Fortbildungskongress

Makro-, Mikro-, Nanosilber – moderne Gewänder einer antiken mikrobiellen Substanz

Die antimikrobielle Wirkung von Silber gilt heute als gesichert, erläuterte Professor Rolf Daniels, Pharmazeutischer Technologe aus Tübingen. So verwundert auch nicht, dass die einzige Anwendung als Arzneimittel heute silberhaltige Cremes zur Prophylaxe von Wundinfektionen nach Verbrennungen und Verbrühungen sind – trotz einer langen Geschichte des Silbers in der Medizin von der Antike bis zur Credéschen Augenprophylaxe mit Silbernitratlösung bei Neugeborenen.
Prof. Dr. Rolf Daniels, Tübingen Foto: DAZ/wes

In der Literatur finden sich stark schwankende Angaben über die minimale Hemmkonzentration von Silber, die von 2 ng/l bis über 100 µl/ml reichen. Zu beachten ist, dass Silber eine relativ lange Einwirkzeit benötigt, um eine merkliche Keimreduktion zu erzielen.

Silberionen greifen verschiedenste bakterielle Zielstrukturen an: Sie inhibieren die Zellwandbildung, blockieren Signalpeptide, binden an die Zellmembranoberfläche, interkalieren in die DNA, verhindern die Bildung von Biofilmen, führen zur Bildung freier Radikale und binden an die Thiolgruppen bakterieller Enzyme. Durch diese unspezifische Wirkung hat Silber ein breites Wirkspektrum gegen Pilze, Hefen, gramnegative und -positive Bakterien. Resistenzen sind bisher nur wenige bekannt.

Für die antimikrobielle Wirkung sind Silberionen nötig, die sich aus elementarem Silber unter Einfluss von Wasser, Salzen und polaren Gruppen bilden. Da es sich um eine Oberflächenreaktion handelt, ist die Bildung der Ionen, und damit die Wirkstärke, von der spezifischen Oberfläche abhängig – und diese wiederum von der Partikelgröße. Anhand der Größe der eingesetzten Silberpartikel unterscheidet man Makrosilber, Mikrosilber und Nanosilber.

Makrosilber

Unter Makrosilber versteht man Teilchen mindestens im Millimeterbereich, beispielsweise Silberfäden. Diese werden unter anderem in Textilien eingewebt, um eine Geruchsentwicklung durch bakterielle Zersetzung des Schweißes zu verhindern.

Mikrosilber

Silber-Mikropartikel (Durchmesser circa 10 µm, spezifische Oberfläche 5 bis 10 m2 /cm3) werden bei der Lebensmittelproduktion, -verpackung und -lagerung eingesetzt, für sterile Farben und Lacke in Krankenhäusern, Großküchen usw., als Beschichtung für Wasseranlagen (Rohre, Tanks usw.), aber auch für Konsumgüter wie Armbänder, keimfreie Sprays und vieles mehr. Es sind unzählige (pflegende) Kosmetika auf dem Markt, die Mikrosilber enthalten. Ein rationelles Einsatzgebiet für diese Produkte ist die neurodermitische Haut, da Mikrosilber gegen Staphylokokkus aureus wirkt und so den Hautzustand verbessert. Da Studien zeigen konnten, dass Mikrosilber praktisch nicht durch die Haut penetriert, könne diese Anwendung auch als sicher eingestuft werden, so Daniels. Da die Studien zur Wirksamkeit aber mit sehr kleinen Probandenzahlen und oft ohne entsprechende Kontrollgruppen durchgeführt wurden, haben Silber-haltige Pflegeprodukte keine Aufnahme in entsprechende Leitlinien gefunden.

Nanosilber

Silber-Nanopartikel (Durchmesser < 100 nm, spezifische Oberfläche > 60 m2 /cm3) setzen deutlich mehr Silberionen frei als Mikrosilber. Auch Nanosilber hat unzählige Anwendungen gefunden, von der Beschichtung von Arbeitsflächen und Fußböden über den Einsatz in Filtern, Rohren und Textilien bis zu Kosmetika, Hygieneartikeln und medizinischen Geräten.

Auch im DAC und den Arzneibüchern findet sich kolloidales Silber, teilweise als Silber-Eiweiß-Komplex. Dabei dürfte die Wirksamkeit von Formulierungen mit viel Eiweiß und wenig Silber laut Daniels als eher mild einzustufen sein.

Sicherheit

Silber an sich ist nur in sehr hohen Dosen oder lang andauernder Exposition gesundheitsschädlich. Eine Intoxikation äußert sich in Geschmacks- und Geruchsstörungen sowie zerebralen Krampfanfällen. Silber ist hepato- und nephrotoxisch und kann allergen sein. Die durch langfristige Silberexposition auftretende Argyrie (Einlagerungen metallischen Silbers in der Haut) ist unschädlich, aber die Graufärbung der Haut kann für die Patienten extrem belastend sein. Die Einschätzung der Sicherheit von Nanosilber sei schwierig, so Daniels. Da es wie alle Nanopartikel gut in Zellen eindringt, rät das Bundesamt für Risikobewertung von einem breiten Einsatz ab.


wes



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DAZ 2013, Nr. 7, S. 60

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