzellanämie
  • schwere Depression

Alternativen zur oralen Kontrazeptiva

  • Dreimonatsspritze: enthält Medroxyprogesteronacetat und Norethisteronacetat (Pearl-Index: 0,3 – 0,88)
  • Vaginalring: enthält Etonorgestrel und Ethinylestradiol (Pearl-Index: 0,4 – 0,65)
Foto: MSD SHARP & DOHME GmbH
  • Verhütungspflaster: enthält Norelgestromin und Ethinylestradiol (Pearl-Index: 0,72 – 0,9)
Foto: Bayer HealthCare AG
  • Kupfer IUP: sehr gute Methode für Frauen, die keine hormonelle Methode nutzen können (Tab. 4; Pearl-Index: 0,3 – 0,8)
  • Hormonspirale (IUP: Intrauterinpessar mit Hormonen; Tab. 4): enthält Levonorgestrel (Pearl-Index: 0,02)
Foto: Bayer HealthCare AG
  • Hormonimplantat: enthält Etonogestrel (Pearl-Index: 0,08)
Foto: Organon

Tab. 4: Hormonspirale versus Kupferspirale

Hormonspirale
Kupferspirale
mindestens 5 Jahre wirksam
mindestens 10 Jahre wirksam
enthält Levonorgestrel, somit kürzere und schwächere Menstruation, am Anfang unregelmäßige Blutungen; hormonelle NW
enthält keine Hormone, somit auch keine NW der Hormone
effektiv bei Menstruationsbeschwerden, wie Hypermenorrhö oder Dysmenorrhö
kann stärkere Blutungen auslösen mit evtl. Krämpfen

Barrieremethoden

  • Kondome (Pearl-Index: 2 – 12)
  • Femidom ("Kondom für Frauen”; Pearl-Index: 5 – 25)
  • Diaphragma (Pearl-Index: 1 – 20)
  • Portiokappe (Pearl-Index: 6)
  • chemische Verhütungsmethoden: Cremes, Salben, Schwämme, Filme (Pearl-Index: 3 – 21)
  • Temperaturmethode (Messung der morgendlichen Basaltemperatur; Pearl-Index: 0,8 – 3)
  • Kalendermethode (Knaus-Ogino-Methode; Pearl-Index: 9 – 40)

Sonstige Methoden

  • Koitus interruptus (Pearl-Index: 4 – 18)
  • keine Verhütung (Pearl-Index: 85)
  • Sterilisation der Frau (Pearl-Index: 0,2 – 0,3)
  • Sterilisation des Mannes (Pearl-Index: 0,1)

Risiko wird neu bewertet

Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich Pharmakovigilanz der Europäischen Arzneimittelagentur hat in seiner Februarsitzung ein Risikobewertungsverfahren zu kombinierten hormonalen Kontrazeptiva gestartet, die als Gestagen-Komponente Chlormadinon, Desogestrel, Dienogest, Drospirenon, Etonogestrel, Gestoden, Nomegestrol, Norelgestromin oder Norgestimat enthalten. Das europäische Risikobewertungsverfahren wurde auf Anfrage von Frankreich hin ausgelöst mit Blick auf das Risiko venöser thromboembolischer Ereignisse [7].

Seit der Zulassung wurde das Thromboserisiko der oralen Kontrazeptiva kontinuierlich überwacht, die Produktinformationen Drospirenon-haltiger Kontrazeptiva waren zuletzt 2010 und 2011 basierend auf einer umfangreichen Bewertung der Pharmakovigilanz-Arbeitsgruppe (PhVWP) [6] der Europäischen Arzneimittelagentur EMA aktualisiert worden. Diese Bewertung hatte ergeben, dass die Anwendung Drospirenon-haltiger Kontrazeptiva mit einem höheren Thromboserisiko verbunden sei als die Anwendung Levonorgestrel-haltiger Präparate und dass das Thromboserisiko Drospirenon-haltiger Kontrazeptiva ähnlich dem Risiko Desogestrel- oder Gestoden-haltiger Kontrazeptiva sein könnte.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) arbeitet aktiv mit den anderen europäischen Behörden an der aktuellen Risikobewertung von oralen Kontrazeptiva und wird über neue Erkenntnisse unmittelbar informieren [7].


Literatur

[1] Lindgaard Ø, Løkkegard E, Svendsen AL, Agger C, 2009. Hormonal contraception and risk of venous thromboembolism: national follow-up study. BMJ 339:b2890.

[2] Jick SS, Hernandez RK: Risk of non-fatal venous thromboembolism in women using oral contraceptives containing drospirenone compared with women using oral contraceptives containing levonorgestrel: case-control study using United States claims data. BMJ 2011; 342: d2151.

[3] Parkin L, Sharples K, Hernandez RK, Jick SS: Risk of venous thromboembolism in users of oral contraceptives containing drospirenone or levonorgestrel: nested case-control study based on UK General Practice Research Database. BMJ 2011; 342: d2139.

[4] Hylckma Vlieg A, Helmenhorst FM, Vandenbroucke JP, et al. 2009. The venous thrombotic risk of oral contraceptives, effects of oestrogen dose and progestogen type: results of the MEGA case-control study. BMJ 339: b2921

[5] Dunn N. 2009. Oral contraceptives and venous thromboembolism. BMJ 339: b3164.

[6] EMA: Pharmacovigilance Working Party (PhVWP): Ethinylestradiol + drospirenone-containing oral contraceptives (YASMIN, YASMINELLE and other products) – Risk of venous thromboembolism. Plenary Meeting, Mai 2011. Zuletzt geprüft: 20. Juli 2011.

[7] Kombinierte hormonale Kontrazeptiva: Europäisches Risikobewertungsverfahren gestartet. Homepage des BfArM, available at http://www.bfarm.de/DE/Pharmakovigilanz/risikoinfo/2013/RI-kok.html, accessed 10.04.2013

[8] American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG). Use of hormonal contraception in women with coexisting medical conditions. Washington (DC): American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG); 2006 Jun. 20 p. (ACOG practice bulletin; no. 73).

[9] Start of review of combined hormonal contraceptives containing chlormadinone, desogestrel, dienogest, drospirenone, etonogestrel, gestodene, nomegestrol, norelgestromin or norgestimate EMA/75551/2013 available at: http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Referrals_document/Combined_hormonal_contraceptives/Procedure_started/WC500138611.pdf first published 7 February 2013

[10] AWMF online - S2-Leitlinie Angiologie: Venenthrombose und Lungenembolie Leitlinie "Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und der Lungenembolie" Deutsche Gesellschaft für Angiologie - Gesellschaft für Gefäßmedizin e.V. (DGA), available at http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/065-002_S2_Diagnostik_und_Therapie_der_Venenthrombose_und_der_Lungenembolie_06-2010_2_.pdf, accessed 09.04.2013

[11] Kearon C, Kahn SR, Agnelli G, Goldhaber S, Raskob GE, Comerota AJ: Antithrombotic therapy for venous thromboembolic disease: American College of Chest Physicians Evidence-Based Clinical Practice Guidelines (8th Edition). Chest 2008;133:454S-545S

[12] Hirsh J, Dalen J, Anderson DR, Poller L, Bussey H, Ansell J, Deykin D: Oral anticoagulants: mechanism of action, clinical effectiveness, and optimal therapeutic range. Chest 2001;119:8S-21S

[13] Parke S et al. Bleeding patterns and cycle contro with a novel four phasic combines oral contraceptive containing estradiol valerate and dienogest. Eur J Contracept reprod Health Care 2008; 13, 94 – 95.

[14] WHO Medical Eligibility Criteria for Contraceptive Use available at: http://www.who.int/reproductivehealth/publications/family_planning/9789241563888/en/index.html, accessed 02.04.2013

[15] Klipping C, Duijkers I, Trummer D, Marr J: Suppression of ovarian activity with a drospirenone-containing oral contraceptive in a 24/4 regimen. Contraception 2008; 78(1): 16 – 25

[16] Tobacco Use and Dependence Guideline Panel. Treating Tobacco Use and Dependence: 2008 Update. Rockville (MD): US Department of Health and Human Services; 2008 May. Available from: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK63952/, accessed 31.03.2013

[17] Pomp ER, Rosendaal FR, Doggen CJ: Smoking increases the risk of venous thrombosis and acts synergistically with oral contraceptive use. Am J Hematol 2008; 83: 97 – 102.

[18] Lopez LM, Newmann SJ, Grimes DA, et al. Immediate start of hormonal contraceptives for contraception. Cochrane Database Syst Rev. 2008 Apr 16;(2):CD006260.

[19] Dickerson LM, Shrader SP, Diaz, VA. Contraception. In Dipiro J, Talbert B, Yee GC, Matzke GR, Wells BG, Posey LM (eds.). Pharmacotherapy: A Pathophysiologic Approach, 7th edition, New York, McGraw-Hill, 2008: 1313 – 1325.

[20] Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Wissenschaftlicher Fachausschuss der Bundesärztekammer. Risiko von venösen Thromboembolien bei Einnahme von Drospirenon-haltigen kombinierten oralen Kontrazeptiva (Yasmin®/Yasminelle®, Aida®, Yaz®, Petibelle®) Deutsches Ärzteblatt, Jg. 108, Heft 45, 11.11.201.

[21] AWMF - Leitlinie Empfängnisverhütung. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG).2008 available at http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/015-015.pdf accessed 11.04.2013.


Autoren

Ina Richling, Studium der Pharmazie von 1995 – 2000 an der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Studium an der University of Florida, Gainesville, USA von 2007 – 2010 mit dem Abschluss PharmD. Referentin für die AKWL im Bereich Fort- und Weiterbildung, Tutorin des Pilotprojekts ATHINA (Arzneimitteltherapiesicherheit in Apotheken) der Apothekerkammer Nordrhein, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der WestGem-Studie (MTM und sektorübergreifende Versorgungsforschung bei multimorbiden Patienten) in Zusammenarbeit mit der Bergischen Universität Wuppertal und der KatHO-NRW. Filialleitung der Kant-Apotheke in Iserlohn. Apothekerin Ina Richling, PharmD, Kant Apotheke, Hagener Str. 117 a, 58642 Iserlohn
Robert Hermann studierte Humanmedizin an der Goethe-Universität Frankfurt und ist Facharzt für Anästhesie & Intensivmedizin sowie Facharzt für Klinische Pharmakologie. Er arbeitet als selbstständiger Berater für die klinische Entwicklung innovativer Arzneimittel. Dr. med. Robert Hermann, Managing Director Clinical Research Appliance, Rossittenstraße 15, 78315 Radolfzell robert.hermann@cr-appliance.com
Hartmut Derendorf, Apotheker, ist Distinguished Professor und Chairman des Departments of Pharmaceutics an der University of Florida in Gainesville, wo er seit 1983 Pharmakokinetik, Pharmakodynamik und Klinische Pharmakokinetik lehrt. Prof. Dr. Hartmut Derendorf, Distinguished Professor and Chairman, Department of Pharmaceutics, University of Florida

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