Arzneimittel und Therapie

HPV-Impfung auch für Jungen?

Andere Länder – andere Empfehlungen

Die Empfehlungen für eine Ausweitung der HPV-Impfung werden derzeit erneut diskutiert. Ein Ende Juli im British Medical Journal veröffentlichtes Statement spricht sich für eine Impfung von Jungen und Mädchen mit der tetravalenten Vakzine aus.

Seit 2006 ist der tetravalente HPV-Impfstoff Gardasil® im Handel. Seine damalige Zulassung umfasste die Prävention von Gebärmutterhalskrebs, vulvären und vaginalen Krebsvorstufen sowie Genitalwarzen. 2013 erfolgte eine Zulassungserweiterung zur Prävention des Analkarzinoms und analer präkanzeröser Läsionen bei Mädchen und Jungen ab neun Jahren. Die derzeitigen Anwendungsgebiete von Gardasil® umfassen also die Prävention von

  • Vorstufen maligner Läsionen im Genitalbereich (Zervix, Vulva und Vagina), Vorstufen maligner Läsionen im Analbereich, Zervix- und Analkarzinomen, die durch bestimmte onkogene Typen des humanen Papillomavirus (HPV) verursacht werden
  • Genitalwarzen (Condylomata acuminata), die durch spezifische HPV-Typen verursacht werden.

Aufgrund der EMA-Zulassung für die Anwendung bei Jungen und Männern wurden Ergebnisse entsprechender klinischer Studien in die Fachinformation aufgenommen.

Der in Deutschland ebenfalls erhältliche HPV-Impfstoff Cervarix® ist ein bivalenter Impfstoff (gegen die HPV-Typen 16 und 18), der bisher nur bei Mädchen ab einem Alter von neun Jahren zur Prävention von prämalignen genitalen Läsionen der Zervix, Vulva und Vagina und von Zervixkarzinomen, die durch bestimmte onkogene humane Papillomaviren verursacht werden, zugelassen ist. Cervarix® ist derzeit nicht für Jungen und Männer zugelassen, für diesen Impfstoff gibt es bisher ausschließlich Studien zur Antikörperbildung bei zehn- bis 18-jährigen Jungen, die Wirksamkeit gegen HPV-Infektionen oder HPV-bedingten Erkrankungen bei Jungen wurde bei diesem Impfstoff bisher nicht untersucht.

Unterschiedliche Empfehlungen

In nationalen und internationalen Impfempfehlungen wird die Indikationserweiterung unterschiedlich gehandhabt.

In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission beim Robert Koch-Institut (STIKO) die Impfung für Mädchen von zwölf bis 17 Jahren sowie (nach Indikationsstellung durch den Arzt) die Impfung junger Frauen, die bislang keine HPV-Impfung erhalten haben. Zur Impfung von Jungen bzw. jungen Männern hat sich die STIKO bisher nicht geäußert.

Als erstes Bundesland in Deutschland spricht sich Sachsen zusätzlich für eine Impfung von Jungen und Männern (bevorzugt im Alter von zwölf bis 17 Jahren) aus. Diese Empfehlung basiert unter anderem auf den Ergebnissen und Bewertungen einer klinischen Studie, die Wirksamkeit und Sicherheit des tetravalenten HPV-Impfstoffes bei mehreren tausend Männern im Alter von 16 bis 26 Jahren in 18 Ländern untersuchte.

In Österreich wird die HPV-Impfung seit Februar 2014 für alle in Österreich lebenden Kinder in der vierten Schulstufe (vollendetes neuntes Lebensjahr) kostenfrei im Rahmen des bestehenden Schulimpfprogramms angeboten. Die Impfung wird möglichst vor Eintritt in das sexuell aktive Alter empfohlen, kann aber an einem späteren Zeitpunkt erfolgen.

Kanada spricht sich für eine Routineimpfung für Jungen bzw. Männer zwischen neun und 26 Jahren aus, Australien für Jungen im Alter von zwölf bis 13 Jahren.

Die US-amerikanische Impfkommission ACIP empfiehlt eine Routineimpfung aller elf oder zwölf Jahre alten Jungen, eine Impfung aller bisher nicht oder nicht vollständig geimpften männlichen Jugendlichen von 13 bis 21 Jahren sowie eine Impfung von Männern von 22 bis 26 Jahren, insbesondere beim Vorliegen von Risikofaktoren.

Ein englisches Komitee (Joint Committee on Vaccination and Immunisation) prüft derzeit die Ausweitung der HPV-Impfung auf Jungen, unter anderem auch unter gesundheitsökonomischen Aspekten.

Was spricht für eine Indikationserweiterung?

Infektionen mit humanen Papillomaviren betreffen Frauen und Männer gleichermaßen. Viele dieser Infektionen sind transient und klinisch unbedeutend. Persistierende Infektionen mit den HPV-Stämmen 6 und 11 können jedoch zu Genitalwarzen, Infektionen mit den HPV-Stämmen 16 und 18 bei Frauen zu prämalignen Vorstufen und Tumoren des Genitalbereichs sowie bei Männern zu Karzinomen an Penis, Anus und Oropharynx (inklusive Vorstufen) führen. Die Inzidenz dieser Tumore ist in den letzten 20 Jahren weltweit angestiegen – so etwa die Häufigkeit von Analkarzinomen in England um nahezu 300% – und man geht davon aus, dass 5% aller Tumorerkrankungen auf eine HPV-Infektion zurückzuführen sind. Eine logische Konsequenz ist die Ausweitung der Impfung auf Heranwachsende beiderlei Geschlechts, zumal gezeigt wurde, dass eine Impfung von heranwachsenden Jungen und Männern das Auftreten von Genitalwarzen und Tumoren im Genitalbereich deutlich verringert. Eine Impfung von Mädchen und Jungen führt zu einer stärkeren Abnahme der Häufigkeit HPV-assoziierter Erkrankungen als die alleinige Impfung der Mädchen.

Aktuelle Stellungnahme im BMJ

Vor dem Hintergrund der Zunahme HPV-assoziierter Erkrankungen und der Wirksamkeit einer Impfung gegen humane Papillomaviren bei Mädchen und Jungen sprechen sich Autoren im British Medical Journal (BMJ) für eine Erweiterung des Impfprogramms aus. Gefordert wird eine Impfung aller zwölf- bis 13-jährigen Jungen und Mädchen. In diesem Alter ist die Immunantwort so hoch, dass auch eine zweimalige Impfung ausreichen könnte. Einschränkungen auf bestimmte Personengruppen wie Mädchen oder Homosexuelle seien wenig effektiv bzw. unethisch, so die Autoren. 

Quellen

Stanley M. HPV vaccination. BMJ 2014;349:g4783 doi:10.1136/bmj.g4783

Prue G. Vaccinate boys as well as girls against HPV: it works, and it may be cost effective. BMJ 2014;349:g4834 doi:10.1136/bmj.g4834

Fryhofer SA. Adult immunization 2012: Politics, process, and progress. Ann Intern Med. 2012;156(3):243-245

Marty R et al. Estimating the clinical benefits of vaccinating boys and girls against HPV-related diseases in Europe. BMC Cancer 2013 Jan8;13:10

Fachinformation Gardasil®, Stand Juni 2014

Fachinformation Cervarix®, Stand Dezember 2013

Empfehlungen der Sächsischen Impfkommission zur Durchführung von Schutzimpfungen im Freistaat Sachsen, www.slaek.de/de/03/36impfen/pdf/E1_2014.pdf, Stand 1. Januar 2014

HPV-Impfung gratis. Bundesministerium für Gesundheit Österreichs, 17. Juni 2014, www.bmg.gv.at/home/Startseite/aktuelle_Meldungen/HPV_Impfung_gratis

Joint Committee on Vaccination and Immunisation, www.gov.uk/government/groups/joint-committee-on-vaccination-and-immunisation

 

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

 

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