Phytopharmaka

Baldrian, Hopfen & Co.

Phytopharmaka bei Unruhe, Schlafstörungen und depressiven Verstimmungen

Verschiedene Arzneidrogen-Extrakte kommen bei nervöser Unruhe, Schlafstörungen oder depressiven Verstimmungen in der Selbstmedikation zum Einsatz. In der folgenden Übersicht stellen wir die wichtigsten Drogen mit ihren Anwendungsgebieten, Wirkungen und Inhaltsstoffen vor. Auch die korrekte Teezubereitung wird erläutert.

Baldrianwurzel

Valerianae radix


Ordnung
Dipsacales

Familie Caprifoliaceae

Gattung Valeriana

Art Valeriana officinalis

Synonyme Baldrian, Katzenwurzel, Balderbrackenwurzel, Valerian root (engl.), Racine de Valériane, Herbe aux chats (frz.)

Droge Wurzel (Radix)

Baldrian (Abb. 1) wird zwischen 30 cm und 180 cm groß und ist in den gemäßigten Zonen Europas und Asiens heimisch. Angebaut wird die Staude unter anderem in Belgien, Holland, Osteuropa und Deutschland. Sie gedeiht am besten im feuchten Boden und blüht zwischen Mai und September. Die Wurzeln werden je nach Aussaat im Herbst oder Spätherbst geerntet und anschließend getrocknet. Valerianae radix besteht aus dem Wurzelstock, den Wurzeln und deren Ausläufern. Verwechslungen können mit Wurzeln anderer Valeriana-Arten auftreten. Als gefährlichste Beimengung gelten allerdings die Wurzeln von Veratrum album, einer Giftpflanze, die in der Homöopathie verwendet wird.

Fotos: Wichtl. M: Teedrogen und Phytopharmaka; 5. Auflage 2009
Abb. 1: Baldrian hat gefiederte oder fiederschnittige Blätter und trägt weiße oder rosa Blüten in Trugdolden.

Anwendung

Baldrianwurzel kann bei Unruhezuständen und nervös bedingten Einschlafstörungen verwendet werden und wird als Teedroge und in Form Extrakt-haltiger Fertigarzneimittel angeboten. Während in flüssigen Darreichungsformen meist Baldriantinktur oder Baldrian-Fluidextrakt enthalten ist, wird in festen Arzneiformen überwiegend Baldrian-Trockenextrakt verwendet. Letztere werden als Mono- wie auch Kombinationspräparate von zahlreichen Firmen angeboten (s. Tab. 1 und Tab. 4). Zwei bis drei Gramm Droge pro Tag werden als wirksam erachtet, abhängig von der Herstellung des Extraktes entspricht dies 450 mg bis 750 mg Extrakt pro Tag.

Als Arzneitee wird Baldrianwurzel überwiegend in nervenberuhigenden oder schlaffördernden Teemischungen angeboten. Wegen des speziellen Geruchs wird die Einzeldroge selten nachgefragt. Auch als Badezusatz ist Baldrian-Öl, allein oder in Kombination mit weiteren pflanzlichen Zusätzen erhältlich. Volksheilkundlich wird Baldrian unter anderem als krampfstillendes Mittel bei gastrointestinalen Beschwerden verwendet.

Wichtige Inhaltsstoffe

Die Droge (Abb. 2) enthält 0,3 bis 0,7 Prozent ätherisches Öl mit Monoterpenen wie Bornylester und Camphen sowie Sesquiterpenen wie Valerensäure und Derivaten. Die in der Droge enthaltene Isovaleriansäure ist unter anderem für den charakteristischen Geruch verantwortlich. Die Valepotriate sind mit 0,1 bis 2 Prozent vertreten. Diese sind zytotoxisch und möglicherweise krebserregend. Bei der Lagerung und Zubereitung des Tees zersetzen sie sich jedoch nahezu vollständig [1]. Auch die Baldrinale als Spaltprodukte der Valepotriate lassen sich nicht nachweisen. Des Weiteren sind 0,2 Prozent Lignane und geringe Mengen terpenoider Alkaloide enthalten. Dem Alkaloid Valerianin wird eine sedierende Wirkung zugeschrieben [1].

Abb. 2:Die graubraunen Wurzelstücke des Baldrians sind fast rund und längsstreifig, die Rhizomteile unregelmäßig gefurcht. Die Droge riecht durch die Isovaleriansäure charakteristisch nach Schweißfüßen und schmeckt süßlich-würzig mit einer bitteren Komponente.

Wirkung

Die pharmakologischen Effekte könnten In-vitro-Untersuchungen zufolge durch eine Beeinflussung des GABAA-Rezeptors zustande kommen. Dieser Rezeptor wird durch GABA inhibiert, wodurch es zu einer niedrigeren Erregbarkeit der Nervenzellen im ZNS kommt. Interaktionen mit weiteren Rezeptoren oder Komplexen wie dem 5HT1A-Rezeptor oder dem GABAA-Benzodiazepin-Rezeptor-Komplex wurden festgestellt.

Im Mausmodell wirkte Baldrian-Öl muskelentspannend und sedierend, während bei Anwendung isolierter Inhaltsstoffe kein Effekt zu verzeichnen war. Die Effekte von wässrigen, ethanolischen und methanolischen Extrakten wurden in zahlreichen Studien untersucht. In mehreren klinischen Studien konnten Ein-und Durchschlafstörungen sowie Unruhe und nervöse Anspannung gemindert werden.

Für die beruhigende, schlafanstoßende Wirkung konnte allerdings kein einzelner Inhaltsstoff identifiziert werden. Man geht davon aus, dass alle Inhaltsstoffe, deren Abbauprodukte und das ätherische Öl als Gesamtheit für die Wirkung verantwortlich sind.

Teezubereitung

Ein Teelöffel voll Baldrianwurzel wird mit 150 ml siedendem Wasser übergossen und 10 bis 15 Minuten ziehen gelassen. Der Tee kann ein bis mehrmals täglich getrunken werden. Alternativ kann der Tee auch in einer vier- bis fünfstündigen Kaltmazeration hergestellt werden, wodurch der Tee besser schmecken soll.

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Johanniskraut

Hyperici herba


Ordnung
Malpighiales

Familie Hypericaceae

Gattung Hypericum

Art Hypericum perforatum

Synonyme Tüpfelhartheu, Blutkraut, Johannisblut, Herrgottsblut, Waldhopfenkraut, Feldhopfenkraut, Walpurgiskraut, Sonnwendkraut, Mannskraft, Konradskraut, Hexenkraut. St. Johns wort (engl.), Millepertuis, Herbe de la Saint-Jean (frz.)

Droge Kraut (herba)

Der Johannistag am 24. Juni ist Namensgeber dieser Pflanze, da die Blütezeit vom Johanniskraut an diesem Tag beginnen soll und bis in den September reicht. Die vielfältigen Synonyme beruhen unter anderem darauf, dass Johanniskraut-Kränze früher nach dem Sonnenwendfest ins Feuer geworfen wurden um Hexen und Dämonen zu vertreiben. Heimisch ist die Pflanze in Europa und Westasien. Sie wächst auf trockenen Wiesen oder am Wegesrand. Geerntet und getrocknet wird das Kraut zur Blütezeit. Die krautige Pflanze (Abb. 3) wird einen halben bis einen Meter hoch. An den verzweigten Stängeln sitzen gegenständige, eiförmige bis elliptische Blätter. Sie sind mit ihren durchscheinenden Exkretbehältern ein auffälliges Merkmal. Die fünfzähligen goldgelben Blüten mit den langen Staubblättern sondern beim Zerreiben eine rote Flüssigkeit ab.

Abb. 3:Johanniskraut ist seit ungefähr 2000 Jahren als Heilpflanze bekannt.

Bei der getrockneten Droge (Abb. 4) können Verwechslungen mit anderen Hypericum-Arten auftreten. Diese sind mittels DC und durch makroskopische Untersuchung zu identifizieren, da manche Hypericum-Arten teilweise andere Stängelformen oder weniger drüsig punktierte Blätter haben.

Abb. 4:Die Droge besteht aus den getrockneten Zweigspitzen. Auf den Kronblättern der gelben bis gelbbraunen Blüten sind Punkte oder Striche zu erkennen. Die Blätter sind ganzrandig kahl und deutlich durchscheinend punktiert.

Anwendungsgebiete

Johanniskraut-Zubereitungen können bei Angst, psychovegetativen Beschwerden und nervöser Unruhe, leichten depressiven Verstimmungszuständen sowie auf ärztliche Verordnung auch bei leichter bis mittelschwerer Depression eingenommen werden. Ölige Zubereitungen können bei dyspeptischen Beschwerden innerlich angewendet werden. Äußerlich kann die ölige Zubereitung beispielsweise zur Behandlung und Nachbehandlung stumpfer Verletzungen und Verbrennungen ersten Grades sowie bei Myalgien verwendet werden. Hintergrund ist der entzündungshemmende, antibakterielle und durchblutungsfördernde Effekt [1]. In medizinischen Pflegeserien wie Bedan® wird die entzündungshemmende Eigenschaft von Johanniskraut-Extrakt bei Hauterkrankungen wie Neurodermitis genutzt.

Pflanzlich und beratungsintensiv

Bei Johanniskraut-Monopräparaten wie auch Kombipräparaten ist es wichtig, den Patienten über mögliche Wechsel- und Nebenwirkungen aufzuklären. Johanniskraut ist ein CYP3A4-Induktor. Viele Wirkstoffe werden über dieses System in der Leber metabolisiert. Diese Wirkstoffe können bei Einnahme von Johanniskraut schneller abgebaut werden und nicht mehr adäquat wirken, mit teils schwerwiegenden Folgen. Werden andere Antidepressiva wie beispielsweise Fluoxetin oder Citalopram eingenommen, kann es zudem unter Umständen zum lebensbedrohlichen Serotonin-Syndrom kommen. Eine genaue Auflistung zu Interaktionen mit Johanniskraut befindet sich im Beitrag „Achtung Interaktionen!“ auf Seite 60. Frauen sollten zudem über die Tatsache, dass die Pille (niedrig dosierte Präparate) möglicherweise nicht mehr wirkt, aufgeklärt werden, obwohl die Relevanz dieser Wechselwirkung umstritten ist. Die Lichtempfindlichkeit ist nicht nur im Sommer ein Thema, da einige Patienten auch in der dunklen Jahreszeit möglicherweise ins Solarium gehen oder den Winterurlaub auf einer weit entfernten, sonnigen Insel verbringen. Bekannt ist, dass pflanzliche Beruhigungsmittel erst nach ein paar Tagen bis zu zwei Wochen wirken. Die stimmungsaufhellende Wirkung tritt häufig erst nach zwei bis vier Wochen auf.

Bei stärkerer seelischer Belastung oder starker Depression sollte ein Arzt aufgesucht werden, da nicht-verschreibungspflichtige Johanniskraut-Präparate nur bei vorübergehenden leichten depressiven Störungen indiziert sind. Gleiches gilt, wenn die Beschwerden nach Einnahme eines Johanniskrautpräparats nach vier bis sechs Wochen nicht besser geworden sind.

Die festen Darreichungsformen enthalten einen Johanniskraut-Trockenextrakt (s. Tab. 2). Hier gibt es auch verschreibungspflichtige Präparate, die für leichte bis mittelschwere depressive Episoden zugelassen und für diese Indikation klinisch geprüft sind. Als wirksam gelten Monopräparate mit einer Tagesdosis von zwei bis vier Gramm Droge. Je nach Art der Herstellung entspricht das 500 mg bis 900 mg Extrakt pro Tag. Neben Monopräparaten gibt es Kombinationsarzneimittel, die wässrig-alkoholische Auszüge mehrerer sedierender Drogen enthalten (siehe Tab. 4). Johanniskraut wird auch als Tee bei leichten Verstimmungszuständen verwendet.

Wichtige Inhaltsstoffe

Zur Gruppe der Naphthodianthrone, die mit 0,1 bis 0,3 Prozent vertreten ist, gehören unter anderem Hypericin und Pseudohypericin. Diese Substanzgruppe bedingt die rötliche Flüssigkeit beim Zerquetschen der gelben Blüten. Vertreter der Phloroglucinderivate (0,2 bis 4 Prozent) sind Hyperforin und Adhyperforin.

Weitere Inhaltsstoffe sind Flavonoide (2 bis 4 Prozent) wie Hyperosid, Quercitrin, Isoquercitrin und Rutin. Die Droge muss mindestens 0,08 Prozent Gesamthypericine enthalten. Diese werden als Hypericin berechnet.

Wirkung

In vitro hat Johanniskraut-Extrakt eine hemmende Wirkung auf die Monoaminoxidase A (MAO-A), das heißt, der Abbau von Serotonin und Noradrenalin wird vermindert. Gleiches gilt für die Catechol-O-Methyl-Transferase (COMT), welche Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin abbaut. Dies reicht allerdings nicht aus, um in vivo die antidepressive Wirkung zu erklären. Des Weiteren wurden antibakterielle, antivirale und antioxidative Effekte nachgewiesen. In Tierversuchen wurde bei langfristiger Anwendung eine Aktivierung von Serotonin, Dopamin, Noradrenalin, L-Glutamat und GABA erreicht. Die Aktivität der Neurotransmitter war in den Gehirnregionen gesteigert, in denen sie bei Vorliegen einer Depression vermindert ist. Dabei hemmen vermutlich Hypericin, Hyperforin und Flavonoide (vor allem Amentoflavon) die Wiederaufnahme der Neurotransmitter aus dem synaptischen Spalt, sodass mehr Neurotransmitter zur Verfügung stehen und die Rezeptorendichte beeinflussen. Dabei scheint vor allem Hyperforin die Wiederaufnahme von Serotonin zu hemmen. Isoliert man jedoch einzelne Inhaltsstoffe aus dem Gesamtextrakt, ist die Wirkstärke reduziert. Für die Wirkung sind somit keine Einzelsubstanzen auszumachen, sondern das Zusammenspiel mehrerer Inhaltsstoffe ist entscheidend.

Der Wirkmechanismus ist nicht abschließend geklärt, jedoch belegen zahlreiche Studien die Wirksamkeit von Johanniskraut bei leichten bis mittelschweren Depressionen.

Teezubereitung

Empfohlen wird, ein bis zwei Teelöffel Johanniskraut mit 150 ml siedendem Wasser zu übergießen und zehn Minuten ziehen zu lassen. Laut Standardzulassung können morgens und abends ein bis zwei Tassen frisch zubereiteter Tee getrunken werden. Da die Zusammensetzung der Droge variieren kann [2] und keine Wirksamkeitsstudien für wässrige Auszüge vorliegen [1], sind standardisierte Phytopharmaka zu bevorzugen.

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Lavendelblüten

Lavandulae flos


Ordnung
Lamiales

Familie Lamiaceae

Gattung Lavandula

Art Lavandula angustifolia

Synonyme Lavender (engl.). Fleur de lavande (frz.)

Droge Blüten (flos), ätherisches Öl (oleum)

Lavandula angustifolia ist im Mittelmeergebiet heimisch und wird dort auch kultiviert. Der Lavendelstrauch wird ungefähr 20 bis 100 cm hoch (Abb. 5). Die violetten Blüten haben eine längere Ober- und eine kürzere Unterlippe. Sie sitzen in Quirlen auf langen Stängeln und bilden eine Scheinähre. Die Stängel sind verzweigt und teilweise verholzt, die dünnen graugrünen Blätter lanzettenförmig. Der Lavendel blüht von Juni bis August, die Ernte findet dementsprechend im Juli bzw. August statt. Die getrocknete Droge kann durch Blüten mit nah verwandten Arten verfälscht sein. Mit bloßem Auge ist die Vermischung nicht erkennbar, wohl aber mittels GC.

Abb. 5: Der Lavendel war die Heilpflanze des Jahres 2008.

Verwendung

Verwendet werden die getrockneten Blüten (Lavandula flos, Abb. 6) mit mindestens 13 ml/kg ätherisches Öl, berechnet auf die getrocknete Droge und das ätherische Öl. Letzteres wird durch Wasserdampf-Destillation aus den frischen Blüten gewonnen. Während die getrockneten Blüten in Tees und Teemischungen verwendet werden, wird das Öl äußerlich als Badezusatz bei funktionellen Kreislaufstörungen oder zur Entspannung angewendet, innerlich bei Unruhe, Einschlafstörungen sowie bei funktionellen Oberbauchbeschwerden. Volksheilkundlich soll ein Lavendelstrauch im Zimmer gegen Unruhe und Stress helfen.

Abb. 6:Getrocknete Lavendelblüten. Die Farbe der getrockneten Blüten variiert von blau-grau bis bräunlich. Die Blüten riechen intensiv, der Geschmack ist bitter.

Meist werden Fertigarzneimittel angeboten, in denen je nach Indikation weitere Arzneidrogen enthalten sind. Lavendelöl wird beispielsweise mit ätherischen Ölen aus Anis und Salbei als Tropfen traditionell zur Unterstützung der Verdauungsfunktion und zur Besserung des Befindens bei Unwohlsein angeboten. Eine Einreibung mit Lavendelöl soll Verspannungen bei Stress und Unruhe lösen. Nicht zuletzt wird es als Parfumstoff in zahlreichen Hautpflegeprodukten verwendet. Da konzentriertes ätherisches Öl reizend wirkt, sollte es nur verdünnt angewendet werden. Seit über drei Jahren gibt es Lavendelöl auch in Kapselform. Bei Lasea® wird das patentierte Lavendelöl WS®1265 gegen Unruhezustände bei ängstlicher Verstimmung eingesetzt. Lasea® ist für Erwachsene ab 18 Jahren zugelassen und wird einmal täglich unzerkaut mit reichlich Flüssigkeit eingenommen (eine Kapsel entspricht der Tagesdosis von 80 mg Lavendelöl). Die Weichkapsel soll nicht im Liegen eingenommen werden. Aufstoßen und Übelkeit wurden als häufige unerwünschte Wirkungen ausgemacht.

Öle in verschiedenen Qualitäten

Auf dem Markt ist nicht nur das Öl der Lavandula angustifolia erhältlich. Das Lavandin-Öl wird beispielsweise aus der L. hybrida gewonnen, einer Kreuzung aus dem Echten und dem Speik-Lavendel (L. latifolia). Aus letzterer Art wird das Spik-Öl gewonnen. Beide Öle enthalten weniger Linalylacetat und häufig mehr Campher. Sie sind pharmazeutisch als minderwertig anzusehen und werden unter anderem in der Duftindustrie verwendet. Außerdem kommen sie bei der Aromatherapie unter anderem gegen mentalen Stress zum Einsatz. Pharmazeutisch werden nur die Blüten und das Öl der L. angustifolia verwendet.

Wichtige Inhaltsstoffe

Die Blüten enthalten ein bis drei Prozent ätherisches Öl. Hauptinhaltsstoffe bei der Pflanze sowie beim Öl sind Linalool (20 bis 45 Prozent) und Linalylacetat (25 bis 46 Prozent). Daneben kommen in den Blüten unter anderem Gerbstoffe und Flavonoide vor.


Wirkung

In vitro zeigen Zubereitungen aus Lavendelblüten antimikrobielle, krampflösende und neuroprotektive Eigenschaften. In Tierversuchen war unter anderem eine antikonvulsive, angstlösende und entzündungshemmende Wirkung zu beobachten. Auch das Schmerzempfinden war reduziert (antinocizeptive Wirkung). In klinischen Studien führte die Anwendung von Lavendelzubereitungen zu weniger Unruhe und Ängstlichkeit, auch Blutdruck und Herzschlag wurden leicht gesenkt. Die Patienten waren zudem weniger schmerzempfindlich.

Linalool und Linalylacetat – beides Bestandteile des ätherischen Öls – wurden in diversen Human- und Tierversuchen als wirksame Stoffe identifiziert [2].

In-vitro-Untersuchungen zeigten, dass das patentierte Lavendelöl WS®1265 mit dem GABAA-Rezeptor interagiert.

Bitte Zeit mitbringen

Pflanzliche Präparate zur Beruhigung und bei Schlafstörungen sind in der Regel gut verträglich und machen prinzipiell nicht abhängig. Das Wirkoptimum der Phytopharmaka bei Schlafstörungen ist je nach Anwender und Präparat jedoch erst nach einigen Tagen bis zu zwei Wochen erreicht. Werden Unruhe, Schlafstörungen oder die Stimmung nicht besser oder verschlechtern sich sogar, sollte der Patient einen Arzt aufsuchen.

Teezubereitung

Ein bis zwei Teelöffel Droge werden mit ungefähr 150 ml heißem Wasser übergossen und zehn Minuten ziehen gelassen. Der Tee kann mehrmals täglich sowie vor dem Schlafengehen getrunken werden.

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Melissenblätter

Melissae folium


Ordnung
Lamiales

Familie Lamiaceae

Gattung Melissa

Art Melissa officinalis

Synonyme Zitronenkraut, Zitronenmelisse, Frauenkraut, Herzkraut, Gartenmelisse. Balm, Sweet balm, Lemon balm, Cure-all (engl.) Feuille de mélisse, Thé de France (frz.)

Droge Blätter (folium)

Die Blätter der Melisse wurden schon vor 2000 Jahren als Nerven- und Magenmittel verwendet. Ursprünglich kommt die ungefähr 70 cm hohe Pflanze aus dem östlichen Mittelmeergebiet bzw. Westasien, heutzutage wird sie in Mittel-, Süd-, und Osteuropa angebaut. Die weißen bis gelblichen, zweilippigen Blüten sitzen in den Blattachseln und blühen zwischen Juni und August. Kurz vor der Blütezeit wird die Melisse (Abb. 7) geerntet.

Abb. 7:Die Nervatur der Melissenblätter ist deutlich sichtbar. Die Blätter sitzen gekreuzt gegenständig am vierkantigen Stängel. Der Blattrand ist gekerbt oder gesägt.

Die Staude riecht stark nach Zitrone, was durch das Zerreiben der Blätter intensiviert wird. Verfälschungen der getrockneten Droge (Abb. 8) sind selten, könnten aber eventuell mit der Katzenminze auftreten. Die Verfälschung ist mikroskopisch erkennbar.

Abb. 8:Die Blattoberseite der Melisse ist dunkler als die Unterseite, auch die Nervatur ist gut erkennbar. Die (nicht zu alte) Droge riecht nach Zitrone, der Geschmack ist würzig.

Anwendung

Melissenblätter können bei nervös bedingten Einschlafstörungen und zur Besserung des Befindens bei nervöser Belastung angewendet werden. Des Weiteren hilft Melisse bei funktionellen Magen-Darm-Beschwerden und äußerlich bei Lippenherpes. Volksheilkundlich ist Melisse ein Allheilmittel und in der Klostermedizin verankert.

Neben Tees oder Teemischungen mit Melisse gibt es diverse alkoholische Extrakte (Melissengeist). Melissen-Blätterextrakte werden fast ausschließlich als Kombinationspräparate (Tab. 4) in festen und flüssigen Darreichungsformen angeboten. Beispiele für Monopräparate sind die Sedinfant® Lösung und die Sedadult® Flüssigkeit, wässrige Melissenblätter-Dickextrakte, die bei nervös bedingten Einschlafstörungen wie auch funktionellen Magen-Darm-Beschwerden eingesetzt werden können, sowie Gastrovegetalin® Tropfen und ME Sabona® Kapseln.

Wichtige Inhaltsstoffe

Das ätherische Öl der Melissenblätter enthält Geranial (Citral a), Neral (Citral b) und Citronellal. Die Citrale machen ungefähr 30 Prozent des ätherischen Öls aus, das Citronellal 40 Prozent. Auch Flavonoide wie die Glycoside von Quercetin, Luteolin und Kaempferol; Triterpene und die Labiaten-Gerbstoffe sind enthalten. Die Rosmarinsäure (ein Gerbstoff) ist mit bis zu vier Prozent vertreten. 


Wirkung

In vitro ergaben sich beim Versuch mit Meerschweinchendarm spasmolytische Effekte. In weiteren Untersuchungen wurde eine Wirkung an den cholinergen Nicotin- und Muskarin-Rezeptoren festgestellt.

Während antivirale Effekte durch den wässrigen Melissenextrakt unter anderem gegen Herpes-simplex-Viren auftraten, zeigte das ätherische Melissenöl antimikrobielle Wirkungen. Die antivirale Eigenschaft wurde in klinischen Studien durch Anwendung einer Creme mit wässrigem Extrakt der Droge bei Lippenherpes bestätigt. Hier verkürzten sich die Erkrankungszeit, Herpes-Ausbrüche traten seltener auf. Rosmarinsäure zeigte in vitro und in vivo entzündungshemmende Effekte. Im Tierversuch wurden ein lyophilisierter wässrig-ethanolischer Extrakt und das ätherische Öl untersucht. Beide zeigten sedierende und schlaffördernde Wirkungen. Auch in der Aromatherapie wird Melissenöl wegen seiner beruhigenden Wirkung eingesetzt. Für die Wirkungen wird der Gesamtextrakt verantwortlich gemacht. Zusammenfassend wirken Melissenblätter nach dem heutigen Kenntnisstand spasmolytisch, antiviral, antimikrobiell, antiphlogistisch und sedierend.

Teezubereitung

Ein bis drei Teelöffel Melissenblätter mit ungefähr 150 ml siedendem Wasser übergießen und etwa 10 bis 15 Minuten ziehen lassen. Mehrmals täglich eine Tasse trinken.

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Hopfenzapfen

Lupuli flos


Ordnung
Rosales

Familie Cannabaceae

Gattung Humulus

Art Humulus lupulus

Synonyme Hopfenblüten, Hopfenkätzchen, Lupuli strobulus. Hops (engl.), Cônes d`Houblon (frz.)

Droge weibliche Blüten (flos)

Hopfen ist eine Kletterpflanze (Abb. 9) und kann zwischen drei und sechs Meter hoch ranken. Sie ist in Osteuropa heimisch und mittlerweile im gesamten mitteleuropäischen Raum zu finden.

Abb. 9: Der Hopfen wurde zur Arzneipflanze des Jahres 2007 gekürt. Die Blätter sind langstielig und grob gesägt und bestehen aus drei bis fünf tiefen Lappen. Die weiblichen Blüten wachsen in Scheinähren.

Ein riesiges Anbaugebiet liegt beispielsweise in Bayern. Nur die weiblichen Pflanzen werden verwendet. Der Wurzelstock überwintert im Boden, im Frühjahr treiben neue Sprösslinge aus. Im Sommer blühen viele kleine Hopfenblüten und bilden zusammen einen Blütenstand, aus dem sich ein Zapfen bildet (Abb. 10). Sobald die Hopfenzapfen reif sind, beginnt Ende August bis Mitte September die Ernte. Allerdings wird nur ein kleiner Teil der Ernte pharmazeutisch verwendet, der Rest wird zum Bierbrauen benötigt.

Abb. 10:Die grünlich-gelben Hopfenzapfen sind etwa zwei bis vier Zentimeter lang und bestehen aus dachziegelartig übereinander liegenden Nebenblättern. Auch die goldgelben Drüsenhaare (Hopfendrüsen) sind gut sichtbar. Hopfen riecht würzig und schmeckt leicht bitter.

Anwendung

Hopfenzapfen werden als Sedativum bei innerer Unruhe, Spannungszuständen sowie Schlafstörungen vor allem in Kombination mit anderen sedativ wirkenden Drogen angewendet (Tab. 4). Auch als Tee kommen Hopfenzapfen selten als Einzeldroge zum Einsatz, meist findet man diese in beruhigenden und schlaffördernden Teemischungen.

Wichtige Inhaltsstoffe

Hauptkomponente der Droge sind die bitteren Phloroglucinol-Derivate. In getrocknetem Zustand sind zwei bis zwölf Prozent alpha-Bittersäuren (davon 35 bis 70 Prozent Humulon) und ein bis zehn Prozent β-Bitterstoffe (davon 30 bis 55 Prozent Lupulon) als Phloroglucinol-Derivate enthalten. Außerdem befinden sich ätherisches Öl und Flavonoide (beide je 0,5 bis 1,5 Prozent) in der weiblichen Blüte des Hopfens. Prominenter Vertreter bei den Flavonoiden ist mit 80 bis 90 Prozent Xanthohumol. Das 2-Methylbut-3-en-2-ol ist in der frischen Droge kaum vorhanden. Während der Lagerung zersetzen sich Humulon und Lupulon jedoch, sodass der Anteil an 2-Methylbut-3-en-2-ol auf 0,15 Prozent des Trockengewichtes steigt.

Wirkung

Im Tierversuch wurde eine sedierende Wirkung von isoliertem 2-Methylbut-3-en-2-ol festgestellt. Die Substanz kommt jedoch nur in niedriger Konzentration im Hopfenzapfen vor, es wird aber vermutet, dass es im Körper durch Metabolisierung von Humulon und Lupulon gebildet werden könnte.

Klinische Studien zeigen einen sedierenden Effekt, ohne spezifische Inhaltsstoffe dafür verantwortlich machen zu können. Neben der sedierenden Wirkung werden Hopfenzapfen-Extrakten oder einzelnen Inhaltsstoffen estrogene, antigonadotrope, tumorhemmende, antiproliferative, antiinflammatorische und spasmolytische Eigenschaften zugeschrieben.

Teezubereitung

Ein bis zwei Teelöffel Hopfenzapfen werden mit 150 ml heißem Wasser übergossen und 10 bis 15 Minuten ziehen gelassen. Zwei bis dreimal täglich und vor dem Schlafengehen kann eine Tasse frischer Tee getrunken werden. Der Kunde sollte darauf hingewiesen werden, die Teedose vor Gebrauch zu schütteln, da bei der Lagerung die Drüsenhaare abfallen können und sich am Boden ablagern. Diese können auch den Bodensatz des Tees sehr bitter machen.

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Passionsblumenkraut

Passiflorae herba


Ordnung
Malpighiales

Familie Passifloraceae

Gattung Passiflora

Art Passiflora incarnata

Synonyme Fleischfarbige Passionsblume. Passion flower herb, Maypop (engl.), Fleur de la passion (frz.)

Droge Kraut (herba)

Die Passionsblume (Abb. 11) ist in den südöstlichen USA sowie in Mittel- und Südamerika heimisch. Der Kletterstrauch bildet bis zu fünf Meter lange Stängel, an denen dreiteilig gelappte, leicht gesägte Blätter hängen. In den Blattachseln entspringen Ranken und langgestielte Blüten; letztere blühen zwischen Juni und September.

Abb. 11:Die Passionsblume trägt ca. 9 cm große Blüten, auffallend sind hier die fädige Nebenkrone und der oberständige Fruchtknoten.

Die gelblichen Früchte reifen zwei bis drei Monate und beinhalten dunkelbraune, ovale, flache Samen. Pharmazeutisch verwendet wird das getrocknete Kraut, in dem Blüten und Früchte vorkommen können (Abb. 12). Die Droge riecht leicht aromatisch, im Geschmack ist sie aber eher fad. Verfälschungen können mit anderen Passiflora-Arten auftreten. Eine sorgfältige mikroskopische Untersuchung und eine DC können Aufschluss bringen.

Abb. 12:Getrocknetes Passionsblumenkraut besteht aus dünnen, rundlichen, hohlen Stängeln, korkenzieherartig gerollten Ranken, Blätter mit fein gesägtem Rand, plattgedrückte, braun-grünliche Früchte mit grubig-punktierten Samen und Teilen der Blüte.

Anwendung

Passionsblumenkraut wirkt beruhigend bei nervösen Unruhezuständen und ist als Extrakt (oder selten als Pulver) in Mono- und Kombinationspräparaten enthalten (s. Tab. 3 und Tab. 4). Es wird zudem mit anderen sedierenden Drogen als Teemischung angeboten. Volksheilkundlich wurde die Droge in Mittel- und Südamerika als Spasmolytikum eingesetzt.

Wichtige Inhaltsstoffe

Die Droge enthält Flavonoide, hauptsächlich C-Glycoside vom Apigenin und Luteolin in variablen Konzentrationen. In der Droge muss der Flavonoid-Gehalt als Vitexin berechnet jedoch mindestens 1,5 Prozent betragen. Neben einem geringen Anteil an ätherischem Öl und dem cyanogenen Glycosid Gynocardin kann die Droge Spuren von Alkaloiden wie Harmol, Harmamol oder Harman enthalten. Diese Alkaloide sind giftig, meist jedoch kaum vorhanden.

Wirkung

In Tierversuchen zeigte Passionsblumenkraut eine sedierende und angstlösende Wirkung, wobei die anxiolytische Wirkung beim methanolischen Extrakt besonders ausgeprägt war. Auch entzündungshemmende Effekte wurden im Tierversuch beobachtet. Über den Wirkmechanismus ist wenig bekannt, ebenso über die wirksamen Inhaltsstoffe.

Teezubereitung

Ein Teelöffel Passionsblumenkraut wird mit 150 ml siedendem Wasser übergossen und 10 bis 15 Minuten ziehen gelassen. Eine Tasse Tee kann zwei bis viermal täglich getrunken werden. 

Literatur

[1] Schilcher H, Pfefferle L. aporello Heilpflanzen, 1. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag 2013

[2] Wichtl M et al. Teedrogen und Phytopharmaka, 5. Auflage, Wiss. Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 2009

[3] Fintelmann V . Kompendium Phytopharmaka, 6. Auflage, Medizinische Medien Informations GmbH 2008

[4] Holm G, Herbst V. Botanik und Drogenkunde, 9. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag 2010

[5] Schilcher H et al. Leitfaden Phytotherapie, 4. Auflage, Elsevier GmbH 2010

[6] Lauer Fischer Taxe, Stand 11.10.2013

[7] Rote Liste online, Stand 21.10.2013

Autorin

Annette Lüdecke ist Apothekerin und absolviert derzeit ihr Volontariat in der DAZ-Redaktion in Stuttgart.

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