Internethandel

Bereicherung zulasten der GKV

Private Arzneimittelverkäufe im Internet sollten explizit verboten werden

Eine Analyse von Janna K. Schweim | Seit Anfang 2013 beobachtet der Verein „Freie Apothekerschaft“ diverse Internetportale und zeigt Auktionen verschreibungs- und apothekenpflichtiger Arzneimittel, die von Laien ins Netz gestellt werden, bei den zuständigen Behörden und den Betreibern der Portale an [1]. Die Staatsanwaltschaft Zwickau stellte Anfang September 2013 ein Verfahren gegen eine eBay-Händlerin ein, die zehn Fertigspritzen des verschreibungspflichtigen Präparats Clexane (Enoxaparin) verkauft hatte (DAZ Nr. 49, S. 22). Die Begründung, warum der Beschuldigten ein strafbares Verhalten nicht nachgewiesen werden konnte, erscheint allerdings fragwürdig.

Gemäß Arzneimittelgesetz wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer „entgegen § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 oder 3 Satz 1 mit Arzneimitteln, die nur auf Verschreibung an Verbraucher abgegeben werden dürfen, Handel treibt oder diese Arzneimittel abgibt“ (§ 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG). Die Kernaussage von § 43 AMG lautet, dass – abgesehen von einigen Ausnahmen – die Abgabe von Arzneimitteln an Endverbraucher nur in Apotheken erfolgen soll (sog. Apothekenpflicht).

Kritikpunkte

Zuzustimmen ist der Staatsanwaltschaft Zwickau darin, dass der einmalige Verkauf von Arzneimitteln über ein Versteigerungsportal im Internet nicht unmittelbar als berufs- oder gewerbsmäßige Abgabe im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG betrachtet werden kann, da unter gewerbsmäßigem Inverkehrbringen eine auf Dauer angelegte Erwerbstätigkeit zu verstehen ist. Als erfüllt anzusehen ist hingegen der Tatbestand des § 43 Abs. 3 Satz 1 AMG, da ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel außerhalb einer Apotheke abgegeben wird. Denn ein Privatanbieter besitzt keine behördliche Erlaubnis zum Arzneimittelhandel, wie sie einer Versandapotheke erteilt werden kann.

Gänzlich übersehen hat die Staatsanwaltschaft Zwickau offenbar die Vorschrift des § 43 Abs. 1 Satz 2 AMG: Diese besagt, dass außerhalb von Apotheken kein Handel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln getrieben werden darf. Dieses Verbot gilt ausdrücklich auch für eine Arzneimittelabgabe, die zwar nicht berufs- oder gewerbsmäßig, aber entgeltlich erfolgt [2]. Der Begriff des „Handeltreibens“ soll so zu verstehen sein wie im Betäubungsmittelrecht [3] und umfasst jede eigennützige, auf Umsatz gerichtete Tätigkeit, d.h. auch einen einzelnen Verkauf. Laut Gesetzesbegründung beabsichtigte der Gesetzgeber mit der Schaffung dieser Vorschrift insbesondere, den Missbrauch von Arzneimitteln als „Ersatzdrogen“ zu verhindern [4].

Gegen § 43 Abs. 1 Satz 2 AMG verstößt auch die Versteigerung apothekenpflichtiger Arzneimittel im Internet [5]. Schon die Bereitstellung des Arzneimittels auf der Internetplattform und die Durchführung der Versteigerung erfüllen den Tatbestand, erst recht der erfolgte Verkauf des Arzneimittels.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) muss zur Entgeltlichkeit des Geschäfts auch noch eine Gewinnerzielungsabsicht hinzukommen [6]: „So erscheint es nach Maßstäben der praktischen Vernunft als ausgeschlossen, dass jemand ein legal erworbenes apothekenpflichtiges Medikament, für das er selbst Bedarf hätte, unter Verlust versteigern möchte. Dagegen könnte es dem Einzelnen als sinnvoll erscheinen, ein Medikament, welches er mit oder ohne Kassen- oder Versicherungsleistung erhalten hat, aber nicht mehr benötigt, zu veräußern, statt es zu vernichten. Der damit verbundene Wertgewinn ist das unmittelbare Motiv des Verkaufs, der Verkäufer handelt mit der Absicht der Gewinnerzielung.“

Aus den genannten Gründen machen sich Privatverkäufer von apotheken- und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im Internet – entgegen anderslautender Auslegung der Staatsanwaltschaft Zwickau – sehr wohl nach dem Arzneimittelgesetz strafbar.

Schädigung der GKV

Ein weiterer Aspekt privater Arzneimittelverkäufe im Internet sei hier ebenfalls angesprochen: Durch sie könnten die Krankenkassen einen nicht unerheblichen finanziellen Schaden erleiden. Alle Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zahlen Beiträge und haben im Krankheitsfall Anspruch auf die Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (§ 35 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Nachdem der Versicherte das Medikament erhalten hat, erfolgt die Abrechnung mit der Krankenkasse. Ein Patient, der sich ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel zulasten der GKV verordnen und aushändigen lässt und es nicht bei sich selbst anwendet, sondern weiterverkauft, bereichert sich auf Kosten des deutschen Gesundheitssystems und aller anderen Versicherten und handelt zumindest unsolidarisch.

Anfang 2013 wurde ein Bericht des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung bekannt, wonach die Krankenkassen in den Jahren 2010 und 2011 etwa 53.000 Verdachtsfällen von Fehlverhalten im Gesundheitswesen nachgingen [7]. Erfasst wurden mutmaßliche Vergehen sämtlicher Leistungserbringer: Ärzte und Krankenhäuser, Sanitätshäuser, Optiker, Hörgeräteakustiker, Apotheker, Hebammen und Physiotherapeuten; auch gegen Versicherte wurde ermittelt. Typische Fälle betrafen die Abrechnung nicht erbrachter Leistungen, die Abgabe gefälschter Arzneimittel, Urkundenfälschung, die Abrechnung von Leistungen ohne die erforderliche Qualifikation oder die Erbringung von Leistungen ohne Indikation. Fälle des privaten Weiterverkaufs abgerechneter Arzneimittel wurden allerdings nicht explizit erwähnt.

Eine Untersuchung des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie der Universität Hannover aus dem Jahr 2009 betraf das Thema „Betrug in der gesetzlichen Krankenversicherung“ [8]. Zu den untersuchten Betrugsfällen in der GKV zählen insbesondere Falschabrechnungen durch die Leistungserbringer. Als kriminelles Fehlverhalten von Versicherten und anderer Personen wurden die missbräuchliche Benutzung der Krankenversichertenkarte und Rezeptfälschungen genannt. Dagegen kommt der private Verkauf von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in der Untersuchung nicht vor.

Gesetzeslücke?

Ein kriminelles Zusammenwirken zwischen Arzt, Apotheker und Versichertem liegt vor, wenn durch vorgetäuschte Arzneimittelverschreibungen falsche Abrechnungen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung eingereicht werden [9]. Wie aber ist es zu beurteilen, wenn Arzt und Apotheker aus ihrer fachlichen Sicht ein Arzneimittel zu Recht verschrieben bzw. abgegeben haben und anschließend mit der Krankenkasse abrechnen, während der Patient dieses Arzneimittel verkauft?

Es entsteht der Eindruck, dass hier eine Gesetzeslücke existiert, die von den unsolidarischen Patienten unbehelligt ausgenutzt werden kann. Somit liegt zumindest die Vermutung nahe, dass auf diesem Wege dem deutschen Gesundheitssystem große Summen unbemerkt abhandenkommen können. Eine sorgfältige Auseinandersetzung mit dieser Problematik wird daher dringend empfohlen.

Quelle

[1] www.freie-apothekerschaft.de/freieapo.php?Aufgabe=Wir_decken_auf.

[2] Hofmann, H.-P. in: Kügel/Müller/Hofmann. Arzneimittelgesetz Kommentar, § 43 Rn. 28.

[3] BGH, Beschluss vom 26.10.2005, Az. GSSt 1/05.

[4] BTags-Drucksache 13/9996, S. 16.

[5] BayVGH, Beschluss vom 10.10.2005, Az. 25 CS 05.1427.

[6] BGH, Urteil vom 03.07.2003, Az. 1 StR 453/02.

[7] Korzilius, H. Fehlverhalten im Gesundheitswesen – Kassenbericht schlägt Wellen. Dtsch Ärztebl 2013; 110(5): 169.

[8] Homann, D. Betrug in der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine empirische Untersuchung über vermögensschädigendes Fehlverhalten zulasten der Solidargemeinschaft. Forum Verlag Godesberg, Mönchengladbach 2009.

[9] Rybarczyk, C. „Luftrezepte“ – so betrügen Ärzte und Apotheker die Kassen. Hamburger Abendblatt vom 04.04.2007.

 

Autorin

Dipl.-Jur. Janna K. Schweim, M.Sc.

Rechtsanwältin

Mevissenstr. 8, 50668 Köln

kanzlei-jschweim@arcor.de

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.