Arzneimittel und Therapie

Noch ist Zeit

Für eine Grippeimpfung ist es noch nicht zu spät

Von Karin Schmiedel | Bislang hat die Grippewelle in Deutschland nicht begonnen [1]. Es ist also noch Zeit, sich impfen zu lassen! Die Vielfalt der Grippeimpfstoffe ist hierbei in den letzten Jahren größer geworden. Neben inaktivierten Impfstoffen stehen ein lebend-attenuierter und adjuvantierte Impfstoffe zur Verfügung. In der Praxis stellen sich die Fragen, welcher Impfstoff für wen geeignet ist und wem eine Influenza-Impfung empfohlen wird.

 Der optimale Zeitpunkt für die Impfung gegen Influenza ist in Deutschland im Oktober und November, aber auch im Dezember und Januar kann noch geimpft werden. Denn die Grippewelle beginnt meist erst um die Jahreswende, und die Schutzwirkung wird innerhalb von circa 14 Tagen erreicht [2, 3]. Die Schutzdauer liegt in der Regel im Bereich von sechs bis zwölf Monaten. Auch weil die Zusammensetzung der Influenzaimpfstoffe jedes Jahr an die zirkulierenden Virusstämme angepasst wird, sollten sich gefährdete Personen jährlich gegen Grippe impfen lassen. Für die Saison 2013/14 haben die Weltgesundheitsorganisation und der Ausschuss für Humanarzneimittel eine Kombination aus A/California/07/2009 (H1N1) pdm 09, A/Victoria/361/2011 (H3N2) und B/Massachusetts/2/2012 empfohlen. Neben inaktivierten Spaltimpfstoffen mit diesen drei Stämmen stehen ein tetravalenter, inaktivierter Spaltimpfstoff (InflusplitTM Tetra), ein attenuierter Lebendimpfstoff (Fluenz® Nasenspray) sowie adjuvantierte Impfstoffe zur Verfügung (Fluad®, Inflexal® V, Viroflu®). Die Impfungen werden intramuskulär oder tief subkutan verabreicht. Ausnahmen sind Fluenz® Nasenspray, welches für Kinder und Jugendliche zur nasalen Gabe zugelassen ist, und Intanza® zur intradermalen Injektion für Personen ab 60 Jahre. Eine Übersicht über die zugelassenen Impfstoffe bietet Tabelle 1.

Die Influenzaimpfung wird von der STIKO (Ständigen Impfkommission) für folgende Personengruppen empfohlen [4]:

  • Personen ab 60 Jahre,
  • Schwangere ab dem zweiten Trimenon (in bestimmten Fällen ab dem ersten Trimenon),
  • Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit chronischen Erkrankungen wie Asthma, COPD, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Infektions-getriggerte Multiple Sklerose, HIV etc.,
  • Bewohner von Alters- oder Pflegeheimen,
  • Personen mit erhöhter Gefährdung (z.B. medizinisches Personal; Personen mit umfangreichem Publikumsverkehr),
  • Personen mit erhöhtem Kontakt zu Geflügel oder Wildvögeln.

Gesunden Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen wird die Grippeimpfung von der STIKO nicht explizit empfohlen, da bei diesen die Infektion meist mild verläuft. Das bedeutet aber nicht, dass man sich nicht dennoch impfen lassen kann.

Nasenspray oder Spritze für Kinder?

Die Grippeimpfung wird für Säuglinge ab dem sechsten Lebensmonat, Kinder und Jugendliche empfohlen, wenn chronische Erkrankungen wie beispielsweise Asthma oder Diabetes vorliegen. Kinder bis zu einem Alter von meist neun Jahren (ggf. abweichende Angaben in der Fachinformation beachten), die erstmals gegen Influenza geimpft werden, benötigen zwei Impfstoff-Dosen. Frühestens vier Wochen nach der ersten sollte die zweite Dosis verabreicht werden. Einige inaktivierte Impfstoffe sind bereits ab dem sechsten Lebensmonat zugelassen (z.B. Begripal®, Grippeimpfstoff-ratiopharm®). Bis zum Alter von zwei Jahren wird die halbe Erwachsenendosis gegeben oder bis zum 35. Lebensmonat ein Kinder/Junior-Impfstoff. Danach kann die volle Erwachsenendosis appliziert werden. Der lebend-attenuierte und somit vermehrungsfähige Influenzaimpfstoff Fluenz® Nasenspray ist ab dem zweiten Lebensjahr zugelassen. Das Nasenspray ist bei Zwei- bis Sechsjährigen zu bevorzugen, da es bei Zwei- bis Sechsjährigen eine bessere Immunantwort als inaktivierte Impfstoffe erzeugt (48 Prozent weniger Grippeerkrankungen bezogen auf alle zirkulierenden Virusstämme) [5]. Eine Koordination durch das Kind ist nicht notwendig. Es kann während der Applikation ganz normal weiteratmen. Bei 7- bis 17-Jährigen gibt es keine Empfehlung, einen bestimmten Impfstoff zu bevorzugen. Zu beachten ist, dass mindestens vier Wochen Abstand zwischen einer Salicylat-Gabe und der Applikation des lebend-attenuierten Impfstoffs einzuhalten sind. Hintergrund dieser Empfehlung ist, dass bei Wildtyp-Influenzainfektionen unter Salicylat-Therapie das Reye-Syndrom auftreten kann.

Impfen in der Schwangerschaft

Für Schwangere wird die Grippeimpfung empfohlen, da sie ein erhöhtes Risiko für schwere Krankheitsverläufe haben. Weil es im ersten Trimenon häufiger zu Spontanaborten kommt – die nicht fälschlicherweise mit der Influenzaimpfung in Verbindung gebracht werden sollen –, wird die Impfung ab dem zweiten Trimenon empfohlen. Im Prinzip ist eine Grippeimpfung auch schon im ersten Trimenon möglich und kann bei besonders gefährdeten Schwangeren (z.B. bei chronischen Erkrankungen) auch indiziert sein. Gegen Influenza stehen hauptsächlich Totimpfstoffe zur Verfügung, so dass Schwangeren meist der jeweilige Rabattvertrags-Impfstoff appliziert werden kann. Schwangeren Jugendlichen darf der lebend-attenuierte Impfstoff nicht gegeben werden. Gleiches gilt für die Stillzeit.

Besonderheiten bei Älteren

Bei Senioren ist die Immunantwort auf eine Impfung weniger ausgeprägt. Speziell für ältere Personen wurden daher adjuvantierte Grippeimpfstoffe entwickelt. Wirkverstärkend sind beispielsweise Emulsionen, welche die Aufnahme des Antigens in das Immunsystem beschleunigen (Fluad®), oder Virosomen, die durch Einbettung der Antigene in eine Lipiddoppelschicht die Virushülle nachahmen (Inflexal® V, Viroflu®). Auch durch die intradermale Gabe einer höheren Dosis (Intanza®) kann die Antigenbildung verstärkt werden. Bislang ist jedoch unzureichend belegt, dass die höhere Immunogenität dieser Impfstoffe mit einem besseren Schutz vor der saisonalen Influenza einhergeht. Die lokalen Nebenwirkungen wie Schmerzen an der Injektionsstelle sind stärker ausgeprägt. Vor- und Nachteile müssen somit individuell abgewogen werden.

Chronisch Kranke

Chronische Erkrankungen wie Asthma, Diabetes oder infektions-getriggerte Multiple Sklerose sind mit einem höheren Risiko für schwere bis tödliche Grippeverläufe assoziiert. Patienten ab dem sechsten Lebensmonat mit chronischen Grunderkrankungen wird daher die jährliche Grippeimpfung empfohlen.

Was tun bei Immunsupprimierten?

Auch Immunsupprimierte erleiden häufiger schwere bis tödliche Influenza-Infektionen, die es vorzubeugen gilt [6]. Bei ihnen kann die Schutzwirkung der Impfung vermindert sein [3]. Gerade bei Immundefizienz ist die Grippeimpfung aber empfohlen, solange eine Restfunktion des Immunsystems vorhanden ist. Sowohl Immunsupprimierte als auch deren Haushaltskontaktpersonen sollten mit einem Totimpfstoff gegen Influenza geimpft werden.

Medizinisches und pharmazeutisches Personal

Medizinisches Personal ist durch den engen Kontakt mit Patienten besonders gefährdet, sich anzustecken. Zudem kann die Grippe vom Personal in den Arztpraxen auf Risikopersonen übertragen werden. Die Influenzaimpfung dient somit dem Selbst- und Fremdschutz. Gleiches gilt für das Apothekenteam: Mit einer Grippeimpfung kann man seine Kunden und sich selbst schützen. Statt sich im Nachhinein über lange krankheitsbedingte Arbeitsausfälle zu ärgern – weil man dann mit einer Mehrbelastung zu kämpfen hat –, sollte das ganze Team animiert werden, vorzubeugen. Neben der Impfung spielen hierbei auch einfache Hygieneregeln eine wichtige Rolle.

Es ist noch Zeit zum Impfen!

Nutzen Sie daher die Zeit bis zur Jahreswende, um auf wichtige Hygieneregeln und die Impfung zum Schutz vor Influenza aufmerksam zu machen. Weiterführende Links zu Informations- und Aktionsmaterialien finden Sie im Kasten. Eine Übersicht über die verfügbaren Impfstoffe bietet Tabelle 1. 

Mehr zum Thema Impfen

www.rki.de > Infektionsschutz > Impfen

www.pei.de > Informationen > Für Ärzte und Apotheker > Impfungen/Impfstoffe

Informations- und Aktionsmaterialien

www.bzga.de > Infomaterialien > Impfungen und persönlicher Infektionsschutz

www.impfen-info.de

www.wipig.de > Projekte > Aktuelle Projekte > Impfen

Quellen:

[1] Robert Koch-Institut, Arbeitsgemeinschaft Influenza. Influenza-Wochenbericht KW 43. http://influenza.rki.de/Wochenberichte/2013_2014/2013-43.pdf, aufgerufen am 01.11.2013

[2] Robert Koch-Institut, www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/Influenza/faq_ges.html, aufgerufen am 01.11.2013

[3] Fachinformationen verschiedener Grippeimpfstoffe

[4] Robert Koch-Institut. Epidemiologisches Bulletin Nr. 34, August 2013

[5] Ambrose CS, et al. The efficacy of intranasal live attenuated influenza vaccine in children 2 through 17 years of age: A meta-analysis of 8 randomized controlled studies. Vaccine 2012; 30(5): 886–892.

[6] Robert Koch-Institut. Mitteilungen der STIKO. Hinweise zu Impfungen für Patienten mit Immundefizienz. Stand: November 2005, www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2005/Sonderausgaben/Sonderdruck_STlKO-Hinweise_Nov-2005.html, aufgerufen am 01.11.2013

Autorin

Karin Schmiedel, Apothekerin, ist derzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin im WIPIG – Wissenschaftliches Institut für Prävention im Gesundheitswesen tätig. Sie führt eine Studie mit öffentlichen Apotheken zur Prävention von Typ-2-Diabetes durch und betreut verschiedene andere Präventionsprojekte des Instituts.

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