Arzneimittel und Therapie

Schlaganfallprophylaxe um jeden Preis?

Zu häufig Statine für Ältere

ck | Hoher Blutdruck wird bei älteren Patienten nicht mehr als der entscheidende Faktor für die Entstehung eines Schlaganfalls gesehen, und der Einfluss zu hoher Cholesterin-Werte auf das Schlaganfallrisiko wird nur als gering eingeschätzt. Und doch steigen die Verordnungszahlen der Statine, gerade bei Älteren. Der Mediziner Kit Byatt stellt daher die Frage, ob die älteren Patienten nicht übertherapiert werden?

Die größten Studien, die bisher eine antihypertensive Therapie und den Einsatz von Statinen zur Vermeidung kardiovaskulärer Ereignisse untersucht hatten, zeigten, dass bei älteren Patienten das Schlaganfallrisiko nur marginal reduziert werden konnte. Auch andere kardiovaskuläre Ereignisse sanken nur in sehr geringem Umfang: Sowohl die PROSPER-Studie als auch die HYVET-Studie zeigten, dass die Behandlung mit Statinen bzw. Antihypertonika bei über 70-Jährigen das relative Risiko eines Herzinfarktes oder Koronartodes senkte, das Schlaganfallrisiko ging jedoch nicht zurück. In die HYVET-Studie (HYVET = Hypertension in the Very Elderly Trial, Treatment of Hypertension in Patients 80 Years of Age or Older; Beckett NS et al. for the HYVET Study Group. N Engl J Med 2008; 358: 1887-1898) waren 3845 Teilnehmer mit einem durchschnittlichen Alter von 83 Jahren und sieben Monaten eingeschlossen. Sie erhielten entweder Placebo oder Indapamid und zusätzlich Perindopril. Die Number Needed to Treat (NNT) betrug 94 über zwei Jahre, um einen Schlaganfall zu verhindern, um ein nicht-tödliches kardiovaskuläres Ereignis zu verhindern, lag die NNT sogar bei 450 über zwei Jahre. Um ein kardiales Ereignis zu verhindern betrug die NNT 50 über zwei Jahre. In die PROSPER-Studie (PROSPER = Prospective Study of Pravastatin in the Elderly at Risk; Shepherd J et al. Pravastatin in elderly individuals at risk of vascular disease (PROSPER): a randomised controlled trial. Lancet 2002; 360, 1623 - 1630) wurden 5804 Personen im Alter zwischen 70 bis 82 Jahren eingeschlossen. Sie ergab unter 40 mg Pravastatin über drei Jahre eine signifikante Reduktion des zusammengesetzten primären Endpunktes (tödlicher und nicht tödlicher Schlaganfall oder kardiale Ereignisse), die NNT betrug 59 über drei Jahre. Wie relevant sind diese Ergebnisse, für über 80-jährige Patienten? Kit Byatt, Autor einer „Pespective“ im Journal „Evidence Based Medicine“, ist Arzt am Departement für Geriatrische Medizin am County Hospital in Hereford (UK). Er betont, dass bei den Patienten im höheren Alter viel mehr Aufmerksamkeit der Morbidität geschenkt werden sollte. Ältere, multimorbide Patienten äußerten viel größere Angst vor der Vorstellung, noch mehrere Jahre krank und bettlägerig zu leben, als schnell zu sterben. Die Einstellung gehe oft nicht konform mit der der behandelnden Ärzte, die eine Lebensverlängerung als das Ziel sehen, das um jeden Preis – auch mit der Gabe vieler Arzneimittel – erreicht werden soll. Doch reicht die verbleibende Lebenszeit dieser Patienten aus, damit der Nutzen von CSE-Hemmern bzw. Antihypertonika im Hinblick auf das Schlaganfallrisiko überhaupt zum Tragen kommt? Nach der Erfahrung von Byatt würden die meisten Patienten lieber ihre Polymedikation inklusive der damit verbundenen unerwünschten Wirkungen reduzieren und dafür auf einen nur minimalen Nutzen in Bezug auf die Lebenszeit verzichten. 

Quelle

Byatt K. Overenthusiastic stroke risk factor modification in the over-80s: Are we being disingenuous to ourselves, and to our oldest patients? Evid Based Med 2014. Online First, 26. Februar 2014, 10.1136/eb-201P3e-r1s0p1e6c4ti6

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