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- DAZ 28/2014
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Erste Hilfe
Plötzlich in Flammen
Wie man bei Verbrennungen richtig handelt
Mehr als die Hälfte der Grillunfälle wird nach Informationen des Deutschen Feuerwehrverbands durch flüssige Brandbeschleuniger wie Benzin oder Spiritus verursacht. Diese können sich im Grill schlagartig entzünden und zu meterhohen Stichflammen führen. Gefährdet sind nicht nur der Grillende selbst, sondern auch Umstehende im Abstand von bis zu drei Metern. Meist betreffen die Verbrennungen Oberschenkel, Bauch und Arme. Besonders gefährlich sind Grillunfälle für Kinder, da sie dem Grill quasi „auf Augenhöhe“ begegnen. Außerdem kommt es bei Kindern aufgrund ihrer geringeren Hautdicke oft zu tieferen Schädigungen. Zur Vermeidung von Grillunfällen sollte auf flüssige Brennstoffe in jedem Fall verzichtet werden. Als Alternative bieten sich im Handel erhältliche, CE-zertifizierte Grillanzünder an oder einfach eine halbe Stunde Geduld, bis die Kohle glüht. Zusätzlich ist zu kontrollieren, ob der Grill sicher steht und nicht von spielenden Hunden oder unvorsichtigen Gästen umgestoßen werden kann. Kinder sollten über die Gefahren aufgeklärt werden und sich nicht in direkter Nähe des Grills aufhalten, alkoholisierte Personen sollten den Grill nicht bedienen. Sinnvoll ist auch eine griffbereite Löschdecke, ein Eimer mit Sand oder ein Feuerlöscher. Auch nach dem Grillvergnügen muss die verbleibende Glut im Blick behalten werden.
Löschen und weitere Schäden verhindern
Zum Löschen des brennenden Grills ist Sand am besten geeignet, da Wasser zu einer starken Rauchentwicklung führt. Brennende Personen rennen oft in Panik davon und müssen zunächst aufgehalten werden. Die Flammen können durch Umwickeln der brennenden Person mit einer Löschdecke (keine Synthetik!), Hinlegen der Person und „Ausstreichen“ der Decke von oben nach unten erstickt werden. Alternativ kann mit Wasser oder einem Feuerlöscher gelöscht werden, dieser darf allerdings keinesfalls auf den Kopf bzw. das Gesicht der brennenden Person gerichtet werden. CO2-Löscher sind wegen der extremen Minustemperaturen, die sie erzeugen, für Personenbrände nicht geeignet. Hitzespeicher am Körper können die thermischen Schäden auch nach dem Löschen der Flammen noch verstärken. Bereits Temperaturen von 50°C reichen aus, um die Haut zu schädigen. Heiße oder sogar glühende Kleidung sollte daher möglichst schnell entfernt werden. Kleidungsteile, die an geschädigter Haut haften, dürfen nicht abgerissen werden, sondern können umschnitten werden. Auch Schmuckstücke können Hitze speichern und sollten abgenommen werden.
Kühlung lindert Schmerzen
Ist der Brand gelöscht, können kleinflächige Verbrennungen (bis zu 5% der Körperoberfläche, beim Erwachsenen etwa der Fläche des Unterarms entsprechend) 10 bis 15 Minuten mit Leitungswasser von 15 bis 20°C gekühlt werden. Entgegen früherer Annahmen wird die Ödembildung nur geringfügig durch Kühlung beeinflusst und das „Nachbrennen“, bei dem tiefere Hautschichten geschädigt werden, dauert nur wenige Sekunden. Die Kühlung dient somit lediglich der Schmerzbekämpfung, bis durch den Rettungsdienst oder Arzt eine medikamentöse Analgesie eingeleitet wird. Gekühlt wird also nur, wenn der Verletzte über Schmerzen klagt, bei Bewusstlosen wird darauf verzichtet. Eiswürfel oder Coldpads dürfen keinesfalls verwendet werden. Großflächige Verbrennungen dürfen nicht im Ganzen gekühlt werden, um eine Hypothermie des Verletzten zu vermeiden. Lokal kann eine zu starke Kühlung zur Vasokonstriktion und infolgedessen zu einem Nachtiefen der Verletzung führen. Systemisch besteht die Gefahr von Durchblutungs- und Gerinnungsstörungen, Schwächung des Immunsystems und Wundheilungsstörungen, was langfristig die Morbidität und Mortalität von Brandverletzungen deutlich erhöht. Bei Kindern ist die Gefahr der Hypothermie noch ausgeprägter, so dass bei ihnen nur an den Extremitäten, nicht am Körperstamm oder Kopf gekühlt werden sollte. Sind bei Kindern mehrere Extremitäten betroffen, sollte gegebenenfalls abwechselnd gekühlt werden.
Steril abdecken und warmhalten
Im Anschluss an die Kühlung werden die Brandwunden mit Metalline-Kompressen oder sterilen Verbandstüchern für Brandwunden, wie sie in jedem Autoverbandskasten enthalten sind, abgedeckt. Darüber kann locker und ohne Druck, zum Beispiel mit Mullbinden, verbunden werden. Salben, Cremes, Puder oder Desinfektionsmittel sind bei der Behandlung frischer Brandwunden obsolet. Da die Wärmeregulation durch großflächige Hautschäden gestört ist, muss der Verletzte bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes warmgehalten werden. Geeignet sind Decken, z.B. auch die Rettungsdecke aus dem Auto, Handtücher und Ähnliches. Grundsätzlich sollte jede Verbrennung dem Arzt gezeigt werden. Bei Verbrennungen von mehr als 5 bis 10% der Körperoberfläche (entsprechend in etwa einem Arm) muss der Rettungsdienst gerufen werden. Ab 20% verbrannter Körperoberfläche (bzw. 10% bei Kindern) kann es durch die Aktivierung verschiedener Mediatoren zur Kapillarundichtigkeit („capillary leak syndrome“) mit Bildung eines generalisierten Ödems kommen. Aufgrund der dadurch bestehenden Gefahr eines hypovolämischen Schocks sollte der Verletzte bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes nicht alleine gelassen und seine Vitalfunktionen regelmäßig kontrolliert werden.
Die weitere Behandlung erfolgt in Abhängigkeit von Schwere und Ausmaß der Verbrennung. Verbrennungen sind definiert als thermische Schädigungen der Haut, der Hautanhangsgebilde sowie eventuell tiefer liegender Gewebe. Zur Beurteilung des Ausmaßes wird der Anteil der verbrannten Körperoberfläche (KOF) geschätzt. Vereinfacht kann hier nach der Handflächenregel vorgegangen werden, bei der die Handfläche des Patienten (vom Handgelenk bis zu den Fingerspitzen) etwa 1% seiner KOF entspricht. Für Jugendliche und Erwachsene anwendbar ist auch die Neunerregel, bei der Kopf und jeder Arm jeweils mit 9%, Brust, Rücken und jedes Bein mit je 18% berechnet werden. Für Kinder existiert noch ein differenzierteres Schema nach Lund und Bowder.
Zur weiteren Unterscheidung werden Verbrennungen anhand ihrer Verbrennungstiefe in vier Schweregrade eingeteilt (Tab. 1):
Zu beachten ist bei dieser Einteilung, dass sich die Schmerzintensität quasi umgekehrt proportional zur Tiefe der Verbrennung verhält: Während Verbrennungen von Grad 3 und 4 in Folge der Zerstörung der schmerzleitenden Nervenfasern annähernd schmerzfrei sind, sind vor allem Verbrennungen vom Grad 2A aufgrund der freiliegenden Nozizeptoren mit extremen Schmerzen verbunden. Zusätzlich zum Nozizeptor-Schmerz können jedoch im weiteren Verlauf auch inflammatorische Schmerzen oder neuropathische Schmerzen auftreten.
Kinetik außer Kontrolle
Je größer die betroffene Fläche ist, desto mehr ist bei der Dosierung von Pharmaka beim Brandverletzten die oft stark veränderte und schwer kalkulierbare Pharmakokinetik der Wirkstoffe zu beachten. Zum einen kommt es durch Proteinverluste und Veränderungen des Gesamteiweißes zu Veränderungen in der Plasmaproteinbindung von Arzneistoffen. Zum anderen kann es durch die Ödembildung und die notwendige Flüssigkeitssubstitution zu einer Veränderung des Verteilungsvolumens mit Verschiebung in den Extrazellulärraum kommen. Eine Minderdurchblutung der Organe als Folge einer Hypothermie kann die Metabolisierung und Elimination von Arzneistoffen verlangsamen. Und schließlich gehen über großflächige Wunden nicht kalkulierbare Wirkstoffmengen verloren, so dass die Dosierung von Analgetika, aber auch allen anderen Pharmaka, beim Brandverletzten eine anspruchsvolle Aufgabe ist.
Verbrennungen 1. Grades entsprechen einem starken Sonnenbrand. Sie heilen in der Regel ohne Narbenbildung innerhalb weniger Tage ab. Unterstützend können feuchtigkeitsspendende bzw. später fettende Cremes und Salben angewendet werden. Auch eine Verbrennung von Grad 2A heilt ohne chirurgische Intervention in 7 bis 14 Tagen ab, auch hier meist ohne Narbenbildung. Blasen dürfen dabei nicht geöffnet werden. Die Wunde muss vor Infektionen geschützt werden. Die Schaffung optimaler Wundheilungsbedingungen ist sinnvoll. Zum Einsatz kommen desinfizierende Salbenverbände oder Wundauflagen wie Mepilex® Ag. Eine adäquate Analgesie ist dabei wichtig.
In der medizinischen Erstversorgung schwererer Verbrennungen (Grad 2B, 3 und 4) stehen die Analgesie sowie das Management des Flüssigkeitsverlusts über die verbrannten Hautflächen im Vordergrund. Im weiteren Verlauf stehen die Vermeidung bzw. Bekämpfung sekundärer Infektionen sowie die operative Entfernung des nekrotischen Gewebes und der Ersatz durch Hauttransplantate, Zellkulturmaterial oder synthetische Hautersatzmaterialien im Zentrum der Therapie. Die chirurgischen Interventionen sind für die Betroffenen mit großen Schmerzen verbunden. Die Abheilung ist langwierig, entstehende Narben können zu lebenslangen Bewegungseinschränkungen und chronischen Schmerzen führen. Nicht zu unterschätzen sind auch die psychische Belastung durch das oft traumatisierende Verbrennungserlebnis, die entstellenden Narben und die bleibenden Einschränkungen in Beruf und Alltag.
Betroffenen Kindern und ihren Familien steht dabei seit 1993 „Paulinchen“, die Initiative für brandverletzte Kinder e.V., zur Seite. Mit einem Bild von einer Flammenhand, die aus einem Grill heraus ein Kleinkind ergreift, kämpft sie in ihrer Kampagne „Grillen ohne Spiritus“ für einen umsichtigen Umgang mit Grillfeuer. Denn ein leichtsinniger Griff zum Brandbeschleuniger an einem lauen Sommerabend kann das Leben eines Kindes, eines Jugendlichen oder einer ganzen Familie durch eine schwere Brandverletzung verändern.
Literatur
Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin: Thermische und chemische Verletzungen; Stand: 01/2010
Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (u.a.): Thermische Verletzungen im Kindesalter (Verbrennung, Verbrühung); Stand: 01/2009, in Überarbeitung
Deutscher Feuerwehrverband: „Erste Hilfe kompakt – Brandverletzung“ Empfehlungen des Bundesfeuerwehrarztes – Folge XIXX
Adams HA, et al. Erste Hilfe bei Brandverletzungen – eine Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin (DGV); www.verbrennungsmedizin.de/leitlinien-erste-hilfe-brandverletzungen.php
Eich C, et al. Akutversorgung des brandverletzten Kindes. Notfall + Rettungsmedizin 2;2014;17:113–122
Girtler R. Effektive Schmerztherapie bei Verbrennungen; Anaesthesist 2011;60(3):243–250
Autorin
Dr. Sabine Werner studierte Pharmazie in München und Berlin. Nach ihrer Promotion arbeitete sie in einer Krankenhausapotheke in Tansania. Neben ihrer Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke unterrichtet sie an der Berufsfachschule für pharmazeutisch-technische Assistenten in München.
Apothekerin Dr. Sabine Werner; Berufsfachschule für PTA; Chiemgaustr. 116, 81549 München
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