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Arzneimittel und Therapie
Mehr Flexibilität für Diabetiker
Das neue langwirkende Insulin degludec
Bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 kann Insulin degludec sowohl allein, in Kombination mit oralen Antidiabetika, als auch in Kombination mit Bolus-Insulin angewendet werden. Bei Diabetes mellitus Typ 1 muss es mit schnell wirkendem Insulin kombiniert werden, um den Mahlzeiten-bezogenen Insulinbedarf zu decken.
Wirkdauer von über 42 Stunden
Die molekulare Struktur von Insulin degludec, das auf einer von NovoNordisc unterstützten Pressekonferenz am 5. Mai in Frankfurt vorgestellt wurde, ähnelt der von Humaninsulin, nur die letzte Aminosäure der B-Kette – das Threonin – fehlt. Stattdessen wurde über einen Linker eine C16-Fettsäure eingefügt. In der sehr stabilen Injektionslösung liegt das Insulin mit Phenol in Form von Di-Hexameren vor. Nach der Injektion verteilt sich das Phenol aus der Lösung schnell, die Di-Hexamere bilden im subkutanen Fettgewebe ein Depot aus Multi-Hexameren. Das darin enthaltene Zink verteilt sich nur langsam, so dass gleichmäßig und langsam Insulin-Monomere freigesetzt und resorbiert werden können. Die Wirkdauer von Insulin degludec liegt über 42 Stunden hinaus im therapeutischen Dosierungsbereich. Der Steady State wird nach zwei bis drei Tagen der Anwendung erreicht. Im Rahmen der Zulassung wurden elf multinationale Studien mit einer Dauer von 26 oder 52 Wochen als parallel randomisierte, kontrollierte, nicht verblindete Treat-to-Target-Studien durchgeführt. Insgesamt wurden 4275 Patienten mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes mit Insulin degludec behandelt. Die Wirkung wurde getestet bei Insulin-naiven Patienten und früheren Insulinanwendern (Intensivierung der Therapie) mit festem und auch mit flexiblem Injektionszeitpunkt. In den Studien konnte gegenüber allen Vergleichsmedikationen (Insulin detemir und Insulin glargin) eine Nichtunterlegenheit bei der Senkung des HbA1c gezeigt werden.
Weniger Hypoglykämien
Zu hohe Nüchternblutzuckerwerte sind gefürchtet und können mit Folgeschäden einhergehen. Aber auch Hypoglykämien sind gefährlich. Als Reaktion auf die niedrigen Blutglucosespiegel wird der Sympathikus aktiviert und Hormone wie Glucagon, Catecholamine und Adrenalin ausgeschüttet. Es kommt zu autonomen Warnsymptome wie Schwitzen, Zittern oder Herzklopfen. Durch den Glucosemangel treten auch neuroglykopenische Symptomen auf wie Konzentrationsstörungen, Schwindel bis hin zu Bewusstlosigkeit. Das Problem besteht auch darin, die Hypoglykämien wirklich zu erkennen. Je häufiger sie auftreten, desto schwächer werden die Symptome und die hormonelle Gegenregulation. Einzelne Messwerte über den Tag verteilt ermittelt sind nur Momentaufnahmen. Mit einer kontinuierlichen Glucosemessung kann zwar der Verlauf der Blutzuckerwerte dokumentiert und Stoffwechselentgleisungen erkannt werden. Allerdings ist dieses Prinzip teuer und wird nur kurzzeitig eingesetzt. In den zulassungsrelevanten Studien wurde beim Vergleich mit Insulin glargin kein Unterschied am Bedarf an Insulin festgestellt, um den gleichen HbA1c-Wert aufrechtzuerhalten. Es traten jedoch weniger Hypoglykämien unter Insulin degludec auf. Das kann erklärt werden durch die sehr lange Halbwertszeit, das flache Wirkprofil mit wenigen Spitzen sowie durch eine geringe intraindividuelle Variabilität.
Steckbrief: Insulin degludec
Handelsname: Tresiba
Hersteller: Novo Nordisk Pharma GmbH
Einführungsdatum: 1. Mai 2014
Stoffklasse: noch nicht zugewiesen. ATC-Code: noch nicht zugewiesen.
Zusammensetzung: 1 ml Lösung enthält 100 bzw. 200 Einheiten Insulin degludec, entspricht 3,66 mg bzw. 7,32 mg Insulin degludec
Indikation: zur Behandlung des Diabetes mellitus bei Erwachsenen
Dosierung: Insulin degludec ist ein Basalinsulin zur einmal täglichen Tageszeit-unabhängigen subkutanen Applikation, vorzugsweise jeden Tag zur gleichen Tageszeit; bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 kann Insulin degludec sowohl allein, in Kombination mit oralen Antidiabetika, als auch in Kombination mit Bolus-Insulin angewendet werden; bei Diabetes mellitus Typ 1 muss Insulin degludec mit kurz/schnell wirkendem Insulin kombiniert werden, um den Mahlzeiten-bezogenen Insulinbedarf zu decken; Insulin degludec muss entsprechend des Bedarfes dosiert werden, es wird empfohlen, die Blutzuckereinstellung über eine Dosisanpassung anhand der Nüchternplasmaglucose zu optimieren.
Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile.
Nebenwirkungen: sehr häufig (≥ 10%): Hypoglykämie; häufig (≥ 1% und < 10%): Reaktionen an der Injektionsstelle; gelegentlich (≥ 0,1% und < 1%): Lipodystrophie, peripheres Ödem; selten (≥ 0,01% und < 0,1%): Überempfindlichkeit, Urtikaria
Wechselwirkungen: den Insulinbedarf senken können z.B. orale Antidiabetika, GLP-1-Rezeptoragonisten, Monoamin-oxidasehemmer (MAO-Hemmer), Betarezeptorenblocker, Angiotensin-Converting-Enzyme (ACE)-Hemmer, Salicylate, anabole Steroide und Sulfonamide; den Insulinbedarf erhöhen können z.B. orale Kontrazeptiva, Thiazide, Glucocorticoide, Schilddrüsenhormone, Sympathomimetika, Wachstumshormon und Danazol; Betarezeptorenblocker können die Symptome einer Hypoglykämie verschleiern; Octreotid/Lanreotid kann den Insulinbedarf sowohl senken als auch erhöhen; Alkohol kann die blutzuckersenkende Wirkung von Insulin verstärken oder verringern.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Auslassen einer Mahlzeit oder ungeplante, anstrengende körperliche Aktivität kann zu einer Hypoglykämie führen; Begleiterkrankungen, insbesondere Infektionen und Fieber, erhöhen in der Regel den Insulinbedarf; Begleiterkrankungen der Nieren, Leber oder Erkrankungen mit Einfluss auf Nebennieren, Hirnanhangs- oder Schilddrüse können eine Anpassung der Insulindosis erforderlich machen; bei schwerer Hyperglykämie wird die Anwendung von schnell wirkendem Insulin empfohlen; die Umstellung auf einen anderen Insulintyp oder eine andere Insulinmarke muss unter medizinischer Überwachung erfolgen und kann eine Veränderung der Dosis erforderlich machen. Es gibt Spontanmeldungen von Herzinsuffizienz, wenn Pioglitazon in Kombination mit Insulin insbesondere Patienten mit Risikofaktoren für die Entwicklung von Herzinsuffizienz gegeben wurde. Die Patienten müssen angewiesen werden, vor jeder Injektion immer das Insulin-Etikett zu überprüfen, um versehentliche Verwechslungen zwischen den beiden unterschiedlichen Stärken von Insulin degludec und anderen Insulinarzneimitteln zu vermeiden.
Achtung Einheit!
Insulin degludec steht in zwei Stärken zur Verfügung: zum einen mit 100 IU – das entspricht der üblichen Dosierung. Und zum anderen werden 200 IU angeboten. Mit dieser Dosierung wird auf die zunehmende Anzahl an Patienten reagiert, die einen besonders hohen Insulinbedarf haben. Bei beiden Stärken wird die benötigte Dosis in Einheiten eingestellt, die Dosisschritte unterscheiden sich jedoch: Bei Tresiba® 100 Einheiten/ml kann pro Injektion eine Dosis von 1 bis 80 Einheiten gegeben werden, einstellbar in Schritten von einer Einheit. Bei Tresiba® 200 Einheiten/ml kann pro Injektion eine Dosis von 2 bis 160 Einheiten gegeben werden, einstellbar in Schritten von zwei Einheiten. Die Dosis wird mit der Hälfte des Volumens von Basalinsulin-Arzneimitteln mit 100 Einheiten/ml erreicht. In der Dosisanzeige wird unabhängig von der Stärke stets die Anzahl der Einheiten angezeigt, daher darf bei der Umstellung eines Patienten auf eine neue Stärke keine Dosisumrechnung vorgenommen werden. Die Patienten müssen angewiesen werden, vor jeder Injektion immer das Insulin-Etikett bzw. die eingestellten Einheiten auf der Dosisanzeige des Pens zu überprüfen, um versehentliche Verwechslungen zwischen den beiden unterschiedlichen Stärken von Insulin degludec und anderen Insulinarzneimitteln zu vermeiden.
Andere Länder, andere Sitten
In Europa ist Insulin degludec zugelassen und erhältlich. In den USA hat die FDA die Zulassung dagegen bislang nicht erteilt. Die amerikanische Zulassungsbehörde sah Mitte 2013 Hinweise für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. Und das, obwohl der zuständige Ausschuss im November 2012 eine Zulassung empfohlen hatte. Der Hersteller erhielt die Auflage, Post-Marketing-Studien zur kardiovaskulären Sicherheit durchzuführen. Die europäische Zulassungsbehörde EMA schätzt dagegen das kardiovaskuläre Risiko nicht als signifikant erhöht ein. Die deutschen Fachinformationen enthalten keinerlei Hinweis darauf, dass das kardiovaskuläre Risiko in den USA abweichend beurteilt wird. Der Hersteller sieht die Forderung der FDA nach einer kardiovaskulären Sicherheitsstudie als eine grundsätzliche, die nach einer FDA-Richtlinie seit 2008 bei allen neuen Antidiabetika gestellt wird. Er sieht kein spezifisches Risiko bei Insulin degludec.
Flexible Spritzabstände möglich
Insulin degludec wird je nach Bedarf dosiert, eine Anpassung bei verstärkter körperlicher Aktivität, geänderter Ernährungsgewohnheiten oder während Begleiterkrankungen kann notwendig sein. Für viele Diabetiker ist es schwer, im Alltag sich immer zur gleichen Zeit zu spritzen. Das betrifft besonders sehr aktive Menschen, die viel reisen oder im Schichtdienst arbeiten. Insulin degludec muss zwar einmal täglich appliziert werden, aber der Injektionszeitpunkt kann flexibel angepasst werden: In einer Studie konnte gezeigt werden, dass die gleichen Ziele bei der Blutzuckereinstellung erreicht werden können, selbst wenn die Applikationszeit innerhalb von 48 Stunden variiert (einmal nach acht Stunden und einmal nach 40 Stunden appliziert). Die Zahl der Hypoglykämien nahm dabei nicht zu. Durch die Veränderung des Injektionsszeitraums sind neue Therapieschemata möglich. Bei niedrigem Blutzucker am Abend vor dem Schlafengehen müsste der Patient normalerweise etwas essen. Mit Insulin degludec könnte die nächste Applikation auf den Morgen verschoben werden. So werden zum einen weniger Kalorien aufgenommen, und zum anderen wird auch weniger Insulin verbraucht. Wird die Applikation vergessen, so kann sie zu einem späteren Zeitpunkt mit gleicher Dosierung nachgeholt werden. Ein Minimum von acht Stunden zwischen den Injektionen muss allerdings immer eingehalten werden.
Quelle
Fachinformation Tresiba®, Stand Mai 2013.
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