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Ab 1. August ruht die Zulassung – Experten befürchten Lücke

STUTTGART (wes). Ab dem 1. August 2013 ruht in ganz Europa die Zulassung für Tetrazepam-haltige Arzneimittel. Diese sind damit nicht mehr verkehrsfähig und dürfen nicht mehr abgegeben werden. Grund ist eine Neubewertung des Wirkstoffs durch die EMA.

Das Pharmakovigilance Risk Assessment Committee (PRAC) der EMA hatte bereits im April eine Neubewertung der Risiken des Benzodiazepins Tetrazepam veröffentlicht. Dem waren Berichte v. a. aus Frankreich über schwerwiegende Hautreaktionen und Kontaktdermatitiden unter Tetrazepam vorangegangen. Daraufhin hatte die französische Arzneimittelbehörde ANSM beim PRAC eine Sicherheitsüberprüfung ("urgent union procedure") von Tetrazepam beantragt. Dieses Verfahren ist bei schwerwiegenden Sicherheitsproblemen vorgesehen.

Aufgrund der PRAC-Bewertung hatte die Europäische Kommission das Aussetzen der Zulassungen von Tetrazepam-haltigen Arzneimitteln in allen EU-Mitgliedstaaten beschlossen. Am 27. Juni hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) das Ruhen der Zulassung zum 1. August 2013 angeordnet, da Tetrazepam national zugelassen ist. Ab diesem Datum darf Tetrazepam weder verschrieben noch abgegeben werden.

Das Ruhen der Zulassung ist vorerst auf zwei Jahre befristet. Zum Ablauf der Frist wird auf Grundlage der dann verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse über eine Verlängerung des Ruhens der Zulassung entschieden.

Lücke zwingt zum Ausweichen auf weniger gut Erprobtes

Tetrazepam (Musaril®) ist ein Benzodiazepin, das als zentralwirksames Muskelrelaxans bisher bei schmerzreflektorischen Muskelverspannungen und spastischen Syndromen mit pathologisch gesteigertem Muskeltonus eingesetzt wurde.

Durch das Ruhen der Zulassung befürchten Experten eine therapeutische Lücke bei diesen Indikationen. So warnt die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, dass es bei der Behandlung chronischer Schmerz- und Verspannungszustände zu einem Ausweichen auf weniger erprobte Wirkstoffe kommen werde. Für die genannten Indikationen stehen seit dem 1. August nur noch die Wirkstoffe Methocarbamol und Orphenadrin zur Verfügung, die bisher in der Praxis keine große Rolle spielen. Das bekanntere Tolpiseron steht ebenfalls nicht mehr zur Verfügung, es ist nach einer Indikationseinschränkung Ende Februar nur noch zur symptomatischen Behandlung von Spastizität bei Erwachsenen nach einem Schlaganfall zugelassen.

Welche weiteren zentral wirksamen Muskelrelaxanzien für Indikationen im Bereich der Muskelspasmen zur Verfügung stehen, ist der Tabelle zu entnehmen. Eine kurze Bewertung dieser Wirkstoffe und eine Einschätzung, ob sie als Alternative zu Tetrazepam geeignet sein könnten, findet sich im Beitrag "Alternativen zu Tetrazepam – Muskelrelaxanzien, die die Lücke schließen könnten" in DAZ 2013, Nr. 17, S. 24.


Zentrale Muskelrelaxanzien (außer Benzodiazepinen und Tolperison).

Wirkstoff
Handelsname (Auswahl)
Indikationen bezüglich Muskelspasmen (Auswahl)
Baclofen
Lioresal® Tabletten, Injektionslösung
Spastizität der Skelettmuskulatur z. B. wegen multipler
Sklerose, Rückenmarkserkrankungen oder -verletzung
Methocarbamol
Ortoton® Tabletten, Injektionslösung
DoloVisano® Methocarbamol®
Tabletten
schmerzhafte Muskelverspannung vor allem des unteren
Rückenbereiches (Lumbago)
Orphenadrin
Norflex® Retardtabletten,
Injektionslösung
schmerzhafte Muskelverspannungen
Pridinol
Myoson® direct Tabletten,
Myoson® Injektionslösung
zentrale und periphere Muskelspasmen, Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, postoperative Muskelspasmen, Prophylaxe und Therapie nächtlicher Beinkrämpfe,
Torticollis (Schiefhals)
Tizanidin
Sirdalud® Tabletten
Muskelspasmen infolge multipler Sklerose,
periphere schmerzhafte Muskelverspannung bei Thorakal- und Lumbalsyndrom

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