Arzneimittel und Therapie

Schwangere impfen, Säuglinge schützen

Kinder profitieren von Keuchhusten-Impfung im dritten Trimenon

Nach einer Keuchhustenwelle mit teilweise tödlichem Ausgang bei Säuglingen wurde in Großbritannien 2012 ein Impfprogramm ins Leben gerufen, das die Inzidenz von Keuchhusten-Erkrankungen insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern minimieren sollte. Dabei wurden Schwangere im dritten Trimenon gegen Keuchhusten geimpft. Der Erfolg dieser Maßnahme ist vielversprechend.

Keuchhusten (Pertussis) ist eine hoch ansteckende Krankheit, die durch Bordetella-pertussis-Bakterien verursacht wird. Vor allem bei Säuglingen kann es zu schwerwiegenden Komplikationen kommen. In Großbritannien wird – wie in Deutschland – mit der Grundimmunisierung ab Vollendung des zweiten Lebensmonats begonnen. Trotz einer hohen Durchimpfungsrate kommt es zu zyklischen Anstiegen von Keuchhusten-Erkrankungen. In Großbritannien wurde Ende 2011 ein besonders starker Anstieg an Pertussis-Fällen beobachtet, der sich 2012 fortsetzte. Besonders gravierend war die Zahl der Keuchhusten-Erkrankungen bei Säuglingen bis zum dritten Lebensmonat mit zum Teil letalem Ausgang.

Dies veranlasste die englische Gesundheitsbehörde im Oktober 2012 kurzfristig ein Impfprogramm für Schwangere ins Leben zu rufen. Die Impfung wurde zwischen der 28. und 38. Schwangerschaftswoche empfohlen – mit dem Ziel, Neugeborene bereits vor der Grundimmunisierung vor einer Infektion zu schützen. Verwendet wurde Repevax®, ein Vier-Komponenten-Impfstoff, der neben Diphtherie-, Tetanus-Toxoid und inaktivierten Polioviren einen azellulären Pertussis-Impfstoff enthält. Obwohl der Impfstoff während der Entwicklung nicht an Schwangeren getestet wurde, schien der erhoffte Nutzen gegenüber potenzieller Risiken zu überwiegen. Ein entsprechendes Pharmakovigilanzsystem wurde implementiert, sodass eventuelle Risiken schnellstmöglich identifiziert werden konnten.

78% weniger Erkrankungen

Nach Einführung des Programmes konnte rasch eine Durchimpfungsrate von 64% aller Schwangeren erreicht werden. Ab Oktober 2012 sank die Zahl der Erkrankungen über alle Altersgruppen hinweg. Der größte Rückgang an Erkrankungen konnte bei Säuglingen unter drei Monaten beobachtet werden. Verglichen mit dem Referenzzeitraum 2012 ging die Anzahl der Erkrankungen 2013 um 78% zurück (328 Fälle in 2012 vs. 72 Fälle in 2013). Auch die Zahl der Krankenhauseinweisungen sank in dieser Altersgruppe um 68%. Die Zahl der Todesfälle sank von 14 im Jahr 2012 auf drei im Jahr 2013. Die Effektivität der Impfung wurde mit 91% beziffert, wenn die Schwangere spätestens sieben Tage vor dem Geburtstermin geimpft wurde. Bei Schwangeren, die sechs Tage vor bis zu 13 Tage nach der Entbindung geimpft wurden, betrug die Effektivität nur mehr 38%.

Für den hohen Impfschutz, der durch die Einführung der Schwangeren-Impfung erreicht werden konnte, werden zwei Gründe genannt: zum einen die Übertragung der mütterlichen Antikörper auf das Neugeborene durch die Plazenta, zum anderen der Impfschutz der Mutter, die somit keine Infektionsquelle mehr darstellt.

Keine Sicherheitsbedenken

Ein weiterer ganz wesentlicher Aspekt, nämlich die Sicherheit der Impfung bei Schwangeren, wurde ebenfalls gründlich untersucht. Dabei wurden rund 20.000 geimpfte Schwangere mit einem Durchschnittsalter von 30 Jahren mit einer entsprechenden historischen Kontrollgruppe verglichen. Neben der Zahl der Totgeburten als primärer Zielparameter wurden zahlreiche weitere relevante Parameter wie Tod der Mutter oder des Neugeborenen, Eklampsie, Blutungen, Gebärmutterriss, Placenta praevia, Kaiserschnitt und geringes Geburtsgewicht untersucht. Außerdem wurde die Schwangerschaftsdauer verglichen. Nach Auswertung der Daten konnte kein erhöhtes Totgeburtrisiko festgestellt werden. Die Schwangerschaftsdauer wurde durch Gabe des Impfstoffs ebenfalls nicht verändert. Auch alle anderen beschriebenen Risiken waren bei den geimpften Schwangeren verglichen mit der Kontrollgruppe nicht erhöht. Somit liefern die gewonnenen Daten einen wertvollen Hinweis auf die Sicherheit und Unbedenklichkeit des Impfstoffes bei Schwangeren.

Aktueller RKI-Ratgeber zum Keuchhusten

Das Robert Koch-Institut (RKI) hat in seinem Epidemiologischen Bulletin vom Juli 2014 einen aktualisierten „Ratgeber für Ärzte - Pertussis (Keuchhusten)“ veröffentlicht. Darin wird betont, dass aus heutiger Sicht eine Eradikation von Pertussis im Gegensatz zu anderen impfpräventablen Krankheiten nicht möglich ist. Wegen der begrenzten Dauer der Immunität sowohl nach natürlicher Erkrankung als auch nach vollständiger Impfung können sich auch immunisierte Kinder, Jugendliche und Erwachsene wieder neu infizieren. Ziele der gegenwärtigen Impfstrategie in Deutschland sind daher ein möglichst frühzeitiger und vollständiger Impfschutz für die besonders gefährdeten Säuglinge und Kleinkinder (Grundimmunisierung), der sowohl im Vorschul- als auch im Jugendalter und bei Erwachsenen aufgefrischt werden sollte. Zur Prophylaxe stehen in Deutschland azelluläre Impfstoffe in Kombination mit anderen Antigenen zur Verfügung, einen monovalenten Pertussis-Impfstoff gibt es nicht mehr.

Quelle

Epidemiologisches Bulletin Nr. 29, 21. Juli 2014, Robert Koch-Institut, www.rki.de

Internationaler Trend?

In anderen Ländern wie Belgien, Neuseeland und den USA wird die Impfung von Schwangeren gegen Pertussis bereits empfohlen. Aussagekräftige Daten zur Durchimpfungsrate und Effektivität fehlen allerdings noch. Inwiefern sich diese Strategie in Deutschland durchsetzen wird, ist bislang noch offen. Grundsätzlich lassen sich die erhobenen Daten auch auf Deutschland übertragen. Der verwendete Impfstoff Repevax® ist – neben diversen anderen Kombinationsimpfstoffen – auch in Deutschland auf dem Markt. Die routinemäßige Impfung aller Schwangeren wird derzeit in Deutschland nicht empfohlen; eine mögliche Empfehlung wird die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) jedoch auf Basis der Studiendaten und Erfahrungen aus den USA und Großbritannien in naher Zukunft diskutieren. 

Quelle

Amirthalingam G et al. Effectiveness of maternal pertussis vaccination in England: an observational study. Lancet 2014; http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(14)60686-3

Donegan K et al. Safety of pertussis vaccination in pregnant women in UK: observational study. BMJ 2014;349:g4219. doi: 10.1136/bmj.g4219

McIntyre PB et al. Pertussis vaccine in pregnancy – first dose for every infant? Lancet 2014; http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(14)60977-6

Shapiro ED. Preventing pertussis. BMJ 2014;349:g4518. doi: 10.1136/bmj.g4518

 

Apothekerin Dr. Birgit Benedek

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