Arzneimittelabgabe

Original oder Reimport?

Was ist bei der Abgabe zu beachten und welche Auswirkungen hat das sogenannte „Aut-idem-Urteil“?

Von Christina Dunkel und Dieter Drinhaus | Bei der Rezeptbelieferung spielt in der Apotheke täglich die Frage eine Rolle, ob anstelle eines Originalpräparates ein Reimport abzugeben ist. Dabei sind verschiedene gesetzliche Grundlagen zu beachten. Was im Einzelfall abzugeben ist, ist nicht immer leicht zu sagen und auch das sogenannte „Aut-idem“-Urteil des SG Koblenz vom 07.01.14 Az. S13 KR 379/13 sorgt eher für neue Verunsicherung.

Im Verhältnis zum Originalarzneimittel sind vergleichbare Importpräparate häufig wirtschaftlicher, mitunter auch preisgünstiger gem. Rahmenvertrag (15/15-Preisabstand). Um Kosten im Gesundheitssystem einzusparen, wurde mit dem GKV-Modernisierungsgesetz 2003 daher die Erzielung eines bestimmten Importumsatzes vorgeschrieben.

Doch die Entscheidung zwischen Original und Import kann nicht immer eindeutig getroffen werden und die Apotheke muss genau abwägen, was sie abgeben darf bzw. muss, um keine Retaxation durch die Krankenkasse zu riskieren. Neben den allgemeinen Vorschriften zur Importabgabe müssen zunehmend auch beim Thema „Original oder Import“ Rabattverträge beachtet werden, denn mittlerweile gibt es sowohl für Originalarzneimittel als auch für einige Importe Rabattverträge. Und auch hier gilt: Rabattarzneimittel sind grundsätzlich vorrangig vor Nichtrabattarzneimitteln abzugeben.

„Preisgünstige“ Importe und Importquote

Den Apotheken wurde mit dem GKV-Modernisierungsgesetz auferlegt, eine definierte Importquote zu erfüllen. Dies ist im Rahmenvertrag zur Arzneimittelabgabe genauer beschrieben. So legt § 5 (1) Folgendes fest: „Die Apotheken sind zur Abgabe von preisgünstigen importierten Arzneimitteln an Versicherte nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 verpflichtet. (…)“ Weiter heißt es in § 5 (3) „Die Partner des Rahmenvertrages vereinbaren eine Importquote. Die Importquote bezeichnet den prozentualen Umsatzanteil abzugebender importierter Arzneimittel am Fertigarzneimittel-Umsatz der Apotheke mit der kostenpflichtigen Krankenkasse und wird auf 5 Prozent festgelegt. Mit den abgegebenen importierten Arzneimitteln hat die Apotheke eine Wirtschaftlichkeitsreserve in Höhe von 10 Prozent des mit der Importquote nach Satz 1 festgelegten Umsatzes zu erzielen. (…)“

Wird die vereinbarte „Wirtschaftlichkeitsreserve“ erzielt, hat die Apotheke ihre gesetzliche und vertraglich vorgegebene „Wirtschaftlichkeit“ erfüllt. Erreicht die Apotheke die genannte Wirtschaftlichkeitsreserve pro Quartal und Krankenkasse nicht, so wird ihr bei der Abrechnung ein Malus von der Erstattung durch die Krankenkasse abgezogen.

Anstelle nichtrabattierter Originalpräparate müssen Apotheken also eine umsatzmäßig definierte Anzahl an Importen je Kasse abgeben, um die jeweilige Importquote zu erfüllen. Dabei werden nur sogenannte preisgünstige Importe angerechnet. Als preisgünstig gelten Importe, die mindestens 15 Prozent bzw. 15 Euro günstiger sind als das Originalarzneimittel. Rahmenvertrag zur Arzneimittelabgabe § 5 (2): „Importierte Arzneimittel im Sinne dieses Rahmenvertrages sind Arzneimittel,(…) deren für den Versicherten maßgeblicher Arzneimittelabgabepreis unter Berücksichtigung der Abschläge nach § 130a Absatz 1, 1a, 2, 3a und 3b SGB V mindestens 15 vom Hundert oder mindestens 15 Euro niedriger ist als der Preis des Bezugsarzneimittels.“

Ob die Importquote bereits erfüllt wurde, wird in vielen Apotheken nur abgeschätzt, da eine genaue Berechnung der persönlichen Quote kompliziert ist. Häufig kann diese aber im Softwaresystem recherchiert werden. Dabei haben erfahrungsgemäß die meisten Apotheken die geforderte Quote erfüllt bzw. sogar deutlich mehr Importe abgegeben als eigentlich nötig. Ein dadurch entstehender Bonus wird den Apotheken allerdings nie bar ausgezahlt, sondern nur mit möglicherweise entstehenden Mali verrechnet.

Importe: Akzeptierte Alternative oder Quelle für Verunsicherung?

Der Vorteil von Importarzneimitteln ist oft eine Kostenersparnis im Vergleich zum Originalpräparat. Dennoch kämpfen Apotheken vielfach gegen Vorurteile aufseiten der Patienten, die durch anderes Aussehen oder fremdsprachige Aufschriften der Importe verunsichert sind, was sich durchaus negativ auf die Compliance auswirken kann. Dazu kommen immer wieder Lieferprobleme, durch die sich die Versorgung des Patienten verzögert.

Auch Vorfälle in jüngster Zeit, bei denen gefälschte Arzneimittel in den deutschen Markt gelangten, sorgen für Verunsicherung, sowohl aufseiten der Apotheken als auch bei den Patienten.

Rabattverträge: Auch für Originale und Importe

Der Abschluss von Rabattverträgen soll, ebenso wie die Erfüllung einer Importquote, zur Kostensenkung im Gesundheitssystem führen. Zunächst gab es Rabattverträge vor allem für generische Arzneimittel. Mittlerweile werden aber auch immer mehr Rabattverträge über Originalarzneimittel abgeschlossen und auch der ein oder andere Import ist als Rabattarzneimittel gelistet, falls dessen Verfügbarkeit der jeweiligen Krankenkasse garantiert werden kann.

Wie auch bei generischen Rabattarzneimitteln haben rabattierte Originale bzw. Importe Vorrang bei der Abgabe und die unbegründete Nichtabgabe eines Rabattarzneimittels wird durch eine Retaxation geahndet. Sind mehrere Arzneimittel rabattiert, so kann die Apotheke unter den Rabattarzneimitteln frei wählen. Unabhängig von dem in der EDV angezeigten Preis gilt die Abgabe des rabattierten Arzneimittels immer als wirtschaftlich und preisgünstig für die Krankenkasse, die tatsächliche Höhe des ausgehandelten Rabattes ist nur den Rabattpartnern, also der Krankenkasse und dem Hersteller, bekannt.

Rezeptbelieferung: Original oder Import?

Bei der Rezeptbelieferung muss die Apotheke jeweils entscheiden, ob sie das Original oder einen Import abgibt. Die aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen, die vertraglichen Vorgaben und vorherige Retaxationen der Rezeptprüfstellen geben aber nur teilweise Sicherheit, das „richtige“ Arzneimittel auszuwählen, ohne eine Retaxierung zu riskieren.

Ausgehend von einer Verordnung über ein Originalpräparat ist zunächst ein Blick auf die Rabattvertragssituation erforderlich. Rabattierte Arzneimittel sind nach § 4 des Rahmenvertrages zur Arzneimittelversorgung vorrangig abzugeben. § 4 (2): „Die Apotheke hat vorrangig ein wirkstoffgleiches Fertigarzneimittel abzugeben, für das ein Rabattvertrag nach § 130a Absatz 8 SGB V („rabattbegünstigtes Arzneimittel“) besteht. (…)“

Dies gilt für rabattierte Originale ebenso wie für rabattierte Importe.

§ 5 (1): „(…) Die Abgabe eines rabattbegünstigten Arzneimittels hat Vorrang vor der Abgabe eines nicht rabattbegünstigten importierten Arzneimittels. (…)“

Ist kein Rabattvertrag zu beachten, so stellt sich die Frage, ob die Abgabe eines preisgünstigen Imports erforderlich ist. Voraussetzung ist, dass ein Import mindestens 15 Prozent bzw. 15 Euro günstiger ist als das Bezugsarzneimittel. Beim Preisvergleich muss der „Kassennettopreis“ herangezogen werden, also der Verkaufspreis (VK) abzüglich der Herstellerrabatte. Hier ist ein korrekter Umgang mit der Apotheken-EDV unerlässlich, denn nicht alle Systeme zeigen die entsprechenden Preise auf den ersten Blick an.

Sind entsprechende Importe im Handel, muss die Apotheke überprüfen, ob sie für die vorliegende Krankenkasse die erforderliche Importquote bereits erfüllt hat. Einige Softwaresysteme bieten hier eine Unterstützung, ansonsten kann ein Blick in die letzte Abrechnung mit dem Kostenträger hilfreich sein.

Ist die Quote erfüllt, so kann die Apotheke das Original abgeben. Auch bei nicht erfüllter Importquote ist eine Originalabgabe möglich, allerdings riskiert die Apotheke dann einen Malus bei der Abrechnung, sofern die Importquote nicht anderweitig erfüllt wird. Retaxationen allein aus Gründen der Wirtschaftlichkeit sind in diesem Zusammenhang nicht möglich!

Auf einen Blick

Was sollte bei der Entscheidung „Original oder Import“ beachtet werden?

  • Ist von einer Original- oder Importverordnung auszugehen?
  • Ist das Präparat namentlich oder per PZN eindeutig benannt?
  • Ist durch die Verordnung ein „Preisanker“ gesetzt?
  • Wurde ein Aut-idem-Kreuz gesetzt?
  • Gibt es Rabattverträge?
  • Gibt es „15/15-Importe“?
  • Ist die Importquote bei der vorliegenden Krankenkasse bereits erfüllt?
  • Wie sieht die Liefersituation aus?
  • Wurde das abzugebende Präparat vom Großhandel wegen Nichtlieferbarkeit ausgetauscht?
  • Handelt es sich um eine „problematische“ Verordnung, ist also beispielsweise ein nichtrabattierter Import mit Aut-idem-Kreuz verordnet, aber das Bezugsoriginal rabattiert?
  • Gibt es nicht zu beseitigende Pharmazeutische Bedenken gegen eine Substitution?

Import oft nicht „preisgünstig“!

In jedem Fall sollten die Preise von Original und Import sorgfältig verglichen werden, denn häufig gibt es zum verordneten Original keinen Import, der die 15/15-Kriterien erfüllt. In einigen Fällen können Importe nach Abzug des Herstellerrabattes sogar teurer sein als das verordnete Original. Dann droht in der Tat eine Retaxation, anstelle einer Quotenverrechnung, falls ein teureres als das eindeutig verordnete Präparat abgegeben wurde.

Hat sich die Apotheke für ein Präparat entschieden, ist noch ein Blick auf die Liefersituation empfehlenswert. Häufig sind nicht alle Importe beim Großhändler verfügbar, sodass es zu einer Verzögerung bei der Belieferung des Patienten kommen kann. Falls das gewünschte Importarzneimittel nicht erhältlich ist, so muss die Apotheke unter Beachtung aller oben genannten Punkte erneut die Entscheidung treffen, ob ein Import abzugeben ist oder doch das Original beliefert wird. Dies muss dann auch bei der Rezeptbedruckung berücksichtigt werden: Gerade bei Importen, die zunächst bestellt werden müssen, ist es empfehlenswert, das Rezept erst dann zu bedrucken, wenn das Präparat in der Apotheke vorliegt, damit keine falsche PZN abgerechnet wird.

Falls es zum verordneten Arzneimittel neben Importen auch noch vergleichbare generische Alternativen gibt, so sind diese unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rahmenbedingungen natürlich ebenso für die Versorgung des Patienten zu prüfen (Rabattverträge, „Regel der drei Preisgünstigsten“, etc.). Der Austausch gegen ein „wirkstoffgleiches“ Generikum ist jedoch nicht erlaubt, falls der Arzt ein Aut-idem-Kreuz gesetzt hat, dies gilt selbst für rabattierte Generika!

Bedeutung des Aut-idem-Kreuzes

Die derzeit umfangreichste Diskussion verursacht das Aut-idem-Kreuz und dessen Wirkung auf den Austausch zwischen Original und Import, die als „identische“ Präparate gelten.

Grundsätzlich kann der Arzt mit dem Setzen des Aut-idem-Kreuzes einen Austausch des verordneten Arzneimittels auf ein vergleichbares Arzneimittel unterbinden. Allerdings bezieht sich dieses Verbot nur auf wirkstoffgleiche Arzneimittel, wie z.B. Original/Import gegen Generikum.

Da Original und darauf bezugnehmende Importe aber als identische Präparate gelten, hat das Aut-idem-Kreuz hier prinzipiell keine Wirkung – so war jedenfalls die Auslegung der Gesetzeslage bis zum Januar dieses Jahres.

Im sogenannten „Aut-idem-Urteil“ des Sozialgerichts Koblenz vom Jahresbeginn wurde dieser Sachverhalt allerdings anders beurteilt. Ein Arzt hatte einen bestimmten, eindeutig bezeichneten Import mit Aut-idem-Kreuz verordnet, die Apotheke hatte das Arzneimittel wie verordnet beliefert. Die Krankenkasse retaxierte die Verordnung, da das Original zum verordneten Import rabattiert war und sie der Auffassung war, dass der verordnete Import und das rabattierte Original als identische Präparate zu verstehen seien und somit auch das Setzen des Aut-idem-Kreuzes einen Austausch nicht verhindern könne. Der Apotheker klagte gegen die Retaxation — und bekam Recht.

Mit dem Urteil wurde also in diesem Fall entschieden, dass das Aut-idem-Kreuz der Therapiehoheit des Arztes Ausdruck verleiht und ein Austausch nicht erlaubt ist. Allerdings wirft dieses Urteil neue Fragen auf, vor allem, weil unterschiedliche Krankenkassen und Verbände verschiedene Auffassungen zu diesem Thema vertreten.

Zwar folgen der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband DAV grundsätzlich der Meinung des SG Koblenz, dass bei eindeutigen Verordnungen (Arzneimittel plus Hersteller bzw. PZN), die keinen Ermessensspielraum lassen, das Aut-idem-Kreuz zu berücksichtigen ist. Ebenso folgte die ABDATA dem Urteil und wies die EDV-Anbieter der Apotheken an, die Software entsprechend dem Urteil anzupassen. Auch die beklagte Krankenkasse erkannte das Urteil an und verzichtete auf weitere Rechtsmittel.

Allerdings betont der größte Teil der Krankenkassen, z.B. die AOK Baden-Württemberg, dass es sich bei dem Urteil um eine Einzelfallentscheidung handelt. Die AOK erklärte weiterhin, dass sie keine Retaxationen vornehmen würde, falls eine Apotheke — entgegen dem Urteil — ein mit Aut-idem-Kreuz verordnetes Präparat gegen ein identisches rabattiertes Original- bzw. Importarzneimittel austauschen sollte.

Auch der vdek-Verband versteht das Urteil als Einzelfallentscheidung und kann weitere Retaxationen aus diesem Grund nicht ausschließen, solange keine höchstrichterliche Entscheidung in dieser Sache vorliegt. Dieser Meinung schließt sich auch der Bayerische Apothekerverband an und empfiehlt den Apotheken in Bayern, weiterhin so vorzugehen wie vor dem Urteil. Die Situation bleibt für die Apotheken also weiterhin unsicher, denn es ist schwierig bis unvorhersehbar, wie die Krankenkassen mit entsprechenden Verordnungen umgehen werden.

Literaturtipp

Dieter Drinhaus, Johann Fischaleck

Retaxfallen

1. Auflage einschließl. 2. Akt.Lfg. 2014., 622 S., 222 farb. Abb., 18 farb. Tab., 23 Spar-Tipps, Loseblatt-Ausgabe, 89,00 Euro, ISBN 978-3-7692-6077-9, Deutscher Apotheker Verlag

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Fazit

Eine eindeutige Entscheidung bei der Wahl zwischen Original und Import zu treffen, ist häufig schwierig und auch mit dem „Aut-idem-Urteil“ wurde keine Rechtssicherheit für die Apotheken geschaffen. Vielmehr wurde die Situation eher noch unübersichtlicher, denn neben Importquote, Rabattverträgen, unklaren „Import-/Reimport“-Verordnungen, gesetzten Preisankern und der jeweiligen Liefersituation muss nun auch damit gerechnet werden, dass verschiedene Krankenkassen Verordnungen mit Aut-idem-Kreuz unterschiedlich beurteilen. Bei unklaren Verordnungen bleibt der Apotheke daher häufig nur eine Rücksprache mit dem Arzt, um gegebenenfalls eine Rezeptänderung bzw. eine eindeutige Verordnung zu erwirken. 

Autoren


Christina Dunkel,
Apothekerin, ist beim DeutschenApothekenPortal (DAP) unter anderem für die Beantwortung der Fragen zur korrekten Rezeptbelieferung zuständig.


Dieter Drinhaus,
Apotheker, moderiert das DAP-Retaxforum und ist Co-Autor der „Retaxfallen“ aus dem Deutschen Apotheker Verlag.

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