Hautpflege bei Inkontinenz

Spezielle Hautpflege bei Inkontinenz

Von Claudia Bruhn | Die Haut von Menschen mit Harn- oder Stuhlinkontinenz stellt besondere Ansprüche an die Reinigung und Pflege. In den meisten Fällen sind die Betroffenen im höheren Lebensalter, in dem die Regenerationsfähigkeit der Haut abnimmt sowie Immunschwäche oder Erkrankungen wie Diabetes mellitus eine Rolle spielen. Beim Auftreten von Hautläsionen muss daher schnell gehandelt werden, um großflächigen Infektionen oder Dekubitus vorzubeugen. Mit Hintergrundwissen und Produktempfehlungen kann die Apotheke sowohl pflegende Angehörige als auch Mitarbeiter von ambulanten Pflegediensten unterstützen.

Bei jeder Art von Hautpflege müssen Hauttyp und -beschaffenheit berücksichtigt werden. Doch die Körperhülle von harn- und/oder stuhlinkontinenten Patienten, die mit aufsaugenden Hilfsmitteln versorgt werden, ist zusätzlichen großen Belastungen ausgesetzt. Denn die Haut im Genitalbereich gerät trotz der raschen Absorptionsfähigkeit und des hohen Aufnahmevermögens der Inkontinenzprodukte immer wieder in Kontakt mit den aggressiven Ausscheidungen. So greifen die im Stuhl enthaltenen Verdauungsenzyme die Hautproteine an, der Urin zerstört, wenn er alkalisch ist, den Säureschutzmantel. Ausgeschiedene Bakterien oder Pilze, die normalerweise harmlos sind, können sich im feuchtwarmen Milieu unter den Inkontinenzwindeln bzw. bei vorgeschädigter Haut rasch vermehren und großflächige Infektionen verursachen.

Besonderheiten älterer Haut

Da von Harn- und Stuhlinkontinenz zumeist ältere Menschen betroffen sind, erfordern die Besonderheiten der alternden Haut spezielle Aufmerksamkeit. Ihre Widerstandsfähigkeit gegen äußere Einflüsse, in diesem Fall Feuchtigkeit, Wärme sowie pathogene Keime, ist rückläufig. Grund dafür ist der Abbau elastischer und kollagener Fasern sowie die Abnahme des Unterhautfettgewebes und des Wasserspeichervermögens. Der Turgor sinkt, die Haut wird faltig und weniger widerstandsfähig gegen Druckbelastung. Dazu kommt, dass die Druckwahrnehmung bei älteren Menschen vermindert und ihre Mobilität oft eingeschränkt ist. Sie bewegen sich daher seltener, als es zur Druckentlastung notwendig wäre, was die Dekubitus-Entstehung begünstigt. Auch die Schweiß- und Talgproduktion ist vermindert. Letzteres bedingt die Austrocknung der Haut, sie wird anfälliger gegen reizende Substanzen und Krankheitserreger. Durch die mangelnde Elastizität der Haut können auch leichter kleine Risse entstehen, in denen sich Bakterien und Pilze – gefördert durch das feuchtwarme Milieu – einfacher ausbreiten können.

Zusätzlich verschärft werden diese Probleme, wenn die Patienten – um die Harnausscheidung zu vermindern – nur wenig Flüssigkeit zu sich nehmen.

Nicht zu trennen: Reinigung, Pflege und Schutz

Um den Säure- und Fettschutzmantel zu erhalten, muss die Haut möglichst sanft von Hautschuppen, Schweiß und gegebenenfalls Resten von Ausscheidungen gereinigt werden. Unverzichtbar ist das anschließende Auftragen von feuchtigkeitsspendenden Pflegeprodukten, die auch das Eindringen pathogener Bakterien oder Pilze behindern sollen. Speziell für Inkontinenzpatienten entwickelt wurden Hautschutzmittel (Barrierecremes), die aber wiederum die Saugfähigkeit der Hilfsmittel nicht beeinträchtigen dürfen. Zur Grundausstattung für die Inkontinenzpflege gehören:

  • gut verträgliche Reinigungsprodukte, darunter auch solche zum Lösen hartnäckiger Hautverschmutzungen bei Stuhlinkontinenz sowie Reinigungstücher für unterwegs,
  • reichhaltige und feuchtigkeitsspendende Pflegeprodukte,
  • schützende Barrierecremes.

Sanfte Reinigung ohne Trockenrubbeln

Bei der Reinigung soll der hauteigene Säureschutzmantel so wenig wie möglich verletzt oder die Haut ausgetrocknet werden. Weniger ist dabei oft mehr: denn bereits Wasser zerstört teilweise den Säureschutzmantel, vor allem jedoch herkömmliche Seifen (pH-Wert bis zu 11). Daher darf die Haut des Intimbereichs auf keinen Fall mit heißem, sondern nur mit lauwarmem Wasser (ca. 25°C) und idealerweise weichen Einmalwaschlappen/-handschuhen gereinigt werden. Als Zusätze sind alkalifreie und pH-neutrale Waschlotionen sinnvoll, die rückfettende Substanzen enthalten (z. B. Menalind® professional Waschlotion, Attends® Washing Lotion). Danach sollte die Haut gründlich abgetrocknet, jedoch dabei weder gerieben noch gerubbelt, sondern am besten trockengetupft werden. Fönen ist obsolet, da es die Haut zu stark austrocknet. Für unterwegs oder falls eine Zwischenreinigung notwendig sein sollte, empfehlen sich Feucht-Pflegetücher (z. B. Seni Care® Pflegetücher, Menalind® professional Feuchtpflegetücher). Bei Stuhlinkontinenz sollte die Reinigung möglichst rasch nach dem Stuhlverlust stattfinden, um längere Mazeration der Haut zu vermeiden. Falls sich dennoch hartnäckige Stuhlkrusten gebildet haben, denen mit den üblichen Mitteln nicht beizukommen ist, empfehlen sich Reinigungsschäume (z. B. Menalind® professional Reinigungsschaum, Tena® Wash mousse Pflegeschaum, Desoderm® Reinigungs- und Pflegeschaum).

Pflege zur Regeneration

Empfehlenswert zur Pflege der Haut nach der Reinigung sind Wasser-in-Öl-Emulsionen und speziell entwickelte Pflegeöle (z. B. TZMO Seni® Pflegebalsam, Senso San® Hautpflegeöl, Menalind® Öl-Hautschutzspray). Durch die Lipidzufuhr kann die Barrierefunktion verbessert werden, die Haut ist dann für Infektionen und Verletzungen weniger anfällig. Babyöl eignet sich nicht für die Pflege der älteren Haut, da es Duftstoffe enthalten kann. Ebenfalls ungeeignet sind Öl-in-Wasser-Emulsionen, da sie die Hornschicht aufquellen und zur weiteren Austrocknung beitragen können.

Bei nicht bettlägerigen Patienten lässt sich mit Ölbädern (z. B. Balneum® hermal Ölbad) eine gute Rückfettung der Haut erzielen, wobei die Badedauer zehn Minuten nicht überschreiten sollte.

Neben verschiedenen Ölen enthalten Pflegeprodukte für inkontinente Patienten zur Feuchtigkeitsbindung beispielsweise Harnstoff (z. B. Wofacutan® Pflegelotion 3% Urea) oder Aloe-vera-Auszüge, (z. B. Sensilind® Körperlotion), Menthol und Campher zur Anregung der Hautdurchblutung (z. B. Menalind® Hautfluid), oder Auszüge aus Johanniskraut, Kamille und Hamamelis zur Beruhigung gereizter Haut (z. B. Trixo® Pflegelotion).

Bei Bedarf können geruchsneutralisierende Produkte (z. B. Yuna® Geruchsneutralisierer) angewendet werden.


Grundprinzip und Anwendungsbereich verschiedener Hautpflegemittel
[Quelle: Hornstein, O.: Hautkrankheiten und Hautpflege im Alter, WVG 2002.]

Grundlage
Lipidanteil (%)
Anwendung/Hautzustände
Lotion
(O/W-Emulsion)
13
großflächig; normale oder Mischhaut, fettige/unreine Haut
Creme
(O/W-Emulsion)
19
Hände, Gesicht und andere Regionen normale oder Mischhaut, fettige/unreine Haut
Lotion fett
(W/O-Emulsion)
29
großflächig; für trockene oder fettarme Haut
Creme fett
(W/O-Emulsion)
50
großflächig; für stärker trockene Haut
Hautöl
(keine Emulsion)
99
besonders für Massagen oder Narbenpflege bei trockener Haut

Hautschutz auf Hilfsmittel abstimmen

Hautschutzprodukte werden als Barriere zum Schutz vor Urin und Stuhl eingesetzt und daher auch als Barrierecremes oder -salben bezeichnet (z. B. Tena® Barrier Cream). Sie enthalten natürliche oder Silikonöle, Zinkoxid bzw. Kombinationen verschiedener Substanzen (z. B. Desoderm® Barriere Creme). Die früher häufig verwendete Vaseline schützt die Haut zwar gut vor Ausscheidungen, hat jedoch den Nachteil, dass sie in das Inkontinenzmaterial übertreten und dadurch dessen Saugfähigkeit beeinträchtigen kann. Produkte mit Silikonölen schützen weniger effektiv als Vaseline, gehen aber nicht in das Hilfsmittel über und haben keinen Okklusionseffekt. Zinkoxid wirkt antiseptisch und adstringierend und bietet einen guten Schutz vor Feuchtigkeit. Nachteilig bei Zinkoxid-haltigen Präparaten ist, dass sie sich schwer abwaschen lassen und die Entfernung derselben die Haut zusätzlich reizen kann. Puder sind als Hautschutzmittel obsolet, unter anderem weil sie bei Kontakt mit Feuchtigkeit zu Verklumpungen führen können, die die Haut dann wie Schmirgelpapier reizen.

Einige Barriere-Zubereitungen enthalten Zusätze wie z. B. Keratin (z. B. in Menalind® professional Transparente Hautschutzcreme), die in der Hornschicht einen netzartigen Schutzfilm bilden. Dieser bleibt über mehrere Stunden erhalten, auch wenn die Haut zwischendurch gewaschen wird (z. B. über 24 Stunden bei 3M Cavilon® Hautprotector Hautschutzcreme, sechs Stunden bei Menalind® Hautprotector).


Hildrun Vitense

Inkontinenzhilfsmittel – Umstellung auf Sommerzeit!


Zum Sommeranfang sollte unbedingt von luftundurchlässigen Inkontinenzhilfsmitteln auf luftdurchlässige Produkte umgestellt werden, rät Hildrun Vitense, Inhaberin eines ambulanten Pflegedienstes in Schmölln (Brandenburg). "Außerdem ist es wichtig, schon bei der kleinsten Hautläsion schnell zu reagieren. Denn Infektionen breiten sich in der warmen Jahreszeit, zusätzlich begünstigt durch das feuchtwarme Klima in der Windelhose, viel schneller aus als bei kühleren Temperaturen. Größtes Augenmerk richten wir auf den Erhalt des Säureschutzmantels. Denn wenn er zerstört ist, ist die Hautbarriere beeinträchtigt und pathogene Keime können sich schnell vermehren. Geruchsneutralisatoren wenden wir auf der Haut der Pflegebedürftigen nicht an, sondern nur auf Hilfsmitteln wie z. B. Toilettenstühlen. Wir sind davon überzeugt, dass durch gute Pflege unangenehme Körpergerüche vermieden werden können."

Sonderfall: geschädigte Haut

Studien zufolge leiden zwischen 30 und 50% der Träger von Inkontinenzhilfsmitteln an einer perinealen Dermatitis. Bei harninkontinenten Frauen sind meist zuerst die Region der Labienfalten und bei Männern die untere Seite des Skrotums betroffen. Bei Stuhlinkontinenz kann sich die Entzündung von der perianalen Haut bis auf die hintere Seite der Oberschenkel ausbreiten. Zunächst nur als leichtes Erythem ausgeprägt, entwickelt sich bei unzureichender Behandlung eine Inkontinenzdermatitis mit Bläschenbildung, Erosionen und Verkrustungen sowie Symptomen wie Juckreiz und Schmerzen rasch weiter. Ist die Haut bereits geschädigt oder infiziert, ist eine spezielle Reinigung und erforderlich. Die Reinigung sollte an diesen Stellen nur mit klarem Wasser oder antiseptischen Reinigungsprodukten (z. B. Octenisan® zur antiseptischen Ganzkörperwaschung) und Einmalwaschlappen/-handschuhen erfolgen (auch mit antiseptischer Reinigungslösung getränkt erhältlich, z. B. Stellisept® med Gloves). Zum Einsatz kommen außerdem spezielle Wundauflagen und -verbände und Cremes mit antimykotischen Wirkstoffen. Letztere müssen regelmäßig wieder abgewaschen werden. Um Hautfalten voneinander zu trennen, können Saugkompressen eingelegt werden. Unter Umständen werden bis zur Abheilung der Wunden Katheter eingesetzt.

Allgemeine Maßnahmen

Neben guter Reinigung, Pflege und Hautschutz kann das Risiko für Hautschäden reduziert werden durch:

  • ausgewogene Ernährung und ausreichende Flüssigkeitszufuhr,
  • Optimierung des Hilfsmittels: wichtig ist eine schnelle Aufsauggeschwindigkeit und geringe Rücknässe, gegebenenfalls Umstellung auf ein anderes Produkt,

  • rechtzeitigen Wechsel des Inkontinenzhilfsmittels,
  • Druckentlastung durch situationsgerechte Lagerung (gegebenenfalls Weichlagerung), Mobilisation, spezielle Lagerungssysteme.


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Otto Hornstein

Hautkrankheiten und Hautpflege im Alter

XVI, 462 S., 77 s/w Abb., 225 farb. Abb., 134 s/w Tab., Gebunden 179 Euro

Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2002. ISBN 978-3-8047-1829-6


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