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Aus den Ländern
Pharmazie im Mittelpunkt
Kammerversammlung Brandenburg
Die berufspolitische Großwetterlage, so der Kammerpräsident, sei im letzten halben Jahr relativ entspannt gewesen. Der neue Bundesgesundheitsminister habe die Apotheken bislang nicht wahrgenommen. Anders sei es Brandenburg, wo man sich schon seit einiger Zeit im Wahlkampf befindet. Dobbert berichtete von den erfolgreichen Bemühungen der Apotheker, SPD-Politiker davon zu überzeugen, dass Apothekenbusse im Wahlprogramm der Landes-SPD nichts zu suchen haben. Denn über solche Busse könnte man bestenfalls nachdenken, wenn es ein Problem mit der flächendeckenden Arzneimittelversorgung gäbe. Doch das sei in Brandenburg nicht der Fall. Am Ende fanden sich ausreichend SPD-Politiker, die mit einem Initiativantrag den entsprechenden Passus im Wahlprogramm kippten.
Ein weiteres Highlight im letzten Halbjahr war für Dobbert der gemeinsame Fortbildungstag von Ärzten und Apothekern in Brandenburg. Der Hintergedanke: Beide Berufsgruppen müssen zusammenrücken, um das Beste für die Patienten zu erreichen. Landesärzte- und Apothekerkammer hatten dazu ein Programm auf die Beine gestellt, das viel Zuspruch erfuhr. Nun suche man bereits einen Termin für die nächste Tagung dieser Art.
Leitbild: Wenige Erwartungen an das Perspektivpapier
Was die Leitbilddiskussion betrifft, so zeigte sich Dobbert weniger kritikfreudig als in der Vergangenheit. Die Kammer habe sich der Diskussion nicht versperrt. Einige Kollegen hätten sich aktiv eingebracht und zum Leitbildkonvent im Mai zwei gefüllte Ordner eingereicht. Gut sei, dass im nun beschlossenen Perspektivpapier das Arzneimittel und die inhabergeführte Apotheke noch vorkommen, sagte Dobbert. „Denn den Apotheker wird es nur geben, wenn wir den Bezug zum Arzneimittel nicht verlieren. Für den Patienten gibt es den Arzt.“ Fraglich sei nun, ob dieses Papier und die daraus noch abzuleitenden Strategien tatsächlich die Strukturen der Arzneimittelversorgung sichern und ob die Politik erkennt, wie wichtig Apotheker für das Gesundheitssystem sind. „Ich persönlich glaube nicht, dass uns die Politik durch dieses Perspektivpapier ernster nimmt und unsere tägliche Leistung anerkennt, wie wir es verdienen“, räumte Dobbert ein. Doch er lerne gerne dazu und sei bereit, seine Meinung zu revidieren.
Pflicht-Ringversuche zeigen Wirkung
Die Landesapothekerkammer Brandenburg freut sich über die guten Ergebnisse ihrer letzten Rezeptur-Ringversuche im Zeitraum 2012/13. Die Fehlerquoten sind im Vergleich zu 2007/08 deutlich gesunken. Nachdem die Teilnahme vorübergehend freiwillig war, ist sie nun wieder verpflichtend. Aus Sicht der Kammergeschäftsführerin Kathrin Fuchs zeigen die Ergebnisse, dass dies die richtige Entscheidung war.
Sechs Rezepturen mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad standen den knapp 600 Brandenburger Apotheken zur Auswahl. Insgesamt 798 fertigten sie 2012/13 an – einige Apotheken waren also mit mehr als einer Rezeptur dabei. Es zeigte sich, dass die Fehlerquote hinsichtlich Identität, Gehalt und Verteilung deutlich gesunken ist: Schon 2007/08 entsprachen von 669 ausgewerteten Rezepturen 97,91% der geforderten Identität – nach den jüngsten Versuchen sind es jetzt sogar 99,62%, also fast alle. Auch beim Gehalt ist eine Steigerung von 91,78 auf 97,12% zu sehen. Die Verteilung war 2007/08 bei 95,22% der Rezepturen in Ordnung – jetzt war dies bei 99,43% der Rezepturen der Fall.
Aus Sicht der Apothekerkammer dienen die Ringversuche auch der Fortbildung. Der frühere Kammer- und heutige Ehrenpräsident der Brandenburger Landesapothekerkammer Dr. Jürgen Kögel hofft, dass die guten brandenburgischen Erfahrungen ein Ansporn für andere Bundesländer sein können.
SVR-Angriff auf die inhabergeführte Apotheke
Dass die Politik in eine ganz andere Richtung gehen könnte, lässt das jüngst vorgelegte Gutachten des Gesundheitssachverständigenrats fürchten. Unter anderem fordert dieser die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots – das derzeitige Arzneimitteldistributionssystem sei weder effizient noch effektiv, so die Meinung der Regierungsberater. Sie fordern Preiswettbewerb im verschreibungspflichtigen Bereich; dass die Beratungsqualität für die Kunden entscheidend sein könnte, kommt ihnen nicht in den Sinn. Der Sachverständigenrat, so Dobbert, sei offenbar auf den „Geiz ist geil“-Zug aufgesprungen. Der Kammerpräsident stellte klar: Ein angestellter Apotheker einer Apothekenkette arbeitet sicherlich sorgfältig – es fehlt ihm aber an Unabhängigkeit. Der Ökonom als Kettenchef sei kein Heilberufler, sondern nur dem Geld verpflichtet. Er werde den Angestellten seine Anweisungen geben.
Auch die Ideen zur Honorierung über einheitliche sowie individuelle Handelsspannen lehnt Dobbert klar ab. „Dieses Papier des Sachverständigenrates ist ein massiver Angriff auf die inhabergeführte Apotheke“, lautet sein Resümee. Dass ABDA-Präsident Friedemann Schmidt erklärt hat, es nicht ernst zu nehmen, kann Dobbert nicht ganz nachvollziehen.
Sicher sei es schön, dass der Rat auch das Medikationsmanagement als Aufgabe für Apotheker erwähne – aber bei genauerem Hinsehen sehe der Rat dies nur in engen Grenzen von Gesundheitsnetzen und im Zusammenspiel mit Ärzten vor. Das heißt für Dobbert: Die Ärzte kassieren das Honorar, und die Apotheker sind nur die ausführenden Distributoren. An die ABDA appellierte der Brandenburger Präsident, sie solle „die Gefahren erkennen, sich aus der Metaphase der Apotheke 2030 wieder auf den Boden der Realität begeben, weniger mit sich selber beschäftigen und vielmehr das Ohr an den richtigen Stellen der Politik haben“. Er hofft darauf, dass einige Standespolitiker aufwachen und die Pharmazie wieder mehr in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen – und nicht den Kaufmann.
Machbarkeitsstudie zur stratifizierten Pharmakotherapie
Viel Raum nahm in der Kammerversammlung das Thema stratifizierte Pharmakologie ein. 2012 hatte Brandenburg beim Deutschen Apothekertag den Antrag gestellt, eine Machbarkeitsstudie zu dieser Diagnosemöglichkeit durchzuführen. Er wurde abgelehnt. Doch der Vorstand will das Thema trotz des „massiven Gegenwindes“ nicht kampflos aufgeben, betonte Dobbert. Um die Möglichkeiten einer Machbarkeitsstudie auszuloten, lud er Prof. Dr. Theo Dingermann von der Goethe-Universität in Frankfurt als Gastredner ein – ein leidenschaftlicher Streiter für diese besondere Form der Diagnostik. Dingermann erläuterte, dass dieses Vorhaben sicherlich „ein Stück weit kompliziert“ ist – und eine „große Herausforderung“. Auf jeden Fall sei es eine „tolle Ergänzung“ zu bisherigen Maßnahmen der Arzneimitteltherapiesicherheit. Es sei sicher richtig, Wechselwirkungen zu vermeiden – aber für Dingermann ist es nicht minder interessant, zu wissen, was in der Monotherapie überhaupt wirken kann. Für ihn ist unverständlich, dass das Thema hierzulande meist ausgeblendet wird, denn „one size fits all“ funktioniere bei Arzneimitteln nicht. Und so gibt es mittlerweile eine Reihe von Diagnostiktests: Zum einen die DNA-Tests, die sich auf bestimmte Arzneimittel beziehen – etwa Statine, Tamoxifen, Antidepressiva – und die der Verbraucher direkt kaufen kann.
Zum anderen bietet etwa das Unternehmen Humatrix zusätzlich einen Test an, in dem 30 bedeutsame Gene gecheckt werden (Stratipharm-Startbox). Eine große Datenbank ermöglicht dem Apotheker, über eine Chipkarte mit einem Code die optimale Medikation für den Patienten zu ermitteln. Das Unternehmen schult Apotheker, die diese Tests verwenden. Zeigt sich, dass ein Wirkstoff aufgrund der individuellen Disposition eines Patienten nicht wirken kann oder voraussichtlich starke Nebenwirkungen verursacht, wird die Apotheke gewarnt. Sie kann dann dem verordnenden Arzt eine passende Therapieoption oder Dosisanpassung vorschlagen.
Aus Sicht der Brandenburger Apotheker ein attraktives Angebot – problematisch sind die Kosten: Der Stratipharm-Test kostetet knapp 200 Euro. Die Prüfung eines einzelnen Medikaments kostet dann jeweils weitere 70 Euro – 50 Euro hiervon gehen an den Hersteller, 20 an die Apotheke. Dies ist sicherlich nicht leicht zu vermitteln. Als mögliche Finanzierungsquelle denkt Dobbert an den Innovationsfonds, aus dem der Gemeinsame Bundesausschuss bald Gelder für Projekte verteilen will, die über die Regelversorgung hinausgehen. In der anschließenden Diskussion wurden verschiedene Vorschläge eingebracht, wie man einen Testlauf mit ausgewählten Patienten starten könnte. Denkbar sei etwa, sich zunächst auf eine Indikation zu beschränken. Wichtig ist auch, die Ärzte für ein solches Projekt mit ins Boot zu bekommen. Darum soll sich nun eine Arbeitsgruppe kümmern.
Antrag zum Deutschen Apothekertag
Weiterhin wählte die Kammerversammlung ihre Delegierten für den Deutschen Apothekertag – es wurden bewusst Kolleginnen und Kollegen ausgewählt, die sich aktiv in die Leitbilddebatte eingebracht hatten. Auch einen Antrag für die Hauptversammlung im September in München beschloss die Kammerversammlung. Die Brandenburger wollen den Gesetzgeber auffordern, die Wirkstoffe bzw. Wirkstoffgruppen der sogenannten Substitutionsausschlussliste von der Einbeziehung in Rabattverträge zu suspendieren.
Beendet wurde die Versammlung mit einer Ehrung: Jens Dobbert verlieh Karla Meyer die Hermann-Hager-Medaille für ihre Verdienste. Die Apothekerin aus Frankfurt/Oder war seit 1992 Mitglied der Kammerversammlung, bis zum Jahr 2000 Vizepräsidentin und bis 2008 Vorstandsmitglied. Seit 1991 engagierte sie sich für die PTA-Schule in Eisenhüttenstadt und sorgte dabei stets für eine gute Verbindung zur Kammer, betonte Dobbert.
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