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„Ich bin nicht glücklich, wie sich das so entwickelt hat“

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt im DAZ-Interview

BERLIN (lk/ks) | Im Interview mit den Hauptstadtredakteuren Lothar Klein und Kirsten Sucker äußert sich Friedemann Schmidt zu den Querelen der vergangenen Wochen: Er bedauert es, seine Ziele und Absichten in der „Stern“-Story nicht klarer formuliert zu haben. Dies führte neben der Zitierweise des Sterns zu Aussagen, die er so nicht vermitteln wollte. Durch seinen Beitrag sollte vielmehr die öffentliche Wahrnehmung des Berufsstandes und der ABDA verbessert werden und die Apothekerschaft auf die Weiterentwicklung zum Apotheker 2.0 eingestimmt werden. Neben Diskussionen um die Honorarfrage oder dem ABDA-KBV-Modell erläuterte Schmidt die zurückhaltende Haltung der ABDA zum DocMorris-Apothekenbus und der Datenaffäre.
Fotos: DAZ/Sket
„Der Apotheker ist und bleibt ein freier Beruf, das ist für mich das wichtigste Ziel.“

DAZ: Sie waren in den letzten Wochen und Monaten erheblicher Kritik ausgesetzt bis hin zu Rücktrittsforderungen. Wie hält man das aus? Wie haben Sie die zum Teil sehr polemischen Vorwürfe weggesteckt?

Schmidt: Das prallt natürlich nicht von mir ab. Das geht schon unter die die Haut. Ich habe mir zwar schon ein etwas dickeres Fell wachsen lassen. Aber ich bin nicht immun, kein Teflon-Mensch. Mir ist schon bewusst, dass einige Äußerungen von mir für Kritik gesorgt haben. Das beunruhigt mich, weil ich darin immer noch ein mangelndes Verständnis meiner Kritiker dafür erkenne, was ich will, welche Ziele ich verfolge. Ich habe es offenbar noch nicht ausreichend geschafft, die Zusammenhänge, so wie ich sie sehe, für alle deutlich zu machen. Ich werde mich daher noch stärker bemühen, den dahinter steckenden politischen Prozess noch klarer zu beschreiben. Das ist ein kommunikatives Problem, das ich selber beheben muss. Ich bin nicht glücklich, wie sich das so entwickelt hat.

 

DAZ: Haben Sie mit solch heftigem Gegenwind gerechnet?

Schmidt: Ich habe in meinen acht Jahren als ABDA-Vizepräsident erlebt, wie sehr auch Heinz-Günter Wolf in der Kritik stand. Insofern ist das für mich nichts Neues. Das hat sich jetzt nur verstärkt. Hinzu kommt, dass ich ganz bewusst einen berufspolitischen Impuls zur Veränderung der Apothekerschaft gesetzt habe. Es war absehbar, dass der nicht unwidersprochen bleiben würde. Was mich schon wundert, ist die bei vielen vorhandene Überraschung darüber. Ich habe sehr früh meine Ziele klargemacht. Ich glaube, dass unser Berufsstand einen Veränderungsprozess benötigt. Das löst Sorgen und Ängste aus. Darauf muss ich in Zukunft stärker eingehen. Für ungerechtfertigt halte ich aber Vorwürfe, die mich in erster Linie als Kritiker des eigenen Berufsstandes anprangern. Hinter meinen öffentlichen Aussagen steckt die Absicht, den Berufsstand aufzurütteln und weiter zu entwickeln.

DAZ: Mit Ihren gezielten Provokationen haben Sie aber viele verstört. Was haben Sie zum Beispiel mit der Aussage im „Stern“ zum Ausdruck bringen wollen, die deutsche Apothekerschaft hinke zehn Jahre hinter der Entwicklung hinterher?

Schmidt: Das „Stern“-Interview habe ich im April dieses Jahres geführt. Es hat mehr als zwei Stunden gedauert. Wir haben ausführlich über die Entwicklung unseres Berufsstandes gesprochen. Ich habe darauf hingewiesen, dass uns Apothekern in Deutschland in der Therapiebegleitung von Patienten ganz wesentliche Instrumente fehlen, die in anderen Ländern zum Teil seit mehr als zehn Jahren zum Repertoire gehören. Denken Sie beispielswese an ein strukturiertes und verbindliches Patientendossier. Das haben unsere französischen Kollegen seit mehreren Jahren. Denken Sie an honorierte Dienstleistungen im Medikationsmanagement. So etwas gibt es in der Schweiz und in Großbritannien. Darauf habe ich hingewiesen. Wenn man dieses Zitat isoliert herauszieht, wird daraus nur der Vorwurf, wir wären zehn Jahre hinterher. Das ist natürlich Quatsch. Unsere Apotheken arbeiten auf dem neuesten Stand. Aber beim Medikationsmanagement müssen wir uns weiterentwickeln, wenn das ein Erfolg werden soll.

 

DAZ: Wenn man sich als ABDA-Präsident mit dem „Stern“ einlässt, muss man doch wissen, dass das Magazin daraus keine Apotheker-Jubel-Story macht.

Schmidt: Dieses Risiko müssen Sie dabei immer eingehen. Mein Ziel war es, die Wahrnehmung unseres Berufsstandes und der ABDA in den Medien zu verbessern. Diese Wahrnehmung von außen war und ist unbefriedigend. Das hat mich immer geärgert. Die sogenannte Datenklau-Affäre Ende vorigen Jahres hat eine Krise ausgelöst, hat uns aber auch die Chance eröffnet, mit den Medien ins Gespräch zu kommen. So hat das auch mit dem „Stern“ begonnen. Ich habe alle Gespräche genutzt, um unsere Vision, die Idee von der Weiterentwicklung des Apothekerberufs zu kommunizieren und Interesse dafür zu wecken. Ich stehe dazu, dass die Rahmenbedingungen unseres Berufes verbesserungsbedürftig sind. Das ist leider von einigen als Kritik am eigenen Berufsstand missverstanden worden. Aber die Alternative, nicht zu kommunizieren, stellt sich aus meiner Sicht in der heutigen Medienlandschaft nicht. Zumindest die Angaben zum Vergütungssystem und zur wirtschaftlichen Lage der Apotheken sind in dem Stern-Artikel ja richtig recherchiert. Um wenigstens das zu erreichen, muss man offen und ehrlich mit den Journalisten sprechen.

„Mein Ziel war es, die Wahrnehmung unseres Berufsstandes und der ABDA in den Medien zu verbessern.“

 

DAZ: Sie haben die Kommunikation ja auch selbst in die Hand genommen und ein präsidiales Video veröffentlicht. Das ist dann auch schiefgelaufen. Wen wollten Sie damit eigentlich ansprechen?

Schmidt: Das Video zum Start des Notdienstfonds hatte einen politischen Hintergrund. Es gab in der Regierungskoalition Verwunderung und Verärgerung über die Kritik aus der Apothekerschaft an der Notdienstpauschale. Erst haben wir 120 Millionen Euro für die Apotheker freigeschaufelt und jetzt kritisieren sie die Umsetzung, hieß es. Ich wollte ein Signal in diese Richtung setzen, dass die Notdienstpauschale ein richtiger struktureller Schritt ist. Ich habe dafür ein Instrument gewählt, das wir in Zukunft intensiver nutzen wollen, das Video. Ich räume aber ein, dass die technische Umsetzung und das Szenenbild auf einem Missverständnis gründen. Herr Ditzel hat recht, wenn er in seiner Kolumne schreibt, ich könne das besser. Das glaube ich auch. Ich lerne aus solchen Fehlern. Ich werde sicherlich außerhalb von Weihnachten keine solche Weihnachtsansprache mehr halten.

 

DAZ: Sie haben ja bereits inhaltliche Defizite der Berufspolitik, besonders beim Medikationsmanagement, angesprochen. Jetzt hat die Koalition den Apothekern ja die Lex ABDA/KBV serviert. Aber das Projekt stockt. Woran liegt das?

Schmidt: Die Rahmenbedingungen wurden mit dem Paragrafen 64 a SGB V nur unzureichend formuliert. Deshalb müssen wir mühsam viele kleine Schritte gehen. Ich bin nicht Mitglied der Verhandlungsgruppe in Sachsen und Thüringen. Ich weiß aber, dass inzwischen konkrete Vertragsentwürfe vorliegen. Es wurden bereits viele Hürden aus dem Weg geräumt, aber es stehen auch noch ein paar vor uns, zum Beispiel technische Lösungen der Datenübermittlung. Das ist ein schwieriges Geschäft. Deswegen dauert das so lange. Es ist richtig, wir sind im Verzug. Die Probleme sind größer als wir dachten. Aber wir kommen voran.

 

DAZ: Sie haben sich ja auch persönlich für dieses Projekt sehr engagiert. Müssten Sie jetzt als ABDA-Präsident dafür sorgen, dass das schneller vorankommt?

Schmidt: Wir haben eine klare Aufgabenverteilung. Verhandelt wird vor Ort in der Modellregion in Sachsen und Thüringen. Im Augenblick habe ich nicht den Eindruck, dass politisches Engagement aus Berlin hilfreich wäre. Alle drei Seiten – Ärzte, Apotheker und die Krankenkasse – haben ein großes Interesse an einem Vertragsabschluss. Es hakt an technischen Problemen. Dazu kann ich derzeit nichts beitragen.

 

DAZ: Kürzlich hat der Prototyp des DocMorris-Apothekenbusses für Schlagzeilen und Erregung gesorgt. Es gibt lokale Aktionen von Apothekern. Die ABDA hat sich dazu eines Kommentares enthalten. Warum?

Schmidt: Wir nehmen zur Kenntnis, dass eine ausländische Versandapotheke versucht, eine David-Goliath-Situation medial zu konstruieren. Genau das wollen wir vermeiden. Die ABDA spricht für klein- und mittelständische Apotheken, die Versandapotheke für ein großes Einzelunternehmen. Also müsste dieses Bild eigentlich genau umgekehrt aufgebaut werden. Ich sehe deshalb nicht ein, dass ich mich zu einer solchen Marketingaktion äußere. Es gibt ja derzeit keine politischen Initiativen, so etwas zuzulassen. Unser Schweigen ist daher keine Hilflosigkeit, sondern die Überzeugung, dass die Apotheken nicht gefährdet sind. Wir lösen das Problem der ländlichen Arzneimittelversorgung bereits mit den vorhandenen Instrumenten der Apothekenbetriebsordnung, wie Botendienst und Rezeptsammelstellen. Mehr brauchen wir nicht. Daher kann ich solche Marketingaktionen nicht ernst nehmen.

 

DAZ: War es ein Fehler, dass die ABDA die Erweiterung des Botendienstes verhindert hat?

Schmidt: Ich halte die Regelungen in der Apothekenbetriebsordnung für völlig ausreichend. Der Apotheker hat das Recht zur Interpretation des begründeten Einzelfalls. Der Apotheker entscheidet aus seiner Sicht darüber, ob es einen akuten Versorgungsbedarf gibt. Da kann ihm niemand reinreden. Ich habe selbst eine Rezeptsammelstelle. Und wir interpretieren den Botendienst so, dass wir der Versorgungssituation gerecht werden mit Blick auf die Mobilität der Patienten. Wenn ein Patient die Apotheke selbst nicht erreichen kann, ist der Botendienst gerechtfertigt. Es geht aber auch darum, dass der Patient weiß, dass er in der Apotheke selbst immer die beste Versorgung erhält. Es ist auch grundsätzlich ökonomisch sinnvoller, den Patienten zur Apotheke oder Arztpraxis zu bringen als den Heilberufler zum Patienten. Wenn das aber nicht geht, kommt der Apothekenbote, darauf kann sich jeder Patient verlassen.

 

DAZ: In Kürze müssen Sie sich auf dem Deutschen Apothekertag ihren Kritikern stellen und um Zustimmung für Ihre Politik werben. Es soll eine offene Generaldebatte geben. Wann findet diese statt?

Schmidt: Im Diskussionsforum am Donnerstagvormittag stellt die AG Leitbild ihre Ideen vor. Mein Stellvertreter Mathias Arnold wird die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe präsentieren. Daran schließt sich eine offene Debatte an, in der alle Themen zur Sprache kommen können. Daran können nicht nur die Delegierten, sondern alle Apotheker teilnehmen.

DAZ: Dann könnte die Leitbilddebatte aber in der allgemeinen Kritik an ihrer Amtsführung untergehen.

Schmidt: Ich erwarte, dass mit der Vorstellung des Leitbildes der inhaltliche Zusammenhang unseres Handelns deutlich wird. Das ist mir bisher nicht immer so gelungen, wie ich mir das gewünscht habe. Wenn ich aber die Gelegenheit zu Besuchen bei den Mitgliedsorganisationen hatte, um meine Sicht im Zusammenhang vorzutragen, ist die Diskussion anders verlaufen als in den einschlägigen Internetforen. Darauf setze ich auch beim DAT. Dort sollen unsere Ziele und Ideen klar werden.

 

DAZ: Wie sieht denn Ihr Bild vom Apotheker 2020 aus? Was unterscheidet ihn vom heutigen Apotheker?

Schmidt: Der Apotheker ist und bleibt ein freier Beruf, das ist für mich das wichtigste Ziel. Das Kennzeichen des freien Berufs ist die ideelle Leistung, die besondere Dienstleistung ...

 

DAZ: … und nicht der Schubladenzieher?

Schmidt: ... das haben Sie gesagt, aber wie auch immer. Der Apotheker erbringt zwar auch eine logistische, aber vor allem eine fachliche pharmazeutische Leistung, zugeschnitten auf individuelle Patienten. Dafür haben wir Apotheker eine Wissensbasis, die wir auf jeden einzelnen Patienten zuschneiden. Das ist die Legitimation für den Apothekerberuf in der öffentlichen Apotheke. Ich gehe davon aus, dass dieses Bild unter allen Kollegen Konsens ist. Aber unser jahrzehntelanges Monopol über das Faktenwissen zu den Fertigarzneimitteln existiert nicht mehr. Auch für Ärzte gilt das nicht mehr. Jeder kann sich im Internet Informationen über Arzneimittel beschaffen. Die Expertenrolle des Apothekers – und das trifft im Grunde für alle freien Berufe zu – liegt also nicht mehr in der Faktenvermittlung. Das ist nur noch ein kleiner Teil. Entscheidend für die Zukunft unseres Berufes ist es, das Faktenwissen für jeden einzelnen Patienten aufzubereiten und über die gesamte Therapiedauer mit dem Patienten zu arbeiten. Das ist ein Unterschied zu heute.

„Mir ist schon bewusst, dass einige Äußerungen von mir für Kritik gesorgt haben.“

 

DAZ: Damit können sich die meisten ihrer Kollegen sicherlich anfreunden. Wo sehen Sie Konfliktstoff?

Schmidt: Im Unterschied zu unserem bisherigen Politikstil bin ich der Meinung, dass wir Apotheker darüber öffentlich reden und diskutieren müssen und nicht nur innerhalb der Standesorganisationen. Sie können nicht im stillen Kämmerlein so etwas auskaspern. Es gibt eine Erwartungshaltung der Gesellschaft nach Öffentlichkeit. Wir müssen das öffentlich diskutieren und entwickeln, die Gesellschaft für uns und unsere Vorstellungen interessieren, damit am Ende die Politik unser Leitbild in Rahmenbedingungen gießt. Das bedeutet z.B. konkret eine eigenständige Vergütung für weitergehende Beratungstätigkeiten der Apotheker.

 

DAZ: Wissensbasiert beraten kann schon heute jeder Apotheker und die meisten tun das auch. Und die Bezahlung dafür steckt im Packungshonorar. Wozu Altes neu erfinden?

Schmidt: Wir erhalten heute unser Honorar für die Abgabe von Arzneimitteln. Wir schulden dem Patienten die zur sachgerechten Anwendung nötigen Informationen rund um dieses Arzneimittel. Aber wir beraten doch deutlich mehr und intensiver. Ich bin für das Packungshonorar nicht verpflichtet, seine gesamte Medikationsakte zu pflegen und regelmäßig zu überprüfen oder Interaktionen mit anderen Arzneimitteln rückblickend zu kontrollieren. Das sind alles Leistungen, die wir heute kostenlos erbringen. Das halte ich für nicht hinnehmbar. Wir müssen klar machen, dass dieses Segment besonderer Beratungsleistungen extra honoriert werden muss. Wenn wir richtig pharmazeutisch beraten, kann und wird das ja auch dazu führen, dass wir von Arzneimitteln abraten. Darin steckt doch auch ein Anspruch auf Vergütung, oder sollen wir uns da jedes Mal wirtschaftlich selbst schädigen? Wir müssen das Vergütungssystem an dieser Stelle erweitern.

 

DAZ: Es geht also doch im Kern um zusätzliches Honorar.

Schmidt: Wir haben doch erlebt, dass die Politik zuletzt unsere berechtigten Forderungen nicht erfüllt hat. Wir haben etwa die Hälfte unserer Forderungen erhalten. Diese Erfahrung wird keine einmalige bleiben. Wir werden immer wieder politische Geschäfte nach dem Motto erleben: Wir nehmen euch hier etwas und geben euch dort etwas. Damit können wir unsere Zukunft nicht gestalten. Außerdem: Im Generikabereich haben wir Herstellerpreise im Ein-Euro-Bereich. Es ist der Gesellschaft dauerhaft nicht zu vermitteln, dass das Apothekenhonorar ein Mehrfaches davon beträgt. Und diese Relation wird sich noch verschärfen. Da stoßen wir an Grenzen. Daher können wir zeitaufwendige Beratungsleistungen nicht auch noch über zusätzliche Packungshonorare finanzieren. Das verstehen die Leute nicht mehr, der Zusammenhang ist auch nicht richtig. Unsere Leistung muss deutlicher werden, damit sie auch wertgeschätzt wird. Deswegen brauchen wir zusätzliche Elemente.

 

DAZ: Ziehen Sie bitte eine politische Bilanz der letzten vier Jahre Gesundheitspolitik. Welche Note geben Sie dem FDP-geführten Ministerium?

Schmidt: Ich kann nicht nur eine Note geben.

 

DAZ: Fangen wir mit den Kopfnoten fürs Benehmen an.

Schmidt: In den verantwortlichen Gesundheitspolitikern von Union und FDP und im Minister persönlich habe ich immer verständnisvolle und gute Gesprächspartner gefunden, seitdem ich im Amt bin. Mein Eindruck ist, dass sich das Verständnis für unseren Berufsstand verbessert hat. Daher würde ich für die Kommunikationsfähigkeit eine Zwei plus geben.

 

DAZ: Und für die reale Politik?

Schmidt: Für das Jahr 2013 mit der neuen Notdienstpauschale und mit Einschränkung bei der Anhebung des Festzuschlages bin ich ebenfalls zufrieden. Vorher war das eine Katastrophe. Für die Sparpolitik des AMNOG gibt es von mir eine Vier minus, nein eigentlich eine glatte Fünf. Die AMNOG-Belastungen sind für die Apotheker die schlimmsten wirtschaftlichen Einschnitte gewesen, an die ich mich erinnern kann. Da haben die Politiker nicht verstanden, was sie gemacht haben oder bewusst in Kauf genommen, dass Apotheken schließen mussten. Das verstehe ich bis heute nicht.

 

DAZ: Der Nord-Süd-Konflikt um den Datenschutz von Rezeptdaten zwischen Apothekenrechenzentren und Landesdatenschützern ist nach wie vor ungelöst. Die damit verbundenen Schlagzeilen schaden dem Image der Apothekerschaft. Warum schalten Sie sich in den Streit nicht ein?

Schmidt: Mit dem Thema und dem Dissens sind wir schon seit längerer Zeit konfrontiert. Die Haltung der ABDA bleibt unverändert: Wir gehen davon aus, dass sich jedes Apothekenrechenzentrum von den für sie zuständigen Landesdatenschützern die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung bestätigen lässt. Es ist unbefriedigend, dass es dort unterschiedliche Auffassungen zum Niveau des Datenschutzes gibt.

 

DAZ: Aber der Schaden ist trotzdem angerichtet. Eine sich abzeichnende gerichtliche Klärung wird neue Schlagzeilen produzieren. Können Sie da einfach zuschauen?

Schmidt: Der Konsens liegt darin, dass sich alle an die Regeln halten, die der Gesetzgeber aufgestellt hat. Er hat die Verwendung von anonymen Rezeptdaten zu anderen Zwecken ausdrücklich zugelassen. Geprüft werden muss, ob die Anonymisierung eingehalten wird in jedem Land, von jedem Rechenzentrum. Uns versichern alle Rechenzentren, dass alle Vorschriften eingehalten werden. Der offensichtliche Dissens muss jetzt zwischen den Landesdatenschützern und den Rechenzentren geklärt werden.

 

DAZ: Das ist nur die rechtlich-technische Fragestellung.

Schmidt: Sie haben recht. Die Frage ist, gibt es dahinter eine weitergehende ethische Verpflichtung für den Vertrauensberuf Apotheker? Da bin ich noch nicht entschieden.

 

DAZ: Sie schließen sich der Aussage des BAK-Präsidenten Andreas Kiefer nicht an, dass die Verwendung von Rezeptdaten für Marketingzwecke grundsätzlich ausgeschlossen sein sollte?

Schmidt: Ich würde dem sofort zustimmen, wenn das geringste Risiko bestünde, aus diesen Daten Rückschlüsse auf Personen, also Patienten, Ärzte oder Apotheker zu ziehen. Sonst gibt es auch gute Gründe für die Verwendung anonymer Rezeptdaten.

 

DAZ: Sie werden diese dissonante Diskussion weiterlaufen lassen?

Schmidt: Ich kann mir nicht vorstellen, dass man diese Unklarheiten nicht ausräumen kann. Das ist doch eine technische Frage. Die Frage, wann Daten anonym sind, muss mir ein Datenfachmann doch eindeutig beantworten können.

 

DAZ: Das werden jetzt möglicherweise die Gerichte klären. Wäre es nicht besser, die Apothekerschaft sorgte selbst für Klarheit und Eindeutigkeit?

Schmidt: Wir haben allen Rechenzentren gesagt, wir erwarten, dass ihr euch von euren Datenschützern die Rechtmäßigkeit bescheinigen lasst. Wenn dies nicht 100-prozentig klargestellt werden kann, bin ich dafür, dass die Datenlieferungen eingestellt werden. Manchmal ist es eben so, dass solche Fragen gerichtlich geklärt werden müssen. Ich bedauere es sehr, dass die Rechenzentren darüber öffentlich streiten. Darüber bin ich enttäuscht, kann es aber nicht verhindern.

 

DAZ: Herr Schmidt, wir danken Ihnen für das Gespräch! 

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