Gesundheitspolitik

Alles rund ums Auge

„Ich sehe was, was Du nicht siehst“ oder die Kunst, mit offenen Augen durchs Leben zu gehen

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

Erstaunlich viele Redewendungen beschäftigen sich mit dem Auge. Wenn etwas milde beurteilt wird oder gar nachsichtig behandelt, wird ein Auge zugedrückt, wenn man etwas ganz bewusst nicht wahrhaben will, dann werden die Augen verschlossen und wenn sich ein plötzlicher Erkenntnisfortschritt einstellt, fällt es wie Schuppen von den Augen. Jemandem die Augen zu öffnen, soll bedeuten, dass ihm die – manchmal auch bittere – Wahrheit eröffnet wird. In die Augen springen, ein Auge auf etwas haben bzw. richten, etwas ins Auge fassen oder jemanden im Auge behalten, entstammen alle der gleichen Idee, etwas auf gar keinen Fall unbeobachtet zu lassen, sondern sich dieser Angelegenheit ständig anzunehmen. Schließlich kann man etwas oder jemanden aus den Augen verlieren, wenn ein bislang bedeutender Punkt offensichtlich in Vergessenheit gerät. Auch der Ausdruck „ein böses Auge haben“ soll verdeutlichen, dass jemand einen bösen Blick haben kann, also Gefahr vermittelt oder gar Unheil. Wenn die Emotionen einen Menschen überkommen, gehen „einem die Augen über“ und wenn alle gerührt oder betroffen sind, dann „bleibt kein Auge trocken“. Große Augen macht man, wenn etwas Besonderes gar Unvorhergesehenes passiert, und „Sand streut man einem anderen in die Augen“, wenn man ihn täuschen möchte. Dass das dann auch noch „hätte ins Auge gehen können“ soll aufzeigen, dass das Angesprochene eine schlimme Wendung hätte nehmen könnte. Und „unter vier Augen“ werden ganz persönliche Dinge besprochen.

Die Vielfalt dieser Redewendungen rund um die Augen zeigt wie variantenreich das Organ eingesetzt werden kann. Da das Sehen einen der Sinne repräsentiert, hat es diese immense Bedeutung, auch im übertragenen Sinne. Denn ich sehe was, was Du nicht siehst, soll ja andeuten, dass man zwar mit offenen Augen durchs Leben geht, aber doch nur selektiv wahrnimmt. Apotheker haben in den letzten Jahren bisweilen das Wesentliche aus den Augen verloren, ihre heilberufliche Kompetenz, vielleicht auch, weil allzu viel ökonomischer Sand zuerst in ihre Augen, später durch manches Kostendämpfungsgesetz in ihr Getriebe gestreut wurde. Lange hat es gedauert, bis das Verhältnis zu anderen Akteuren im Kontext Arzneimitteldistribution neu justiert wurde, weil zunächst Augen zugedrückt, danach oftmals verschlossen, um später beispielsweise wie im Fall der Politik oder der Krankenkassen verschärft ins Auge gefasst zu werden oder im Auge behalten wurden. Bei den Gesetzesvorhaben der letzten Jahre mit den bekannten Auswirkungen auf Apotheken blieb in der Tat kein Auge trocken, aber nicht aus Rührung oder Dankbarkeit, wohl eher aus Verwunderung und Verärgerung. Ob es eher große Augen der Standesvertretung waren oder ob man gleich den Verhandlungspartnern ein böses Auge anzudichten hatte, mag Interpretationsspielräume aufzeigen, es ist und bleibt schwierig.

Unter vier Augen laufen sowohl die Gespräche mit den Kunden als auch mit den Mitarbeitern. Dies ist ein Markenzeichen von Apotheken, dass im Hinblick auf die Befindlichkeiten der Patienten die Intimsphäre zu wahren versucht wird. Und auch das Verhältnis von Ärzten und Apothekern wird allzu häufig mit der beliebten Augenhöhe umschrieben, die entweder erreicht wurde oder eben gerade nicht. Denn wer schaut gerne zu einem anderen auf, ohne Not. Aus Sicht der Apotheker wären sie gerne den Ärzten „aus den Augen geschnitten“, also ähnlich, nicht gleich, aber im Zusammenspiel auf besagter Augenhöhe. Manchmal können die Apotheker aber ihren eigenen Augen nicht trauen und fragen sich, was sie schon wieder verbrochen haben, wenn man die Entwicklungen der letzten Jahre sieht. Mit sehendem Auge wird nun ein Leitbild erstellt, damit es allen Partnern wie Schuppen von den Augen fällt, wovor diese lange die Augen verschlossen hatten: die eindrückliche und eindrucksvolle Kompetenz des Berufsstandes Apotheker. Hier immer wieder die eigenen Augen zu öffnen, um sie auch bei anderen öffnen zu können, war und ist ein wichtiger Baustein der Öffentlichkeitsarbeit von Apothekern. Die neue Regierung wird demnach mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu begleiten sein. Lachend, weil keine neuen Einschläge zu drohen scheinen, weinend, weil dies auch nichts Verheißungsvolles an der ökonomischen Front verspricht.

Die Rubrik „der Apothekenökonom“ soll Apothekern übrigens die Augen öffnen und dies regelmäßig ca. alle drei Wochen, damit nicht gilt: aus den Augen, aus dem Sinn. 

Andreas Kaapke

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