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Fragen aus der Praxis

Schmerz lass nach

Verordnungsfähigkeit von Analgetika-Kombinationen

Frau Mustermann betritt aufgeregt die Apotheke und legt Ihnen ein Privatrezept über Migraenerton® Hartkapseln 50 Stück vor. Als sie den Preis erfährt (52,19 €, Stand 15.11.13), ist sie verärgert. Das Medikament hätte sie schon zehn Jahre lang auf Kassenrezept bekommen. Jetzt behauptet ihre Ärztin, dieses würden die Krankenkassen nicht mehr bezahlen.

Frage

Frau Mustermann betritt aufgeregt die Apotheke und legt Ihnen ein Privatrezept über Migraenerton® Hartkapseln 50 Stück vor. Als sie den Preis erfährt (52,19 €, Stand 15.11.13), ist sie verärgert. Das Medikament hätte sie schon zehn Jahre lang auf Kassenrezept bekommen. Jetzt behauptet ihre Ärztin, dieses würden die Krankenkassen nicht mehr bezahlen. Frau Mustermann bräuchte ja nur eine 50er-Packung im Quartal, dies könnte sie sich privat gar nicht leisten. Sie schauen sich das Medikament in Ihrem Apothekenprogramm näher an und können sich gar nicht erklären, warum ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel nicht verordnet werden könnte. Davon haben Sie doch in dem laufenden Jahr schon neun Packungen zulasten diverser Gesetzlichen Krankenkassen abgegeben. Ob Ihnen womöglich jetzt auch eine Retaxation droht?

Die Antwort auf diese Frage findet sich in den Arzneimittel-Richtlinien (AM-RL). Die Anlage III regelt die Verordnungseinschränkungen und –ausschlüsse in der Arzneimittelversorgung [1]. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen ist. Weiterhin kann dies erfolgen, wenn andere, wirtschaftlichere Präparate mit vergleichbarem therapeutischem Nutzen verfügbar sind. Die Zweckmäßigkeit ergibt sich aus dem Vergleich eines Arzneimittels in Bezug auf seinen therapeutischen Nutzen mit anderen zur Verfügung stehenden Alternativen.

Unter Punkt 6 findet man die Verordnungseinschränkung für Analgetika in fixer Kombination mit nicht analgetischen Wirkstoffen. Dazu gehören Präparate wie Migraenerton®, Migraflux, Migräne Neuridal®, Migralave® +MCP, die das Schmerzmittel Paracetamol und das nicht analgetisch wirksame Metoclopramid beinhalten. Ein weiterer Verordnungsausschluss für Migränemittel-Kombinationen ist unter dem Punkt 36 der Anlage III zu finden.

Zur Veranschaulichung der Wirtschaftlichkeit kann man diese Kombipräparate und die Monopräparate beider Wirkstoffe hinsichtlich ihrer Kosten vergleichen (vgl. Tab. 1): § 16 (5) Arzneimittel-Richtlinie weist auch darauf hin, dass infolge des Wirtschaftlichkeitsgebots an Stelle von fixen Wirkstoffkombinationen günstigere therapeutisch gleichwertige Monopräparate zu verordnen sind [2]. Für den Arzt bedeutet dies, dass hier die kostengünstigeren Monopräparate verordnet werden sollen. In medizinisch begründeten Einzelfällen kann sich der Arzt ausnahmsweise dagegen entscheiden. Dies hat er besonders zu begründen und zu dokumentieren, da ihm Regressforderungen drohen.

Der Apotheker muss im Falle einer Verordnung solcher Präparate auf Muster 16 („rosa Rezept“) keine Retaxation seitens der Krankenkassen befürchten. Hierzu ist keine Prüfpflicht vor der Abgabe zulasten der GKV vereinbart. Die Verantwortung für solche Verstöße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot obliegt in diesem Fall dem Arzt.

Das Problem von Frau Mustermann kann also durch die Verordnung von MCP-Tabletten und von Paracetamol gelöst werden.

Kann man Paracetamol-Tabletten verordnen?

Die OTC-Präparate mit Paracetamol können laut Anlage I Punkt 3 nur als Co-Medikation bei Behandlung schwerer und schwerster Schmerzen mit Opioiden verordnet werden [3]. RX-Präparate mit Paracetamol zur oralen Anwendung sind nur noch als 30er-Packung von drei Herstellern erhältlich. Diese tragen mittlerweile auch keine N-Größe mehr, da sie nicht den für den Wirkstoff vorgegebenen Intervallen entsprechen. Sie werden vermutlich vom Markt genommen

werden müssen. Ob neue Paracetamol-Präparate mit einer aktuellen Packungsgröße N3 von z.B. 50 Stück je verfügbar sein werden, ist unklar.

Die Regelung der Anlage I gilt auch für Acetylsalicylsäure-Präparate. Diese dürfen auch als Co-Medikation mit Opioiden zulasten der GKV verordnet werden. Dies kommt in der Praxis zwar äußerst selten vor, wenn aber ein Rezept dafür vorgelegt wird, muss weder bei Paracetamol noch bei Acetylsalicylsäure überprüft werden, ob tatsächlich Opioide verordnet werden.

Von der Einschränkung der Anlage III für Fixkombinationen mit Analgetika sind Kombinationen mit Naloxon wie Tilidin/Naloxon (Tilidin comp) oder Oxycodon/Naloxon (Targin) ausgenommen. Diese dürfen für ihre zugelassenen Indikationen uneingeschränkt verordnet werden.

Antwort kurz gefasst

  • Die Verordnungsfähigkeit von Analgetika in fixer Kombination mit nicht analgetischen Wirkstoffen ist eingeschränkt.
  • Prüfpflicht für den Apotheker besteht nur bei der Verordnung nicht verschreibungspflichtiger Präparate.
  • Anstelle von fixen Wirkstoffkombinationen sind günstigere therapeutisch gleichwertige Monopräparate zu verordnen.
  • Verschreibungspflichtige Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Naproxen dürfen, wenn Erwachsene unter geringfügigen Gesundheitsstörungen wie Erkältungskrankheiten leiden, nicht verordnet werden. Verschreibungspflichtige Externa sind bei oberflächlicher Venenentzündung verordnungsfähig.

Kombination mit Coffein

Kombinationspräparate mit Coffein sind hingegen ausgeschlossen, da Coffein keine analgetische Wirksamkeit besitzt. Dazu gehören z.B. Dolomo® TN, Azur® compositum. Wenn in der Apotheke ein Kassenrezept dafür vorgelegt wird, kann die Abgabe erfolgen, da keine Prüfpflicht besteht. Die nicht verschreibungspflichtigen Kombinationsanalgetika mit Coffein wie Thomapyrin®, Titralgan®, Azur®, Doloversa® sind bei Erwachsenen nicht erstattungsfähig und dürfen nicht zulasten der GKV abgegeben werden (hier besteht eine Prüfpflicht). Verordnungen dieser Mittel bei Kindern bis zum vollendeten zwölften Lebensjahr und Jugendlichen mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr sind unwirtschaftlich. Die Verantwortung dafür trägt allein der Vertragsarzt. Dem Apotheker obliegt in diesem Fall weder eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit noch ob tatsächlich Entwicklungsstörungen bei Jugendlichen über zwölf Jahren bestehen.

Eine weitere Ausnahme betrifft Präparate, die Antiphlogistika oder Antirheumatika in fixer Kombination mit anderen Wirkstoffen beinhalten (Anlage III, Punkt 18). Während Kombinationen aus einem NSAR mit Protonenpumpenhemmern (Vimovo®, Naproxen + Esomeprazol) ausgenommen sind und für Patienten mit hohem gastroduodenalem Risiko, bei denen die Behandlung mit niedrigeren Dosen des NSAR und / oder PPI nicht ausreichend sind, verordnet werden können, darf das Präparat Arthotec® (Diclofenac+Misoprostol) nicht zulasten der Krankenkassen verordnet werden. Aber auch hier besteht in der Apotheke keine Prüfpflicht.

Verordnungsfähigkeit von Externa

Nicht verordnet werden dürfen auch Externa bei traumatisch bedingten Schwellungen, Ödemen und stumpfen Traumata (Punkt 26, Anl. III). Die verschreibungspflichtigen Medikamente Diclac®, Voltaren® Emulgel (beides Diclofenac), Phardol®, Effecton® (mit Ketoprofen), Indomet® (Indometacin) dürfen nicht zulasten der GKV verordnet werden. Eine Ausnahme stellt die oberflächliche Venenentzündung (Thrombophlebitis superficialis) dar. In allen anderen Fällen (rheumatische Erkrankungen, stumpfe Verletzungen, Schwellungen) muss der Arzt den Patienten auf die nicht verschreibungspflichtigen topischen Schmerzmittel wie z.B. Voltaren® Schmerzgel, Diclabeta® oder Doc® Ibuprofen Schmerzgel verweisen. Der Ausschluss bei rheumatischen Erkrankungen ist unter dem Punkt Nr. 40 der Anlage III unter „verschreibungspflichtige Rheumamittel zur externen Anwendung“ zu finden. Auch in diesen Fällen besteht keine Prüfpflicht in der Apotheke, sofern ein Kassenrezept vorliegt.

Wenn Erwachsene unter geringfügigen Gesundheitsstörungen wie Erkältungskrankheiten leiden, dürfen keine verschreibungspflichtigen Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Naproxen verordnet werden. In diesen Fällen muss der Arzt nach § 12 AM-RL auf die nicht verschreibungspflichtigen Alternativen verweisen [2].

Einige Migränetherapeutika aus der Gruppe der Triptane wie Naratriptan und Almotriptan sind seit einigen Jahren in Kleinpackungen zu zwei Tabletten rezeptfrei erhältlich. Sumatriptan und Zolmitriptan werden demnächst auch ohne Rezept erhältlich sein. Die Beipackzettel und Fachinformationen beider Varianten (verschreibungspflichtig und nicht verschreibungspflichtig) stimmen in allen Indikationsgebieten überein. Alle sind zur akuten Behandlung der Kopfschmerzphasen von Migräneanfällen mit und ohne Aura zugelassen. Dies bedeutet aber nicht, dass MigränepatientInnen ihre medizinisch benötigten Medikamente privat finanzieren müssen. Alle verschreibungspflichtigen Triptan-Präparate sind weiterhin zulasten der GKV verordnungsfähig. In welchen Fällen der behandelnde Arzt auf die nicht verschreibungspflichtigen Triptane verweisen kann oder muss, ist weder rechtlich noch medizinisch eindeutig definiert.

Literatur:

[1] Arzneimittel-Richtlinie, Anlage III, verfügbar unter: www.g-ba.de/informationen/richtlinien/anlage/16/ (Letzter Zugriff: 20.11.13)

[2] Arzneimittel-Richtlinie, verfügbar unter www.g-ba.de/informationen/richtlinien/3/ (Letzter Zugriff: 20.11.13)

[3] Arzneimittel-Richtlinie, Anlage I, verfügbar unter www.g-ba.de/informationen/richtlinien/anlage/17/ (Letzter Zugriff: 20.11.13)

Autorinnen

Stanislava Dicheva, Insa Heyde, Daniela Böschen, Anna Hinrichs, Heike Peters

Apothekerinnen und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen in der Arbeitsgruppe „Arzneimittelanwendungsforschung“, Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen

Universität Bremen Zentrum für Sozialpolitik

UNICOM-Gebäude Mary-Somerville-Str. 5, 28359 Bremen

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