Arzneimittel und Therapie

Alternative zu Betablockern

AKdÄ bewertet Ivabradin bei koronarer Herzkrankheit und Herzinsuffizienz

2006 wurde mit Ivabradin der Prototyp einer neuen Substanzklasse, den If-Kanal-Hemmern, zugelassen. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft hat den Wirkstoff bewertet und kommt zu dem Schluss, dass Ivabradin zur Behandlung der koronaren Herzkrankheit und der Herzinsuffizienz nicht Mittel der 1. Wahl ist, bei Unverträglichkeit von Betarezeptorenblockern oder bei Komorbiditäten, die eine Anwendung von Betablockern verbieten, kann es eine Alternative sein.

Ivabradin hemmt selektiv und spezifisch den Ionenstrom (If) im sogenannten Funny Channel im Sinusknoten des Herzens. Die If-Hemmung führt zu einer Verlangsamung der diastolischen Depolarisation des Sinusknotens und so zu einer Reduktion der Herzfrequenz um 5 bis 10 Schläge pro Minute unter Belastung. Hierdurch wird der myokardiale Sauerstoffverbrauch verringert.

Ivabradin kann als Reservemittel eingesetzt werden zur symptomatischen Behandlung der chronischen stabilen Angina Pectoris bei Erwachsenen mit koronarer Herzkrankheit (KHK) und normalem Sinusrhythmus, wenn Betablocker kontraindiziert oder unverträglich sind. Darüber hinaus ist die Anwendung von Ivabradin in Kombination mit einem Betablocker möglich, wenn die Patienten trotz optimaler Betablocker-Dosis unzureichend eingestellt sind und die Herzfrequenz ≥ 60 Schläge pro Minute beträgt.

Ferner gilt die Zulassung von Ivabradin zur Therapie der chronischen Herzinsuffizienz (NYHA-Klasse II bis IV) mit systolischer Dysfunktion (Ejektionsfraktion EF ≤ 35%) nur für Patienten mit normalem Sinusrhythmus und einer Herzfrequenz von ≥ 75 Schlägen pro Minute. Außerdem kann es in Kombination mit einer Standardtherapie einschließlich Betablockern eingesetzt werden, wenn Betablocker kontraindiziert sind oder eine Unverträglichkeit für Betablocker vorliegt. Eine randomisierte doppelblinde Studie (SHIFT) an Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz, reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion und Ruheherzfrequenzen > 70 Schläge pro Minute zeigte eine statistisch signifikante Reduktion des kombinierten primären Endpunkts (kardiovaskuläre Mortalität oder Krankenhausaufnahme wegen Verschlechterung der Herzinsuffizienz) um 4,2%. Die als sekundärer Endpunkt erfasste Gesamtmortalität wurde nicht signifikant beeinflusst.

Nach oraler Gabe wird Ivabradin schnell und fast vollständig resorbiert mit Spitzenspiegeln nach einer Stunde. Aufgrund des First-pass-Effekts liegt die absolute Bioverfügbarkeit bei 40%. Ivabradin wird weitgehend in der Leber und im Darm über Cytochrom P450 A4 (CYP3A4) metabolisiert. Die Elimination erfolgt über Faeces und Urin. Da der Netzhautstrom Ih starke Ähnlichkeit mit dem If-Strom des Herzens aufweist, sind unter Ivabradin auch hier Effekte zu beobachten. Durch eine partielle Hemmung des Ih-Kanals kann es unter Trigger-Bedingungen (z.B. schnelle Lichtstärkenänderung) zu lichtbedingten visuellen Symptomen kommen. Auswirkungen einer Langzeitbehandlung (> 1 Jahr) auf die retinale Funktion sind gegenwärtig nicht bekannt.

Zu beachten sind zahlreiche Kontraindikationen (u.a. akuter Myokardinfarkt [MI], schwere Leberinsuffizienz, instabile/akute Herzinsuffizienz und instabile Angina pectoris). Die gleichzeitige Anwendung von Ivabradin mit starken CYP-3A4-Hemmern wie Antimykotika und HIV-Proteaseinhibitoren ist zu vermeiden. Von der Kombination mit Diltiazem und Verapamil wird abgeraten. CYP3A4-Induktoren wie Rifampicin, Barbiturate, Phenytoin und Johanniskraut können die Wirksamkeit von Ivabradin herabsetzen und eine Anpassung der Dosis erforderlich machen. Zu beachten sind auch die relativ hohen Kosten von knapp 800 Euro pro Jahr. 

Empfehlung zur wirtschaftlichen Verordnungsweise


KHK/Langzeitprophylaxe von Angina-pectoris-Anfällen:

  • Betablocker: 1. Wahl, da zusätzlich sekundärpräventive Wirksamkeit
  • ACE-Hemmer/AT1-Antagonisten: alle Patienten nach MI mit Linksherzinsuffizienz
  • Ca-Antagonisten: 2. Wahl
  • schnell wirkendes Glyceroltrinitrat: zur Kupierung akuter Anfälle
  • Ivabradin: Reservemittel bei Unverträglichkeit/bei Kontraindikation für Betablocker

chronische systolische Herzinsuffizienz:

  • ACE-Hemmer/AT1-Antagonisten + Betablocker
  • zusätzlich Aldosteron-Antagonisten bei persistierenden Symptomen (NYHA II-IV) und EF ≤ 35%
  • optional Digoxin/Digitoxin bei symptomatischen Patienten mit LVEF ≤ 45%
  • Ivabradin nur – bei Patienten mit Sinusrhythmus, einer EF ≤ 35% und einer Herzfrequenz ≥ 75/min trotz adäquater Betablocker-Therapie– bei Patienten mit Unverträglichkeit/Kontraindikation von Betablockern

Quelle

Ivabradin. Wirkstoff aktuell. Information der KBV in Kooperation mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Stand 21. Oktober 2013.

 

Apothekerin Damaris Mertens-Keller, PharmD.

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