Arzneimittel und Therapie

Gürtelrose immer früher

Studien deuten auf höheres Risiko bei Jüngeren

In einer groß angelegten Fall-Kontroll-Studie waren verschiedene Erkrankungen mit einem erhöhten Risiko für eine Herpes-zoster-Infektion assoziiert. Das höchste Risiko zeigte sich bei Patienten, bei denen der zurzeit zugelassene Impfstoff kontraindiziert ist. Außerdem waren jüngere Patienten stärker betroffen. Experten empfehlen, die Präventionsstrategien für Herpes zoster zu überarbeiten.

Herpes zoster (Gürtelrose) wird durch das Varizella-Zoster-Virus verursacht. Bei Erstkontakt, der meistens im Kindesalter stattfindet, äußert sich die Infektion durch die bekannten Windpocken. Danach bleibt das Virus lebenslang in Nervenzellen des Gehirns und des Rückenmarks und kann später eine Herpes-zoster-Erkrankung auslösen. Zu den Hauptsymptomen, die jedoch individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können, zählen typische brennende Schmerzen und – meist nur halbseitig – am Rumpf und im Brustbereich bandartig ausgebreitete Bläschen. Nach Abheilen des Hautausschlages können Nervenschmerzen (postherpetische Neuralgie) noch über mehrere Monate bis Jahre auftreten. Wer im Kindesalter keine Windpocken hatte, kann zunächst nicht an Zoster erkranken. Steckt er sich jedoch bei einem an Windpocken oder an Herpes zoster Erkrankten an, bricht bei ihm zunächst eine Windpocken-Erkrankung aus.

Impfung weltweit nur für Ältere empfohlen

Nach bisherigen Erkenntnissen tritt die Erkrankung am häufigsten ab dem 50. Lebensjahr sowie bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem auf. Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) zufolge liegt die jährliche Erkrankungsrate im Alter von 50 Jahren bei ca. sechs pro 1000 Personen und steigt bis zum Alter von 90 Jahren auf 13 Fälle pro 1000 an. In Deutschland ist der einzige bisher verfügbare Impfstoff (s. Kasten) für Personen ab 50 Jahren zugelassen, ebenso beispielsweise in Schweden, Kanada und Australien. In den USA wird die Impfung für Personen ≥ 60 Jahre, im Vereinigten Königreich sogar erst ab 70 empfohlen.

Verfügbarkeit des Zoster-Impfstoffs in Deutschland

Die europäische Zulassung erhielt der von der US-amerikanischen Firma Merck, Sharp & Dohme entwickelte Zoster-Impfstoff bereits 2006. Im Oktober 2009 wurde er auch in Deutschland unter dem Namen Zostavax® eingeführt, war aber dann nicht verfügbar. Dies hat sich seit Ende 2013 geändert: Laut Aussage des Unternehmens Sanofi Pasteur MSD ist Zostavax® jetzt in ausreichenden Mengen verfügbar und kann über den pharmazeutischen Großhandel geordert werden.

Indiziert ist der Lebendimpfstoff zur Prävention von Herpes zoster und durch Herpes zoster verursachte postherpetische Neuralgie bei Personen ab 50 Jahren. Bei diesen Patienten gelang es in Studien, die Zoster-Inzidenz bei immunkompetenten Menschen zwischen 50 und 59 Jahren um 70% und bei über 60-Jährigen um 51% zu reduzieren. Geimpfte Personen, die an Herpes zoster erkrankten, erlitten zudem weniger häufig eine postherpetische Neuralgie als Ungeimpfte.

Zur Prävention einer primären Varizella-Infektion (Windpocken) darf Zostavax® nicht eingesetzt werden, dafür gibt es andere Impfstoffe (z.B. Varilrix®, Varivax®). Ebenso dürfen Personen, die an einer Immunschwächekrankheit leiden oder mit Immunsuppressiva behandelt werden, nicht geimpft werden.

Aktuelle Studie zu Risikofaktoren

Eine kürzlich im britischen Fachblatt British Medical Journal veröffentlichte Studie brachte interessante neue Erkenntnisse zu Risikofaktoren sowie der Zoster-Inzidenz in den verschiedenen Altersgruppen.

Analysiert wurden die Daten von 144.959 Erwachsenen mit Herpes zoster, die in Hausarztpraxen in England behandelt worden waren und zwischen 2000 bis 2011 erstmalig eine Diagnose erhalten hatten.

Im Vergleich zu den 549.336 Personen der Kontrollgruppe (Durchschnittsalter beider Gruppen: 62 Jahre) ergab sich für eine Reihe von Grunderkrankungen ein erhöhtes Herpes-zoster-Risiko: für die rheumatoide Arthritis (2,1% vs. 1,5%; adjustierte Odds-Ratio 1,46, 99% KI 1,38 bis 1,55), für chronisch entzündliche Darmerkrankungen (1,3% vs. 0,9%; 1,36; 1,26 bis 1,46), für die COPD (4,7% vs. 3,7%; 1,32; 1,27 bis 1,37), chronische Nierenerkrankungen (6,0% vs. 5,4%; 1,14; 1,09 bis 1,18) und Depression (4,7% vs. 4,0%; 1,15; 1,10 bis 1,20). Bei Diabetikern fand sich nur bei Patienten mit Typ-1-Diabetes ein geringfügig erhöhtes Herpes-zoster-Risiko (OR 1,27; 1,07 bis 1,50). Bei Patienten mit Lymphom und Myelom, bei denen eine Impfung kontraindiziert ist, war das Risiko am größten (Lymphom: OR 3,90; 3,21 bis 4,74, Myelom: 2,16; 1,84 bis 2,53).

Jüngere sind stärker betroffen

Zwar trat in der Studienpopulation Herpes zoster bei Älteren häufiger auf, der Anteil bei den Patienten unter 50 Jahren betrug jedoch immerhin mehr als ein Viertel (72,7% vs. 27,3%). Überraschend war für die Forscher der Befund, dass Risikofaktoren mit steigendem Alter immer weniger von Bedeutung waren. So wurde beispielsweise in den Altersgruppen 18 bis 49 Jahre, 50 bis 59 und 60 bis 69 Jahre bei Patienten mit systemischem Lupus erythematosus ein Risiko von 3,04, 1,98 und 1,23 ermittelt. Auch bei chronischer Nierenerkrankung (1,63; 1,26; 1,14) und bei Diabetes Typ 1 (1,51; 1,16; 0,98) sank mit dem Alter das Risiko für eine Zoster-Erkrankung.

Wenn Patienten, für deren Alter die Zoster-Impfung derzeit nicht empfohlen wird oder kontraindiziert ist, ein erhöhtes Risiko für die Erkrankung und damit auch ihre Komplikationen besitzen, müsse nach alternativen Strategien gesucht werden, empfehlen die Autoren der Studie. Zukünftige Untersuchungen sollten auch darauf fokussieren, ob die Impfung von Personen unter 50 Jahren kosteneffektiver ist als die Behandlung von Zoster und postherpetischer Neuralgie. Die Herpes-zoster-Impfung wird derzeit nicht von der STIKO, jedoch (seit 2010) von der Sächsischen Impfkommission (SIKO) empfohlen (siehe Tabelle). 

Quelle

Forbes HJ et al. Quantification of risk factors for Herpes zoster: population based case-control study. BMJ (2014)348:2911 doi: 10.1136/bmj.g2911, online publiziert am 13. Mai 2014

Infektionskrankheiten von A–Z: Varizellen (Windpocken, Herpes zoster, Gürtelrose, Zoster). Informationen des Robert Koch-Instituts Berlin, Stand 5. Mai 2014, www.rki.de

Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) für Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Epidemiologisches Bulletin Nr. 34, 26. August 2013 Hrsg. Robert Koch-Institut

Synopsis der erforderlichen (Impf-)Immunität bei Erwachsenen – Impfkalender für Erwachsene im Freistaat Sachsen; Empfehlungen der Sächsischen Impfkommission (SIKO), Stand 1. Januar 2014, www.slaek.de

Fachinformation Zostavax®, Stand März 2014

 

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

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