Arzneimittel und Therapie

Blutdrucksenkung mit allen Mitteln?

Gefährliche Kombinationen vermeiden

Ein Mechanismus zur Senkung des Blutdrucks ist die Blockade des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems. Dazu stehen verschiedene Arzneistoffgruppen zur Verfügung. Die Hypothese, dass durch eine Kombination dieser Arzneistoffe bessere Therapieerfolge zu erzielen wären, wurde in aktuellen Studien widerlegt – ganz im Gegenteil: Es traten teils gravierende Nebenwirkungen auf. Nun hat sich die Europäische Arzneimittelbehörde EMA der Sache angenommen.

In den Leitlinien zur Behandlung der arteriellen Hypertonie der Deutschen Hochdruckliga ist der optimale Blutdruck mit 120/80 mmHg definiert. Ab 140/90 mmHg spricht man von Bluthochdruck, dazwischen liegt der Normalbereich. Neben einer Änderung des Lebensstils wird in den Leitlinien zur medikamentösen Behandlung der Hypertonie ein Stufenplan vorgeschlagen. Dieser sieht zu Beginn eine Monotherapie vor. Wird mit ihrer Hilfe der Zielblutdruck nicht erreicht, soll auf eine Kombinationstherapie mit zwei (oder mehr) Blutdrucksenkern umgestellt werden. Neben Diuretika, Betablockern und Calciumantagonisten stehen Wirkstoffe zur Verfügung, die das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) blockieren. Dazu zählen die Inhibitoren des Angiotensin Converting-Enzyms (ACE-Hemmer) und die AT1 -Antagonisten (Sartane), die den Angiotensin-II-Rezeptor blockieren.

Internationaler Trend: doppelte RAAS-Blockade

Neben ACE-Hemmern und AT1 -Antagonisten ist seit einigen Jahren ein weiterer Wirkstoff, der am RAAS-System angreift, auf dem Markt: der direkte Renin-Inhibitor Aliskiren (Rasilez®). Aufgrund der theoretischen Überlegung, dass durch eine duale Blockade des RAAS-Systems eine bessere kardio- und nephroprotektive Wirkung erzielt werden könnte (s. Abb.), wurde diese Therapieempfehlung in internationale Guidelines aufgenommen. Vor allem in den USA werden Kombinationen aus mehreren RAAS-aktiven Substanzen bei Hypertonikern und Diabetikern breit eingesetzt.


Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) und die Möglichkeiten zur pharmakotherapeutischen Intervention. [Quelle: Steinhilber, D.; Schubert-Zsilavecz, M.; Roth, H.: Medizinische Chemie. Targets und Arzneistoffe. Deutscher Apotheker Verlag (2010)]

Zu viel des Guten?

In einer Metaanalyse wurden die Wirksamkeit und Sicherheit von Kombinationen unterschiedlicher RAAS-Blocker im Vergleich zu einer Monotherapie untersucht. Dabei wurden ca. 68.000 Patientendaten aus insgesamt 33 klinischen Studien evaluiert. In diesen Studien wurden entweder Kombinationen aus ACE-Hemmer und AT1-Antagonist (22 Studien), ACE-Hemmer und Aliskiren (drei Studien), AT1-Antagonist und Aliskiren (sieben Studien) oder ACE-Hemmer oder AT1-Antagonist und Aliskiren (eine Studie) eingenommen. Zwar wurden im Vergleich zur Monotherapie 18% weniger Patienten mit der dualen Therapie wegen Herzversagen ins Krankenhaus eingeliefert, doch hinsichtlich der allgemeinen Sterberate und der kardiovaskulären Mortalität wurde kein Unterschied zwischen den beiden Therapiegruppen festgestellt. Bei der Nebenwirkungsrate gab es bemerkenswert hohe Unterschiede zwischen den beiden Gruppen: Im Vergleich zur Monotherapie wurde die duale Therapie mit einem 55% höheren Hyperkaliämie-Risiko, einem 66% höheren Hypotonie-Risiko und einem 41% höheren Risiko für Nierenversagen assoziiert.

Die ASTRONAUT-Studie

In einer weiteren aktuellen klinischen Studie wurde die Gabe von Aliskiren in Kombination mit Standardtherapie bei hospitalisierten Herzinfarkt-Patienten untersucht. Diese ASTRONAUT-Studie (Aliskiren Trial on Acute Heart Failure Outcomes) sollte zeigen, ob die zusätzliche Einnahme von Aliskiren die Rate kardiovaskulärer Todesfälle oder Wiedereinlieferung wegen Herzinfarkt verringern könnte. Die insgesamt 1615 Patienten erhielten zusätzlich zu ihrer Standardtherapie (Diuretika, Betablocker, ACE-Hemmer oder Sartane) täglich 150 mg bis 300 mg Aliskiren oder Placebo. Im Vergleich zur Standardtherapie konnte die zusätzliche Gabe von Aliskiren weder die kardiovaskuläre Mortalitätsrate noch die Zahl an Rehospitalisierungen wegen Herzinfarkt verringern. Ähnlich wie bei der oben beschriebenen Metaanalyse waren die Nebenwirkungsraten (Hyperkaliämie, Hypotonie, Nierenversagen) in der Aliskiren-Gruppe höher als in der Placebo-Gruppe. In beiden Studien kamen die Autoren zu dem Schluss, dass die Einnahme von Aliskiren zusätzlich zu anderen RAAS-aktiven Substanzen oder zu Standardtherapie nicht befürwortet werden kann.

Untersuchung durch die EMA

Kürzlich hat sich auch die Europäische Arzneimittelagentur EMA zu Wort gemeldet und detaillierte Untersuchungen angekündigt. Bereits 2012 hatte die EMA darauf hingewiesen, dass die Kombination von Aliskiren mit ACE-Hemmern oder AT1 -Antagonisten das Nebenwirkungsrisiko für Gefäße, Herz und Nieren erhöhen könnte. Sie sprach damals eine Empfehlung für eine Kontraindikation von Aliskiren bei Patienten mit Diabetes oder Nierenerkrankungen, die ACE-Hemmer oder Sartane einnehmen, aus. Basierend auf den bedenklichen Ergebnissen der oben genannten Metaanalyse von Makani et al. hat die EMA nun begonnen, das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Kombinationen aus mehreren RAAS-aktiven Substanzen genauer zu untersuchen. Man darf gespannt sein, zu welchem Schluss die Europäische Behörde kommt.


Quelle

Deutsche Hochdruckliga e.V. Leitlinien zur Behandlung der arteriellen Hypertonie, 2008.

Deutsche Hochdruckliga e.V. Addendum "Bewertung der neuen Entwicklungen in der Hochdrucktherapie", 2011.

European Medicines Agency Recommends New Contraindications and Warnings for Aliskiren-Containing Medicines. EMA/CHMP/112042/2012

Review Started of Combined Use of Renin-Angiotensin System (RAS)-Acting Agents. EMA/291202/2013.

Gheorghiade M et al. Effect of Aliskiren on Postdischarge Mortality and Heart Failure Readmissions Among Patients Hospitalized for Heart Failure. JAMA 2013; 309(11): 1125 – 1135.

Makani H et al. Efficacy and Safety of Dual Blockade of the Renin-Angiotensin System: Meta-Analysis of Randomised Trials. BMJ 2013; 346: f360 doi: 10.1136/bmj.f360.


Apothekerin Dr. Birgit Benedek

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