Arzneimittel und Therapie

Alternative zu Clopidogrel

Cangrelor schützt besser bei perkutaner Koronarintervention

Cangrelor ist ein neuer, intravenös zu applizierender, direkter P2Y12-Rezeptorantagonist, der die Adenosindiphosphat-induzierte Plättchenaktivierung und -aggregation hemmt. Er schützt bei perkutaner Koronarintervention besser vor ischämischen Komplikationen als eine Therapie mit Clopidogrel, so das Fazit von drei großen Studien mit rund 25.000 Teilnehmern.

Die Wirkung von Cangrelor setzt im Gegensatz zu Clopidogrel innerhalb weniger Minuten ein, und die Thrombozytenfunktion erholt sich nach dem Absetzen innerhalb kurzer Zeit. Die Plasmahalbwertszeit von Cangrelor beträgt drei bis sechs Minuten. Dank seiner schnellen und reversiblen Thrombozytenaggregationshemmung wird Cangrelor bei verschiedenen Koronarinterventionen eingesetzt. Wirksamkeit und Sicherheit wurden in mehreren umfangreichen Studien untersucht. Nun liegt eine gepoolte Analyse von drei doppelblinden, randomisierten Studien (CHAMPION-PCI, CHAMPION-PLATFORM, CHAMPION-PHOENIX) vor, in denen Cangrelor mit Clopidogrel zur Prävention thrombotischer Komplikationen während und nach einer perkutanen Koronarintervention (PCI) verglichen wurde. Die Studien schlossen Patienten ein, die sich aufgrund unterschiedlicher akuter Koronarkomplikationen (ST-Hebungsinfarkt, akutes Koronarsyndrom ohne ST-Hebung, stabile koronare Erkrankung) einer PCI unterziehen mussten. Der Studienaufbau der drei CHAMPION-Studien war vom Prinzip her immer derselbe: Ein Teil der Patienten erhielt vor der Intervention Cangrelor (als Bolus mit anschließender Infusion während zwei bis vier Stunden), dann eine orale Therapie mit Clopidogrel. Die Probanden der Vergleichsarme erhielten Clopidogrel zu Beginn der Intervention oder verzögert, was in etwa einer Placebogabe entspricht.

Perkutane Koronarinterventionen

Bei perkutanen Koronarinterventionen (PCI) werden verengte Koronargefäße mithilfe eines Katheters erweitert. Dies kann durch Implantation von Stents, Ballondilatation oder Rotablation („Abfräsen“) erfolgen. Das Ziel dieser Interventionen ist die Revaskularisation, das heißt die Wiederherstellung der Durchblutung des Herzmuskelgewebes und indiziert beim akuten Verschluss der Koronargefäße oder einer symptomatischen KHK. Die PCI gilt als sehr effektives Verfahren, allerdings können während des Eingriffs thrombotische Komplikationen auftreten. Um diese zu verhindern, werden Thrombozytenaggregationshemmer gegeben. Deren Einsatz hat indes auch seine Grenzen. So setzt etwa die Wirkung von Clopidogrel verzögert ein, und seine Bindung an den P2Y12-Rezeptor ist irreversibel. Auch schwankt die Bioverfügbarkeit des oral applizierten Clopidogrels, so dass sein Wirkungseintritt nicht genau vorhersehbar ist.

In der gepoolten Analyse wurde die Wirksamkeit des therapeutischen Vorgehens (Cangrelor oder Clopidogrel) bei einer Intention-to-treat Population von 24.910 Teilnehmern ermittelt. Der primäre Studienendpunkt setzte sich aus Tod, Myokardinfarkt, Revaskularisation oder Stentthrombose nach 48 Stunden zusammen. Der primäre Sicherheitsendpunkt umfasste schwere oder lebensbedrohliche Blutungen nach 48 Stunden.

Unter Cangrelor erreichten 473 Patienten (3,8%) den primären Studienendpunkt, in den Kontrollgruppen waren es 579 (4,7%). Das entspricht einer Risikoreduktion um 19% unter der Behandlung mit Cangrelor. Stentthrombosen traten bei 0,5% unter Cangrelor sowie bei 0,8% unter Clopidogrel auf, das entspricht einer Risikoreduktion um 41%. Die Endpunkte Tod, Myokardinfarkt und Notwendigkeit zur Revakularisation traten bei 3,6% der mit Cangrelor und bei 4,4% der mit Clopidogrel behandelten Patienten ein. Das entspricht einer Risikoabnahme von 19%. Die Mortalität nach 48 Stunden war in beiden Gruppen gering (0,3% unter Cangrelor, 0,4% unter Clopidogrel).

Die Unterschiede waren in allen Patientengruppen konsistent und bestanden auch noch nach 30 Tagen. Die Rate schwerer Blutungen unterschied sich in beiden Gruppen nicht, sie lag jeweils bei 0,2%. Leichtere Blutungen traten häufiger in der Cangrelor-Gruppe auf (16,8% vs. 13,0 %). Ferner wurden unter Cangrelor häufiger Dyspnoen registriert als unter Clopidogrel (1,2% vs. 0,4%).

Kommentar

Ein Kommentator der Studie stellt das Ergebnis der gepoolten Analyse – Vorteil von Cangrelor im Vergleich mit Clopidogrel – nicht in Abrede, wirft aber die Frage auf, ob die Studienprotokolle [Anmerkung: die Gabe von Clopidogrel erfolgte teilweise verzögert] der Praxis entsprechen, da an den meisten Zentren standardmäßig eine Vorbehandlung mit Clopidogrel durchgeführt wird. Des Weiteren fehle der Vergleich von Cangrelor mit den neueren, potenten Thrombozytenaggregationshemmern Ticagrelor oder Prasugrel, die beide Clopidogrel überlegen sind. Auch seien die unterschiedlichen finanziellen Aufwendungen zwischen einer i.v.-Anwendung und einer oralen Gabe zu bedenken. Trotz dieser Einwände sieht der Kommentator durchaus klinische Situationen, in denen die Gabe des schnell wirksamen Cangrelors von Vorteil sein kann. Sein Fazit: Cangrelor kann das Armamentarium zur Thrombozytenaggregationhemmung sinnvoll ergänzen. 

Quelle

Steg P et al. Effect of cangrelor on periprocedural outcomes in percutaneous coronary intervention: Lancet online 3. September 2013. http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(13)61615–3.

Mehta S. Cangrelor: a new champion for percutaneous coronary intervention. Lancet online 3. September 2013. http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(13)61840-1.

 

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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