Arzneimittel und Therapie

Vorsichtshalber überwachen

Makrolid-Antibiotika und Calcium-Antagonisten

Bereits frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass die gleichzeitige Verschreibung von Clarithro- oder Erythromycin und einem Calcium-Kanalblocker bei älteren Patienten zu einer starken Blutdrucksenkung bis hin zum Kreislaufzusammenbruch führen kann. Laut einer aktuell im JAMA publizierten Studie ist unter dieser Kombination auch das Risiko für eine Nierenschädigung geringfügig erhöht.

Makrolid-Antibiotika sind bekannte Inhibitoren des Cytochrom-P450-Isoenzyms CYP3A4 (Erythromycin > Clarithromycin, Josamycin, Roxithromycin > Azithromycin, Spiramycin) und können den Metabolismus anderer Arzneistoffe in unterschiedlichem Ausmaß beeinträchtigen. In der Folge kommt es zu erhöhten Plasmaspiegeln und ggf. auch Nebenwirkungen der entsprechenden Substrate. Patienten, die gleichzeitig mit Erythromycin oder Clarithromycin und bestimmten Calcium-Antagonisten therapiert werden, sollten besonders sorgfältig auf eine verstärkte Blutdrucksenkung und weitere unerwünschte Wirkungen beobachtet werden. Eine derartige Empfehlung ist dem Interaktions-Check der ABDA-Datenbank zu entnehmen (siehe Kasten). Die Ergebnisse einer aktuellen retrospektiven Kohortenstudie kanadischer Forscher bekräftigen diesen Sicherheitshinweis.

Interaktions-Check: Calcium-Antagonisten/Makrolid-Antibiotika

Vorsichtshalber überwachen

  • Mechanismus. Gehemmter oxidativer Metabolismus der Calcium-Antagonisten; additive Effekte auf die Erregungsleitung (Verapamil)
  • Effekt. Dihydropyridine: Blutdrucksenkung, Tachykardie, Flush, Knöchelödeme; Verapamil: Hypotonie, Bradykardie, Überleitungsstörungen
  • Maßnahmen. Patienten, die gleichzeitig mit Erythromycin oder Clarithromycin und bestimmten Calcium-Antagonisten (besonders Felodipin, Nifedipin, Manidipin, Lecarnidipin, Verapamil; keine Aussage für Diltiazem) therapiert werden, sollten sorgfältig auf eine verstärkte Blutdrucksenkung und weitere unerwünschte Wirkungen beobachtet werden. Bei Bedarf ist die Dosis des Calcium-Antagonisten zu reduzieren und ggf. die Plasmakonzentration zu überwachen.

ABDA-Datenbank

Clarithromycin versus Azithromycin

Im Rahmen dieser Studie wurde das Risiko akuter unerwünschter Ereignisse innerhalb von 30 Tagen nach einer simultanen Verschreibung von Clarithromycin im Vergleich zu Azithromycin und einem der Calcium-Antagonisten, Amlodipin, Felodipin, Nifedipin, Diltiazem oder Verapamil, untersucht. Azithromycin diente als Vergleichsmedikation, da dieses Makrolid-Antibiotikum das CYP3A4-Enzym nur in geringem Ausmaß hemmt. Im Zeitraum von 2003 bis 2012 wurden in der Provinz Ontario, Canada, anhand von Patientenakten 190.309 Patienten > 65 Jahre (durchschnittliches Alter 76 Jahre) mit entsprechender Medikation identifiziert. Die beiden Therapiegruppen (Clarithromycin: 96.226 Patienten; Azithromycin: 94.083 Patienten) stimmten hinsichtlich der Basismerkmale, wie Alter, Komorbiditäten, Basismedikation etc. überein.

Risiko leicht erhöht

Die gleichzeitige Verordnung von Clarithromycin und einem Calcium-Kanalblocker kann das Risiko für eine Hospitalisierung mit akuter Nierenschädigung (primärer Studienendpunkt) im Vergleich zu Azithromycin mit einem Calcium-Kanalblocker leicht erhöhen (0,44% vs. 0,22%; absolute Risikoerhöhung 0,22%). Gemäß einer Subgruppenanalyse wurde das höchste Risiko für Dihydropyridine, insbesondere Nifedipin (absolute Risikoerhöhung 0,63%) ermittelt. Pathophysiologisch ist hierbei die ischämische Schädigung beziehungsweise Hypoperfusion der Nieren infolge des Blutdruckabfalls von Bedeutung. Im Hinblick auf die sekundären Studienendpunkte, Hospitalisierung mit Hypotonie (0,12% vs. 0,07%; absolute Risikoerhöhung 0,04%) und Gesamtmortalität (1,02% vs. 0,59%; absolute Risikoerhöhung 0,43%), war für Clarithromycin im Vergleich zu Azithromycin ebenfalls ein leicht erhöhtes Risiko zu verzeichnen. Mögliche Störgrößen (Confounder), wie eine vorbestehende chronische Nierenerkrankung sowie die gleichzeitige Einnahme von Statinen, wurden in der Analyse berücksichtigt. Die parallele Verordnung von Clarithromycin und Statinen ist angesichts des gleichen Interaktionsmechanismus ebenso mit dem Risiko einer Nierenschädigung und einer erhöhten Mortalität assoziiert.

Fazit

Die Übertragbarkeit der Ergebnisse wird durch die Wahl der Studienmedikation (allein Clarithromycin und Azithromycin) sowie die Altersklasse des Studienkollektivs limitiert. Die Auswertung basierte auf Verschreibungsdaten. Letztlich konnte nicht verifiziert werden, ob die interagierenden Arzneistoffe tatsächlich gemeinsam eingenommen wurden. Trotz der nur geringen Risikoerhöhung messen die Autoren den Ergebnissen eine hohe klinische Bedeutung bei. Sie kritisieren, dass Clarithromycin und Calcium-Kanalblocker ungeachtet der Sicherheitshinweise in der Praxis weiterhin gemeinsam verordnet werden. Nach Ansicht der Autoren kommen als mögliche alternative Behandlungsstrategien die vorübergehende Einnahmepause des Calcium-Kanalblockers oder die Wahl eines Antibiotikums mit fehlender oder minimaler Hemmwirkung, wie Azithromycin, in Betracht.

Apothekerin Carina John, Pharm.D.

 

Quelle

Gandhi S, Fleet JL, Bailey DG, et al. Calcium-Channel Blocker–Clarithromycin Drug Interactions and Acute Kidney Injury. JAMA. (2013). doi:10.1001/jama.2013.282426.

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