Hepatitis C

Die Infektion und die Folgen

Hepatitis-C-Viren gefährden nicht nur die Leber

Von Clemens Bilharz | Die Hepatitis C gehört zu den häufigsten Infektionskrankheiten weltweit. Hauptursache in Deutschland ist die intravenöse Injektion von Drogen. Die akute Infektion bleibt häufig unbemerkt. Bei chronischem Verlauf droht die Entwicklung einer Leberzirrhose und eines Leberzellkarzinoms. Verschiedene Genotypen des Hepatitis-C-Virus sind bekannt, die bislang unterschiedlich auf die verfügbaren antiviralen Substanzen reagierten. Doch nun versprechen neue Substanzen Heilung (siehe Artikel "Therapie der chronischen Hepatitis C"). Die Diskussion über die Kosten ist in vollem Gange (siehe Artikel "Teures Sofosbuvir").

Weltweit leiden derzeit bis zu 170 Millionen Menschen an einer chronischen Hepatitis-C-Infektion, und jährlich kommen drei bis vier Millionen Neuinfektionen hinzu. Seit der Entdeckung des Hepatitis-C-Virus (HCV) im Jahr 1988 wurden sieben verschiedene Genotypen und zahlreiche Subtypen identifiziert. Von klinischer Bedeutung für die westlichen Industrieländer, also auch Deutschland, sind vor allem die Genotypen 1, 2 und 3. Die verbleibenden Genotypen betreffen in erster Linie Menschen in Afrika (HCV-4 und -5) oder Asien (HCV-6) und gehen in einzelnen Ländern mit hohen Prävalenzraten einher, beispielsweise in Ägypten mit 22%.

Niedrige Prävalenz in Deutschland

In Europa variiert die HCV-Prävalenz, gemessen an positiven HCV-Antikörpern, zwischen ca. 0,4% in Deutschland, Schweden und den Niederlanden und 2 bis 3% in den Mittelmeerländern. Bei einer Chronifizierungsrate von 70 bis 80% muss man davon ausgehen, dass hierzulande zwischen 400.000 und 500.000 Menschen an chronischer Hepatitis C erkrankt sind. Weltweit sterben jährlich mehr als 350.000 Menschen an Lebererkrankungen, die auf eine Hepatitis-C-Infektion zurückzuführen sind.

Problematisch an epidemiologischen Daten ist allerdings, dass Risikogruppen wie etwa injizierende Drogenabhängige in den auf die Allgemeinbevölkerung bezogenen Surveys nicht zwingend erfasst werden. Auch muss damit gerechnet werden, dass Ärzte aufgrund der Migrations- und Flüchtlingssituation vermehrt auch mit in Europa bislang seltenen Genotypen konfrontiert werden. So findet sich der in Nordafrika und vor allem Ägypten verbreitete Genotyp 4 zunehmend auch in Anrainerstaaten des Mittelmeers, beispielsweise in Italien, Spanien und Frankreich.

Hauptübertragung durch Drogenmissbrauch

Übertragen wird das Hepatitis-C-Virus fast ausschließlich durch Blut. Auch wenn sich durch Spritzenaustauschprogramme die Rate an Neuinfektionen verringert hat, ist in Deutschland die parenterale Infektion durch intravenösen Drogenmissbrauch immer noch der häufigste Weg (laut Robert Koch-Institut in 87% der Fälle mit Angaben zur Übertragung, davon überwiegend Männer). In den vergangenen Jahren wurden zunehmend Fälle von akuter Hepatitis C bei homosexuellen Männern beobachtet, voraus gingen häufig sexuelle Kontakte mit hohem Infektionsrisiko, vor allem ungeschützter Analverkehr.

Die Übertragung von HCV-positiven Müttern auf das Neugeborene (sogenannte vertikale Transmission) ist insgesamt selten, liegt aber bei einer HIV-/HCV-Koinfektion bei über 5%. In vielen Fällen lässt sich der Infektionsweg nicht sicher klären, eine gewisse Rolle dürften auch unsterile Praktiken bei Tätowierungen, Piercings und Akupunkturen spielen. Die Inkubationszeit beträgt in der Regel sieben bis acht Wochen. Solange HCV-RNA im Blut nachweisbar ist, besteht eine Ansteckungsgefahr.

Genetisch variables Hepatitis-C-Virus

Beim Hepatitis-C-Virus handelt es sich um ein einsträngiges, aus 9500 Nukleotiden bestehendes umhülltes RNA-Virus aus der Familie der Flaviviren. Aufgrund einer hohen Mutationsrate zeigt es eine ausgeprägte genetische Variabilität. Die Analyse der RNA-Sequenzen ermöglichte es, verschiedene Genotypen zu identifizieren (bezeichnet mit den Ziffern 1, 2, 3 ...), welche aufgrund genetischer Unterschiede wiederum in Subtypen (a, b, c ...) unterteilt wurden.

Die weltweit höchste Prävalenz hat Genotyp 1, wobei in Europa in erster Linie Subtyp 1b und in den USA Subtyp 1a zu finden ist. Genotyp 2 wiederum wird in mediterranen Ländern häufiger nachgewiesen als in anderen Ländern Europas. Unterschiede in der Virulenz der verschiedenen Geno- oder Subtypen bestehen nach heutigem Wissensstand nicht, allerdings sprach Genotyp 1 auf die bisherigen antiviralen Therapieoptionen bislang schlechter an als die Genotypen 2 und 3.

Akute Infektion meist unbemerkt oder unspezifisch

In etwa 75% verläuft eine Infektion mit HCV unbemerkt oder allenfalls mit unspezifischen, grippeähnlichen Symptomen. Daher findet hier eine zu einer „Frühdiagnose“ führende Diagnostik in den meisten Fällen nicht statt. Etwa 25% der Infizierten entwickeln eine akute, jedoch meist milde Hepatitis, die mit Beschwerden wie Abgeschlagenheit, Übelkeit und rechtsseitigen Oberbauchschmerzen einhergehen kann. Die Transaminasenwerte sind oft nur mäßig erhöht.

Auch wenn es in den ersten drei bis sechs Monaten zu einer spontanen Viruselimination kommen kann, gehen bis zu 85% der Infektionen in eine chronische Form über. Oft äußert sich diese klinisch zunächst ebenfalls mit uncharakteristischen Beschwerden. Mit der Zeit jedoch kann die Lebensqualität der Betroffenen signifikant eingeschränkt sein. Je nach Untersuchung leiden bis zu 70% der Patienten an Symptomen wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Juckreiz, Gelenkbeschwerden, Einschränkung der Leistungsfähigkeit, subklinischen kognitiven Störungen sowie psychomotorischer Verlangsamung. Typisch sind fluktuierende Transaminasenerhöhungen.

Kriterien für ungünstigen Verlauf

Darüber hinaus kann sich die Erkrankung im Rahmen des chronischen Verlaufs bei bis zu drei Vierteln der Patienten auch extrahepatisch manifestieren, beispielsweise als

  • autoimmune Schilddrüsenerkrankung (v.a. Hashimoto-Thyreoiditis),
  • Insulinresistenz, Diabetes mellitus,
  • periphere Neuropathie,
  • membranöse bzw. membrano-proliferative Glomerulonephritis,
  • idiopathische Thrombozytopenie
  • monoklonale Gammopathie (krankhafte bzw. bösartige Vermehrung eines Immunglobulins im Blutplasma).

Auch die Assoziation der HCV-Infektion mit bestimmten malignen hämatologischen Erkrankungen, insbesondere Non-Hodgkin-Lymphomen, gilt inzwischen als gesichert.

Aufgrund der variablen Progression der Erkrankung ist es in der Regel nicht möglich, die individuelle Prognose abzuschätzen. Parameter wie der HCV-Genotyp oder die Viruslast scheinen keinen wesentlichen Einfluss zu haben. Demgegenüber sprechen folgende Risikofaktoren für einen eher ungünstigen Verlauf:

  • Alter des Patienten,
  • männliches Geschlecht,
  • chronischer Alkoholkonsum,
  • Leberverfettung (Steatosis hepatis), Diabetes mellitus,
  • Übergewicht, metabolisches Syndrom,
  • chronische Hämodialyse,
  • Ko-Infektion mit HIV oder HBV (Hepatitis B).

Aufgrund gleicher Übertragungswege kommen HIV-/HCV-Doppelinfektionen häufig vor. Bis zu 30% der HIV-Patienten (und bis zu 10% der HBV-Patienten) sind auch HCV-positiv. Der klinische Verlauf der Hepatitis C wird durch den Grad der HIV-bedingten Immunsuppression bestimmt, das heißt je fortgeschrittener der HIV-Immundefekt, desto beschleunigter die Progression der Lebererkrankung.

Endstadium Leberzirrhose

Letztendlich wird der Verlauf der chronischen HCV-Infektion durch die inflammatorische Aktivität determiniert sowie durch die sukzessive Entwicklung einer Leberfibrose. Beständige Noxen wie Hepatitisviren, aber auch Alkohol oder Faktoren des metabolischen Syndroms, schädigen die Zellarchitektur. Aktive Leberepithelzellen (Hepatozyten) sterben ab, worauf Mediatorstoffe wie chemotaktische Zytokine freigesetzt werden. Diese Reaktion führt wiederum zur Infiltration von Entzündungszellen (T-Zellen, Monozyten) und zur Aktivierung von Lebermakrophagen. Von zentraler Bedeutung ist hierbei, dass sich ein bestimmter Zelltyp, die hepatischen Sternzellen, in kollagenproduzierende Zellen umwandeln. Die hierdurch einsetzende Fibrosierung („Vernarbung“) beschreibt einen Vorgang, bei dem sich zunehmend kollagenes Bindegewebe auf Kosten von funktionierendem Organgewebe in die Leber einlagert.

Auch wenn die Leberfibrose prinzipiell reversibel ist, erreicht dieser Umbauvorgang bei zwei bis 35% der Patienten nach 20 bis 25 Jahren das Stadium der Leberzirrhose. Deren Vollbild ist histopathologisch durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

  • Zerstörung der hepatischen Läppchen- und Gefäßstruktur,
  • Ausbildung kollagenfaserreicher Bindegewebsstreifen, die das Leberparenchym inselförmig aufteilen,
  • kompensatorische Proliferation verbleibenden Lebergewebes inmitten des zerstörten Organparenchyms, welche zur Ausbildung abnormer Regeneratknoten führt,
  • Störung der intrahepatischen Blutzirkulation, die mit der Ausbildung von Shunts (Gefäßkurzschlüssen) und einem steigenden venösen Blutdruck in der Pfortader einhergeht (portale Hypertension).

Hierdurch kann die Leberfunktion zunehmend beeinträchtigt werden. Dies betrifft nicht nur die Detoxifikation von endogenen (Bilirubin, Ammoniak) und exogenen (Medikamente) Giftstoffen, sondern auch die Synthese wichtiger hepatischer Biomoleküle (Transportproteine, Gerinnungsfaktoren, Globuline) sowie die Regulierung des Vitamin- und Spurenelementstoffwechsels.

Darüber hinaus kann sich auf dem Boden einer Leberzirrhose ein maligner Lebertumor entwickeln, das kumulative Fünfjahresrisiko für die Ausbildung eines hepatozellulären Karzinoms (HCC) wird mit ungefähr 17% angegeben. Man nimmt an, dass in Europa und den USA etwa 30% aller Fälle von Leberzirrhose und etwa 25% der Fälle mit einem HCC auf eine Hepatitis-C-Infektion zurückzuführen ist.

Literatur

[1] Robert Koch-Institut. Virushepatitis C im Jahr 2012. Epidemiologisches Bulletin 30/2013,273-280

[2] Thomas C (Hrsg). Histopathologie kompakt. Stuttgart: Schattauer 2004;78-80

[3] Sazzarin C, Dollinger M, Protzer U, Cornberg M, et al. Update der S3-Leitlinie Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-C-Virus(HCV)-Infektion, Z Gastroenterol 2010;48:289–351

[4] Wedemeyer H, Hardtke S, Cornberg M. Therapie der Hepatitis C. Chemotherapie Journal 2012;1(21):1-3

[5] Zipprich A, Dollinger M. Hepatitis C – die vernachlässigten Genotypen. Hepatitis&more 2/2010

[6] Hepatitis C. In: Herold G und Mitarbeiter. Innere Medizin, 2014:527-531

 

Autor

Clemens Bilharz ist Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin und zusätzlich als wissenschaftlicher Fachzeitschriftenredakteur ausgebildet. Er ist als Autor und Berater für Fachverlage und Agenturen tätig.

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