Arzneimittel und Therapie

Gut versorgt mit Folat?

Schon vor der Schwangerschaft den Folat-Status bestimmen

Zwischen der Folat-Konzentration in den Erythrozyten schwangerer Frauen und dem Risiko eines Neuralrohrdefekts beim Feten gibt es einen indirekt proportionalen Zusammenhang: je niedriger der Folat-Spiegel, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit eines Neuralrohrdefekts. Das ist das Ergebnis einer aktuell im BMJ publizierten Studie.

Durch eine unzureichende Folat-Versorgung in der Frühschwangerschaft steigt das Risiko für Frühgeburten, Spontanaborte und angeborene Fehlbildungen. Dazu gehören Fehlbildungen aufgrund eines fehlenden oder unvollständigen Verschlusses des Neuralrohrs, aus dem beim Menschen Gehirn und Rückenmark entstehen. Der Verschluss findet normalerweise zwischen dem 22. und 28. Tag nach Konzeption statt. Zu den häufigsten Formen von Neuralrohrdefekten gehört die Spina bifida aperta (offener Rücken), die zu 40% innerhalb der ersten beiden Lebensjahre tödlich ist.

Das für den Menschen essenzielle Folat kann der Organismus nicht selber herstellen und muss als natürliches „Folat“ über die Nahrung oder als synthetische „Folsäure“ als Supplement zugeführt werden. Es ist nicht einfach, die Folat-Versorgung nur durch Ernährungserhebungen zu beurteilen, weshalb sich die Bestimmung der Folat-Konzentration im Serum oder in den Folat-speichernden Erythrozyten anbietet.

Ziel der Studie war es, die zur Vermeidung von Neuralrohrdefekten optimale Folat-Konzentration in den Erythrozyten zu bestimmen. Eine amerikanische Gruppe des Centers for Disease Control and Prevention in Atlanta hat hierfür zwei bevölkerungsbasierte Studien aus China analysiert, in denen mit Folsäure substituiert wurde. Insgesamt fast 250.000 chinesische Frauen im „gebährfähigen Alter“ nahmen täglich 400 µg Folsäure-Supplement zu sich. Die Folat-Konzentration in den Erythrozyten wurde am 28. Tag nach Befruchtung gemessen, der genaue Zeitpunkt der Befruchtung anhand der letzten Menstruationsblutung vor Beginn der Schwangerschaft abgeschätzt. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass das Risiko für die Entstehung eines Neuralrohrdefekts bei einer niedrigen Folat-Konzentration am höchsten war. Bei einer Konzentration von 500 nmol/l Folat in Erythrozyten traten durchschnittlich 25,4 Neuralrohrdefekte pro 10.000 Geburten auf, bei einer Konzentration von 1180 nmol/l war das Risiko eines Neuralrohrdefekts um mehr 75% gesunken und lag bei sechs Fällen pro 10.000 Geburten. Als Ergebnis der Studie wird ein Grenzwert von 1000 nmol/l vorgeschlagen, was sich mit den Erkenntnissen aus einer früheren Studie deckt. Allerdings ist nicht bekannt, wie groß die Folat- bzw. Folsäure-Zufuhr sein muss, um diese Konzentration zu erreichen. In der Studie wurde die Messung in den Erythrozyten gewählt, was als Indikator für den langfristigen Vorsorgungszustand gilt, aber nur in spezialisierten Zentren durchgeführt werden kann. Die Bestimmung der

Serumfolat-Konzentration hingegen ist einfacher und laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) als Parameter zur Beurteilung der Folat-Versorgung geeignet. In Deutschland finden aber keine routinemäßigen Bluttests zur Bestimmung des Folat-Spiegels bei Schwangeren statt. Eine Messung am 28. Entwicklungstag wäre ohnehin schon zu spät, da ein Neuralrohrdefekt zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu verhindern ist.

Theoretisch kann der Bedarf allein über Folat-reiche Nahrung wie Gemüse und Vollkornprodukte gedeckt werden. Die DGE empfiehlt Frauen mit Kinderwunsch zusätzlich täglich mindestens vier Wochen vor Empfängnis bis zum Ende des 1. Trimenons 400 µg Folsäure zu substituieren. Da Neuralrohrdefekte in Deutschland mit ein bis zwei Kindern/1000 Lebendgeborene häufiger als im internationalen Vergleich vorkommen, wird eine Beimengungspflicht von Folsäure in Mehl, was z.B. in den USA und in Kanada gesetzlich vorgeschrieben ist, auch bei uns diskutiert.

Quelle

Crider KS et al. Population red blood cell folate concentrations for prevention of neural tube defects: bayesian model. BMJ 2014;349:g4554

Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr, Folat. Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE), Schweizerische Gesellschaft für Ernährungsforschung (SGE), Schweizerische Vereinigung für Ernährung (SVE), www.dge.de/pdf/ws/Referenzwerte-2013-Folat.pdf

 

Apothekerin Dipl.-Pharm. Elisabeth Pfister

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