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Kooperationen
Erfolgsfaktor Apothekenkooperation?
Ausschnitt aus einer empirischen Untersuchung zu Apothekenkooperationen
Wenn die Kooperationsmitgliedschaft ein Indikator für die Beliebtheit von Apothekenkooperationen darstellt, erfreuen sich diese in einem hohen Maß an Beliebtheit. Seit 2007 liegt der Anteil der in einer Kooperation organisierten Apotheken bei rund 76 Prozent. Dass allein die fünf mitgliederstärksten Kooperationen nach eigenen Angaben über eine Anzahl von mehr als 19.000 Mitgliedern verfügen, erklärt sich über die Mitgliedschaft in mehreren Kooperationen. Ohne eine Doppelmitgliedschaft würden allein die fünf Apothekenkooperationen mehr als 90 Prozent der stationären Apotheken abdecken. Bei Kooperationen handelt es sich um eine auf freiwilliger Basis konstituierte, im Regelfall vertraglich geregelte Zusammenarbeit rechtlich selbstständiger Unternehmen. Neben den bereits kurz skizzierten verschiedenen Leistungsportfolios lassen sich die Apothekenkooperationen insbesondere beim Einkauf in großhandelsunabhängige und großhandelsabhängige differenzieren. Ziel einer Kooperation ist die Absicherung bzw. Verbesserung der individuellen Leistungsfähigkeit der Kooperationsmitglieder. Nachweisbar ist die seit dem GMG 2004 deutlich zunehmende Anzahl der Mitglieder in Apothekenkooperationen. Ein Erklärungsansatz für die bislang zunehmende Beliebtheit von Apothekenkooperationen seit dieser Zeit ist die mehrheitlich als massivste Änderung des Wettbewerbsdrucks empfundene regulative Maßnahme in Form des GMG 2004 in der Zeit von 1970 bis 2008.
Die Frage der Absicherung bzw. Verbesserung der eigenen Leistungsfähigkeit war neben einer Vielzahl weiterer Fragestellungen Gegenstand einer empirischen Studie. Dargestellt wird im Folgenden der Ausschnitt der empirischen Untersuchung zu Apothekenkooperationen.
Zur Methodik
Die empirische Studie basiert auf einer Fragebogenerhebung mit offenen und geschlossenen Fragen zur wahrgenommenen wirtschaftlichen Situation sowie zum Wettbewerbsverhalten stationärer öffentlicher Apotheken (= Inhaberin/Inhaber) in Deutschland. Versandhandelsapotheken wurden in die Untersuchung nicht einbezogen. Filialapotheken wurden als eine separate Apotheke in der empirischen Untersuchung behandelt. Es wurde unter anderem untersucht, welche Auswirkungen die Konkurrenzsituationen, die Offensivbereitschaft mit dem Innovationsgrad, der Standort sowie die Kooperationsbereitschaft auf den wirtschaftli-chen Erfolg haben.
Als Erfolgsfacetten wurden für die hier dargestellten Ergebnisse die Umsatzgröße mit der Abfrage verschiedener Umsatzanteile und die Umsatzrentabilität verwendet. Zur letzteren Erfolgsfacette wäre die treffendere Größe das prozentuale Rohergebnis gewesen. Im Rahmen des Pretest hat sich diese Größe in der Abfrage als nicht praktikabel erwiesen. Die Umsatzrentabilität wurde als Erfolgskomponente abgefragt, da diese in allen betriebswirtschaftlichen Auswertungen enthalten ist. Von den insgesamt mittels Zufallsauswahl selektierten Apotheken von 21.679 zum Erhebungszeitpunkt wurden insgesamt 2168 Probanden angeschrieben. Zwei Fragebögen wurden unausgefüllt mit einem Anschreiben zurückgesandt. Ein persönlicher Kommentar darunter machte deutlich, dass es doch wohl keinen Wettbewerb für Apotheker mehr gebe. Aus den Versendungen konnten 289 auswertbare Fragebögen generiert werden. Die Rücklaufquote der beiden Versendungen belief sich damit auf 13,33 Prozent. Zentral für Aussagen der induktiven Statistik ist die Repräsentativität der Stichprobe. Für die Überprüfung wurde primär abgestellt auf die Verteilung der Apotheken in der Stichprobe im Vergleich zur Verteilung nach Angaben des Statistischen Bundesamtes. Wie sich aus der hohen Korrelation ergab, deckten sich beide Erhebungseinheiten deutlich. Der Fragebogen umfasste insgesamt 37 offene und geschlossene Fragen.
Fragestellung und Hypothese
Die Probanden sollten anhand der nachstehenden Frage Auskunft über ihre Kooperationsintensität erteilen.
Frage: Können Sie sich vorstellen oder beabsichtigen Sie, zukünftig mit anderen Apothekern oder Pharmaunternehmen zu kooperieren, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen?
Die Antwortalternativen umfassten das Spektrum von „Grundsätzlich nicht“ bis „Bereits geübte Praxis“. Zudem konnten die Probanden Hinweise zu gesammelten Erfahrungen mit Kooperationen angeben.
Im Zentrum der Auswertung stand die aus den Leitideen entwickelte Hypothese, dass Apotheken die Mitglied in einer Apothekenkooperation sind, wirtschaftlich erfolgreicher sein müssten als Apotheken ohne Anbindung an eine Apothekenkooperation. Die zentrale Hypothese lautete: Kooperierende Apotheker sind erfolgreicher.
Im Hinblick auf die Erfolgsfacette Umsatzgröße mit der Abfrage der verschiedenen Umsatzanteile wurden die Produktbereiche in Prozent wie nachstehend abgefragt:
- Umsatz aus Ergänzungssortiment (Körperpflegemittel/Nahrungsergänzung)
- Verordnungsumsatz rezeptpflichtiger Arzneimittel (Rx)
- Verordnungsumsatz rezeptfreier Arzneimittel (OTX)
- Endverbraucherumsatz rezeptfreier Arzneimittel (OTC).
Bei den Größenklassen wurde unterschieden nach Apotheken mit Umsätzen (netto) unterhalb von 1250 TEUR, von 1250 TEUR bis einschließlich 2400 TEUR und größer als 2400 TEUR.
Ergebnisse
Die Befragten sollten anhand der im vorherigen Abschnitt gestellten Frage Auskunft darüber erteilen, inwieweit sie sich vorstellen können oder beabsichtigen, zukünftig mit anderen Apothekern oder Pharmaunternehmen zwecks Erzielung von Wettbewerbsvorteilen zu kooperieren bzw. ob sie bereits über Erfahrungen verfügen. Rückmeldungen lagen nahezu vollständig vor (287 Fälle, N=2 missing data). Das erhaltene Befundmuster auf der Grundlage der absoluten und relativen Häufigkeiten sowie des ergänzenden Median geht aus Tabelle 1 hervor.
Erstaunlich ist das empirisch ermittelte Ergebnis im Hinblick auf Kooperationen. Bei lediglich 30,31 Prozent sind Apothekenkooperationen bereits geübte Praxis. Dieser Befund steht im krassen Widerspruch zu den rund 76 Prozent in Kooperationen gebundenen Apotheken, von denen – wie ausgeführt – berichtet wird, und den allein mehr als 19.000 Mitgliedern in den fünf größten Kooperationen. Eine exklusive Mitgliedschaft kann unter Einbeziehung der weiteren Apothekenkooperationen verneint werden. Die Tendenz zu Mehrfachkooperationen sowie die fehlende wettbewerbliche Disposition – insbesondere bei kostenpflichtigen Kooperationen – vermag die erhebliche Abweichung in der empirischen Untersuchung nicht vollständig zu erklären. Zu Ausführungen über mögliche Erklärungsansätze wird auf den letzten Abschnitt verwiesen. Rund 27% können sich eine Mitgliedschaft in einer Kooperation prinzipiell vorstellen. Ca. 21% stehen Kooperationsformen ablehnend gegenüber und rund 22,0% können sich dies punktuell vorstellen.
Sodann konnten die Probanden freie Hinweise zu bereits gesammelten Erfahrungen mit Kooperationen erteilen. N=123 Probanden machten von dieser Möglichkeit Gebrauch. Eindeutig dominierten mit N=65 Nennungen als Modus der Zusammenarbeit Apotheken-Einkaufs-Kooperationen. Mit N=46 Nennungen folgten klar benannte Kooperationen mit Pharma-Großhändlern, wie vor allem Sanacorp, Gehe, Anzag und Linda.
Für die Hypothese „Kooperierende Apotheker sind erfolgreicher“ konnten keine statistisch signifikanten Unterschiede zu Apothekern ohne Kooperationsbindung festgestellt werden. Es lagen keine systematischen Beziehungen zwischen der Kooperationsintensität gemäß der vorstehend formulierten Frage (Können Sie sich vorstellen oder beabsichtigen Sie, zukünftig mit anderen Apothekern oder Pharmaunternehmen zu kooperieren, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen?) und der Erfolgsfacette Umsatzrentabilität vor.
Ebenso wenig lagen homogene bzw. durchgreifende Korrelationen zwischen der Kooperationsintensität und den verschiedenen abgefragten Umsatzanteil-Angaben vor. Damit gibt es einen „Gleichklang“ mit dem überraschenden deskriptiv-statistischen Befund zu den Apothekenkooperationen.
Eine andere Konstellation resultierte bei der Dichotomisierung der Frage nach der Kooperationsintensität in „geübte“ versus „nicht geübte“ Praxis. Hierbei zeigt sich, wenngleich nicht stark ausgeprägt, eine gewisse Überproportionierung des tatsächlich praktizierten Kooperationsmodus unter den umsatzstärksten Apotheken (in einer hypothesenkonformen Weise) wie der Tabelle 2 zu entnehmen ist:
Fazit
Was könnten die möglichen Gründe für den empirischen Befund insbesondere vor der Nachfragemacht einer Einkaufs-Kooperation sein? Ausgehend von der Differenzierung des Verhaltens nach Williamson in opportunistisches und egoistisches Verhalten, wird der für den Bestand einer Kooperation unabdingbare Effizienzvorteil deutlich. Unter Einbeziehung der „Kontingenten Faktoren“ (angesprochen sind hier insbesondere die regulativen Rahmenbedingungen im Apothekenmarkt und am individuellen Standort der Apotheke), also abhängig von der Ausgangsbasis bewegen sich die Verhaltensausprägungen zwischen opportunistischem bzw. kooperativem Verhalten. Aus dieser Sicht ist Egoismus die Ausrichtung am eigenen Effizienzvorteil, der je nach Ausprägung der Kontingenten Faktoren in opportunistisches oder kooperatives Verhalten münden kann. Ein weiterer Aspekt betrifft den Autonomieverlust des Apothekers bei Eintritt in eine Kooperation. Aus dieser Perspektive stellt eine Kooperation die „zweite Wahl“ dar. Nach den vorgestellten Verhaltensausprägungen und dem Autonomieverlust setzt eine erfolgreiche Kooperation kooperatives Verhalten und eine Kompensation des Autonomieverlustes voraus.
Im Ergebnis steht bei der reinen Einkaufskooperation als Effizienzkriterium die Verbesserung der Wareneinsatzquote. Bei einer großhandelsunabhängigen Einkaufskooperation besteht beim Einkauf grundsätzlich freie Wahl des pharmazeutischen Großhändlers, während diese Wahlfreiheit bei einer großhandelsabhängigen Einkaufskooperation nicht gegeben ist. Unabhängig von dem höheren Freiheitsgrad einer großhandelsunabhängigen Kooperation ist unter Einbeziehung der Transaktionscharakteristika davon auszugehen, dass zur Reduzierung der Transaktionskosten auch in diesen Fällen eine Konzentration auf pharmazeutische Großhändler erfolgt. Die Transaktionskosten im Sinne der Anbahnungskosten und der Kosten der Vertragsverhandlungen und -abschlüsse sowie die Unsicherheit werden damit reduziert.
Voraussetzung für kooperatives Verhalten und die Akzeptanz eines Autonomieverlustes ist die Nachvollziehbarkeit bzw. Transparenz der Vorteile einer Apothekenkooperation. Im einfachsten Fall einer Einkaufskooperation kann die fehlende Transparenz der Einkaufsvorteile ein Indiz für die fehlende Wahrnehmung der Kooperationen von Apothekern sein. Ist ein Einkaufsvorteil grundsätzlich leicht messbar, so ist die Bedeutung der Markenbildung in einem regulativen Kontext des Apothekenmarktes für die Mitglieder in der ökonomischen Bedeutung ungleich schwerer zu vermitteln. Transparenz erfährt hier in der Wahrnehmung eine zusätzliche Dimension. Die Verhaltensdimension opportunistischen Verhaltens der Transaktionskostentheorie sowie der Autonomieverlust im Kontext der Ressourcenabhängigkeitsperspektive bieten in einer gemeinsamen Schnittmenge einen weiteren potenziellen Erklärungsansatz. Möglicherweise stehen nicht die Interessen der Mitglieder einer Apothekenkooperation im Vordergrund, sondern jene der Kooperation. Eine von Apothekerinnen und Apothekern wahrgenommene, gelebte Kooperation setzt danach Transparenz und wahrgenommene, messbare Vorteile voraus.
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