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Aus den Ländern
Brandenburger Rebellen
Von sanften Veränderungen und leuchtenden Sternen
In Brandenburg ist der Kontakt zwischen den Apothekern und ihrer Kammer eng. Schon kurz nach Inkrafttreten der novellierten Apothekenbetriebsordnung und Dobberts Amtsantritt als Kammerpräsident im Sommer 2012 suchte der Vorstand das Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen.
Einerseits ging es darum, sie über die neuen Regelungen zu informieren – andererseits wollte der Vorstand erfahren, ob und wenn ja welche Probleme die Apotheken bei ihrer Umsetzung haben. Hieraus entstanden die „kritischen Elemente“ der Apothekenbetriebsordnung. Diese legte die Kammer den Apotheken im Land für eine Umfrage vor: Der Rücklauf war beachtlich – ebenso die Einigkeit, dass die ausgemachten 17 Punkte wirklich problembehaftet sind. Auf dem Deutschen Apothekertag 2013 brachte die Kammer sie als Anträge in die Hauptversammlung ein. „Uns ist die Brisanz unserer Anträge nicht entgangen“, sagte Dobbert letzte Woche vor der Kammerversammlung. „Dennoch entschieden wir uns für den Vorrang der flächendeckenden Versorgung ohne pseudo-qualitätsverbessernde Maßnahmen.“
„Wir wollten nie die Holzhammermethode“
Dobbert wurde von einigen Seiten gewarnt, die Apothekenbetriebsordnung wieder aufzuknöpfen – etwa vom Präsidenten der Bundesapothekerkammer, Andreas Kiefer. Zu groß sei das Risiko, dass dann auch an anderer – weniger wünschenswerter – Stelle Änderungen folgen. Doch Dobbert konnte und kann diese Gefahr nicht sehen. „Der Vorstand der Landesapothekerkammer Brandenburg hatte nie die Absicht, die Apothekenbetriebsordnung zu zerschießen“, betonte er auch letzte Woche wieder. Es gehe nur um einzelne problematische Punkte und darum, sich wieder mehr den Patienten zuwenden zu können – und nicht sinnloser Bürokratie.
Dobbert erklärte vor der Kammerversammlung, er habe versucht, der Bundesebene die eigene Position zu vermitteln. Er habe es der ABDA auch überlassen wollen, den Zeitpunkt zu bestimmen, wann sie mit den Anträgen – so sie denn angenommen würden – an das Ministerium herantreten wollen. Veränderungen sollten sanft herbeigeführt werden. „Wir wollten nie die Holzhammermethode“, so Dobbert. Es sei ihm in den Gesprächen durchaus vermittelt worden, man verstehe, wie die Kritikpunkte zustande gekommen seien und was die Kollegen im Land bewegte. Auch in einer Sitzung des ABDA-Gesamtvorstandes im letzten August, als es um die für den Deutschen Apothekertag eingereichten Anträge ging, habe es keine große Diskussion gegeben – diese sollte in Düsseldorf stattfinden.
Enttäuschung auf dem Deutschen Apothekertag
So geschah es denn auch – allerdings nur sehr kurz. Die Hauptversammlung war bei Aufruf der Anträge schon fortgeschritten, die Zeit knapp. Der Vorsitzende des Landesapothekerverbands Rheinland-Pfalz, Theo Hasse, beantragte recht rasch, sie in einen Ausschuss zu verweisen. Die Delegierten zögerten nicht und verwiesen die Brandenburger Anträge in die ABDA-Mitgliederversammlung. Zunächst habe er noch gedacht, Hasses Vorstoß sei die persönliche Ansicht eines Delegierten, sagte Dobbert. Doch offenbar seien schon im Vorfeld entsprechende Strippen gezogen worden. So habe Hasse auf der dem Apothekertag folgenden Sitzung des ABDA-Gesamtvorstandes erklärt, dass er und viele weitere Mitgliedsorganisationen der Meinung gewesen seien, die Anträge zu stellen sei „brandgefährlich“. Darüber hinaus sei auf dieser Sitzung mitgeteilt worden, dass sich viele Mitgliedsorganisationen durch die Brandenburger Anträge „belästigt gefühlt“ hätten – für Dobbert eine „erschreckende“ Botschaft. Schließlich ist die Apothekenbetriebsordnung Grundlage des täglichen Handelns in den Apotheken. Aber vielleicht müssten auch die Brandenburger einen „Erkenntnisprozess“ durchlaufen, dass am Ende der Schein mehr zähle als das Sein. So habe er zu hören bekommen, in Bayern sei eine Plausibilitätserklärung damit erledigt, dass das Wort auf einen Zettel geschrieben und ein Häkchen dahinter gesetzt wird. Zugleich heiße es: Mit der neuen Apothekenbetriebsordnung habe sich die Qualität verbessert. Offenbar werde Pharmazie dort anders gelebt als in Brandenburg, meint Dobbert. Doch die Entwicklung gehe wohl dahin, dass die Monetik wichtiger werde als die Ethik. „Droht uns das Geld auszugehen schreiben wir den Heilberuf auf unsere Fahne, entspannt sich die Lage, hat der Kaufmann das Sagen“. Dies sei zu bedauern, da die Apotheker sich so selbst ins Aus manövrieren.
Der „ABDA-Stern“ über Brandenburg
Nach diesen Erfahrungen fällt es Dobbert – und auch vielen Mitgliedern der Kammerversammlung – schwer, sich von der ABDA noch gut vertreten zu fühlen. Es besteht der Eindruck, es gehe zunehmend um Interessen großer Apotheken und Verbünde – nicht mehr um jede Apotheke. Doch nach all den herben Enttäuschungen steige am Horizont nun offenbar „ein neuer Stern empor, der uns die Zukunft erleuchten soll“, so Dobbert weiter. Gemeint ist das Leitbild für die öffentliche Apotheke. Dieser „ABDA-Stern“, so der Kammerpräsident, gebe den Apotheken einen neuen Grund, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Er selbst hat allerdings seine Zweifel, ob die deutschen Apotheker wirklich ein neues Image – und eine Kampagne hierfür – brauchen. Er gibt zu bedenken: In den letzten Jahren belegten die Apotheker immer einen der obersten Plätze in den Rankings der vertrauenswürdigen Berufsgruppen: „Wir erfahren jeden Tag die Wertschätzung unserer Patientinnen und Patienten“, so Dobbert. Dass die in der Bevölkerung ebenfalls sehr geschätzten Feuerwehrleute, Krankenschwestern, Piloten oder Ärzte ihr Leitbild debattiert hätten, habe er jedenfalls nicht gehört. Daher fragt er sich, ob die Leitbilddiskussion möglicherweise nur vorgeschoben sein könnte, um Leistungserweiterungen und Honorarforderungen begründen zu können.
Dobbert warnt: „Wenn der Hintergrund des neuen Leitbildes mehr Geld ist, dann werden wir scheitern.“ Die insgesamt eingeplanten 6 Millionen Euro für die Kampagne könnten aus seiner Sicht besser verwendet werden. Etwa in eine Machbarkeitsstudie zur stratifizierten Pharmakotherapie, wie sie die Brandenburger Kammer 2012 beim Apothekertag gefordert hatte – erfolglos, weil dies für die Bundesapothekerkammer nicht zu stemmen sei, wie es hieß.
Dass Apothekerinnen und Apotheker ihre Arbeit weiterentwickeln und anpassen müssen, stellt Dobbert indes nicht infrage. Dies sei Grundvoraussetzung für jeden Beruf und hierzu seien viele Kollegen auch bereit. Eine neue Imagekampagne bräuchten sie dafür nicht. „Wir sollten endlich anfangen, selbstbewusster aufzutreten und uns nicht immer selber kleinreden oder kleinreden lassen“, fordert der Kammerpräsident. Endlich wieder ein „Wir-Gefühl“ im Berufsstand spüren und dieses auch tagtäglich leben – das ist seine Vision. Und diese sähe er auch gerne in der ABDA. Die ABDA müsse anfangen – und zwar mit Nachdruck – der Politik zu vermitteln, was die Apotheken für Null Euro für andere erledigten. Und: sie müsse dafür sorgen, dass der Apotheker als Heilberufler anerkannt wird. „Ein erster Schritt wäre die Entfernung des ‚eingetragenen Kaufmanns‘ auf unseren Briefköpfen“. Doch Dobbert fürchtet, man werde sich in den kommenden Monaten vor allem mit sich selbst beschäftigen.
Auch wenn ihn so manches am Prozedere verwundert, appellierte Dobbert letztlich doch an die Mitgliederversammlung: „Ich kann Sie nur ermuntern, sich an der Leitbilddiskussion zu beteiligen und sie nicht zur Leidbilddiskussion verkommen zu lassen.“ Das Geld sei sowieso schon ausgegeben.
Staatssekretärin besucht Landapotheke
Almuth Hartwig-Tiedt, Gesundheits-Staatssekretärin in Brandenburg, hat sich am 29. November einen Einblick in die Arbeit einer Landapotheke verschafft. Auf Einladung der Apothekerkammer und des Apothekerverbandes Brandenburg besuchte sie die Jasmin-Apotheke in Senzig im Südwesten von Berlin. Auch Kammerpräsident Jens Dobbert kam dorthin.
Dobbert und die Verbandsvorsitzende Dr. Andrea Lorenz hatten schon im vergangenen Jahr sowohl die Brandenburgische Gesundheitsministerin Anita Tack als auch die Staatssekretärin Hartwig-Tiedt (beide Die Linke) eingeladen, sich einmal anzusehen, wie es wirklich in einer Apotheke aussieht, welche Arbeiten anfallen und welche Sorgen und Nöte speziell Landapotheken haben. Hartwig-Tiedt nahm die Einladung nun wahr und besuchte Apothekerin Dr. Renate Jährling und ihre Mitarbeiter in Senzig.
In der Apotheke zeigte Hartwig-Tiedt sich positiv überrascht, dass eine Beratungsecke existiert und von den Patienten auch gut angenommen wird. Die Staatssekretärin informierte sich überdies, mit welchem Aufwand Rezepturen hergestellt werden, angefangen von der Plausibilitätsprüfung bis zu den umfangreichen Dokumentationspflichten. Dobbert erläuterte der Staatssekretärin überdies, wie sich ein Rezepturpreis zusammensetzt: Krankenkassen und Staat partizipieren zwar, aber beim Apotheker bleibe nicht viel hängen. Offenbar nahm auch Hartwig-Tiedt die Herstellung von Rezepturen als sehr aufwendig wahr und fragte nach Lösungsmöglichkeiten.
Weitere Themen waren Rabattverträge, Lieferschwierigkeiten, die Erfüllung der Reimportquote. Auch das Thema Schmerzpumpen wurde angesprochen – für die Brandenburger Apotheker ein weiterer „kritischer Punkt“ der Apothekenbetriebsordnung. Nach den heutigen Vorgaben der Verordnung können „normale“ öffentliche Apotheken, die nicht die strengen Voraussetzungen für die Parenteralia-Herstellung erfüllen, keine Schmerzpumpen mehr befüllen.
Hartwig-Tiedt sagte zu, ein Gespräch mit dem Landesamt zu führen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Dass die Landapotheken „eine wichtige Funktion in der Gesundheitsversorgung“ haben, ist der Staatssekretärin jedenfalls bewusst: Sie erklärte: „Patientinnen und Patienten vor Ort sind auf sie angewiesen, insbesondere was Beratung und guten Service angeht.“
Ein kleines gallisches Dorf im ABDA-Reich?
Dem Bericht des Präsidenten folgte eine leidenschaftliche Diskussion – die allerdings aufzeigte, dass der Graben zwischen den Brandenburger Apothekern und ihrer Vertretung auf Bundesebene tief ist. Man fühlt sich als „kleines gallisches Dorf“ im großen ABDA-Reich. Zu abgehoben werden Geschäftsführung und Vorstand wahrgenommen – zu entfernt von den Problemen der kleineren Apotheken. Zugleich wurde die enge Bindung der einzelnen Apothekerinnen und Apotheker an die eigene Landesapothekerkammer als erhaltenswerte Besonderheit herausgestellt. Es kam sogar die Idee auf, die Beiträge der Kammer Brandenburg an die ABDA zu kürzen, um den eigenen Unmut über die Arbeit der ABDA klar kundzutun. Doch so weit will Dobbert nicht gehen. Isolieren will man sich in Brandenburg nicht – man wünscht sich jedoch ein offeneres Ohr.
Andrea Lorenz, Vorsitzende des Apothekerverbandes Brandenburg, verteidigte zudem die Leitbilddiskussion. Zwar sieht auch sie es kritisch, dass der Geschäftsführende ABDA-Vorstand allein entschied, für die Entwicklung der Kampagne eine Agentur zu beauftragen. Dennoch: Das Leitbild zu diskutieren, sei eine legitime Aufgabe der Standesführung. Ein Berufsstand müsse durchaus darüber nachdenken, wohin er wolle. Auch ein Blick über die nationalen Grenzen hinaus sei richtig. „Wir wollen doch nicht nur Knechte der Krankenkassen sein“, so Lorenz. Apotheker müssten mehr Verantwortung übernehmen – schließlich haben sie viel Wissen, das nicht verschüttet werden sollte.
Wie groß die Kluft zwischen den Brandenburgern und der ABDA wirklich ist, wird sich möglicherweise diesen Donnerstag zeigen. Am 5. Dezember steht die abschließende Beratung der Apothekertags-Anträge aus Brandenburg bei der ABDA-Mitgliederversammlung an. Doch die Chancen sehen aus Sicht der Landesapothekerkammer nicht allzu gut aus: Die Beschlussempfehlungen lauten fast sämtlich, dass die Anträge nicht weiter verfolgt werden sollten. Eine Ausnahme ist der Antrag, die Voraussetzungen für die Befüllung von Schmerzpumpen wieder zu lockern. Auch die Problematik der Barrierefreiheit soll nicht direkt untergehen. Es wird sich zeigen, wie am 5. Dezember entschieden wird.
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