Thema Varizellen

Quälender Juckreiz

Wie sich Windpocken-Komplikationen vermeiden lassen

Von Ines Winterhagen | Charakteristisch für die Windpocken ist ein stark juckender Hautausschlag, der sich schubweise entwickelt und über den ganzen Körper ausbreitet. Die Hautläsionen, bestehend aus Papeln, Bläschen und Krusten in verschiedenen Entwicklungsstadien heilen meist narbenlos ab. Mit einer sorgfältigen Hautpflege und geeigneten Maßnahmen gegen den Juckreiz lassen sich oft auch Komplikationen wie bakterielle Superinfektionen vermeiden.

Typische Windpocken-Symptome: Ausschlag und Bläschen

Nach einer Prodromalphase der Windpocken mit unspezifischen Beschwerden wie mäßigem Fieber, leichten Kopf- und Gliederschmerzen oder Appetitlosigkeit tritt etwa zwei Wochen nach der Ansteckung zunächst ein stark juckendes Exanthem mit linsengroßen, flachen und roten Flecken auf. Dieses breitet sich vom Kopf bis zu den Füßen aus. Anfangs sind vor allem Rumpf, Gesicht und behaarter Kopf betroffen, erst später die Gliedmaßen. Auch die Schleimhäute des Mundes sowie der Genitalien zeigen Symptome, nur die Fußsohlen und Handinnenflächen bleiben verschont. Die Hauteffloreszenzen entwickeln sich rasch zu Papeln und zu mit klarem Sekret gefüllten, stark juckenden Vesikeln. Die Bläschen platzen schließlich auf, verkrusten nach ein bis zwei Tagen und heilen narbenlos ab, sofern der Betroffene nicht kratzt und die Hautläsionen auf die Oberhaut begrenzt bleiben. Über einen Zeitraum von etwa drei bis fünf Tagen können sich immer wieder neue Papeln bilden, so dass alle Stadien – Flecken, frische neue Bläschen und eingetrocknete Krusten unterschiedlicher Größe – gleichzeitig nebeneinander auftreten (sogenanntes Sternenhimmel-Phänomen bzw. Heubner-Sternenkarte) [1]. Der Schweregrad der Hautläsionen kann sehr unterschiedlich ausfallen. Kleine Kinder bilden meist weniger Bläschen aus als ältere Personen. Durch starkes Kratzen oder bakterielle Superinfektionen mit Staphylococcus aureus oder Staphylococcus pyogenes können Narben zurückbleiben.

Behandlung: Dem Juckreiz begegnen

Bei einem gutartigen Verlauf genügt eine symptomatische Therapie mit antiseptischen und antipuriginösen Präparaten. Zum Austrocknen der Windpocken-Pusteln werden Puder oder zinkhaltige Schüttelmixturen wie Lotio alba oder Anaesthesulf Lotio (erstattungsfähig für Kinder bis zwölf Jahre) eingesetzt. Diese zeichnet sich durch eine dreifache Wirkung aus: die Galenik der Schüttelmixtur kühlt, Lauromacrogol 400 (alte Bezeichnung: Polidocanol) wirkt örtlich leicht betäubend und juckreizlindernd. Das entzündungshemmende Zinkoxid trocknet juckende Bläschen aus und bringt sie damit auch schneller zum Abheilen. Die Lotio kann schon bei Säuglingen angewendet werden, nur nicht bei Frühgeborenen in den ersten Lebenswochen. Zudem darf sie nicht in die Augen gerieben werden. Vor Gebrauch wird die Flasche zunächst gut geschüttelt, anschließend kann die Zubereitung ein- bis dreimal täglich mit einem Wattebausch oder Wattestäbchen einzeln auf die juckenden Bläschen dünn aufgetragen werden. Nach Beendigung der Behandlung lässt sich die Suspension mit lauwarmem Wasser leicht abspülen. Das Einreiben von gesunder Haut sollte so weit wie möglich vermieden werden, da die Haut darunter stark austrocknet [2].

Tannosynt® und Tannolact® Lotio sind Zinkoxid-Schüttelmixturen mit 1% synthetischem Gerbstoff (Phenol-Methanal-Harnstoff-Polykondensat, sulfoniert, Natriumsalz). Sie wirken entzündungshemmend, juckreizlindernd und austrocknend [3]. Die Lotionen sind sehr gut verträglich und können in Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern und Kleinkindern angewendet werden, auch im Genito-Anal-Bereich. Nach kräftigem Schütteln der Flasche erfolgt die Anwendung je ein- bis zweimal täglich [4, 5]. Unterstützend können orale Antihistaminika (z.B. Fenistil® Tropfen) gegeben werden. Sie wirken nicht nur juckreizlindernd, sondern erleichtern gerade bei Kindern auch das Einschlafen. Falls nicht anders verordnet erhalten Kinder von ein bis acht Jahren dreimal täglich 10 bis 15 Tropfen, ab neun Jahren je 20 Tropfen, Erwachsene jeweils 20 bis 40 Tropfen [6]. Zur lindernden Behandlung der kleinflächigen, oberflächlichen Varizellen-Bläschen steht ein Polypeptidgemisch aus Gramicidin und Tyrocidin 0,1-prozentige Zubereitung (Tyrosur® Gel und Puder) zur Verfügung. Das antimikrobielle wirkende Peptid bekämpft Infektionen und beschleunigt die Wundheilung.

Gerade bei heftiger Ausprägung der Windpocken lässt sich der Juckreiz trotz der angeführten Medikamente nicht ausreichend lindern. Kratzen muss aber dennoch so weit wie möglich vermieden werden, da ansonsten unter Umständen deutliche Narben zurückbleiben können (siehe Kasten „Verhaltenstipps“).

Verhaltenstipps

  • Bläschen nicht aufkratzen, da es sonst zu zusätzlichen, bakteriellen Infektionen (Sekundärinfektionen) kommen kann.
  • Fingernägel kurz schneiden, um Kratzwunden und spätere Narben zu vermeiden – der Juckreiz verleitet immer wieder zu bewusstem oder unbewusstem Kratzen der Haut.
  • Babys bei heftigem Juckreize kleine Fäustlinge anziehen.
  • Varizellen-Bläschen, die noch nicht verkrustet sind, können sich leicht entzünden; daher sollte Baden bis zur Verkrustung unterbleiben, kurzes Duschen ist erlaubt. Vorsicht jedoch beim Abtrocknen (nicht zu stark rubbeln, um keine Krusten abzureißen)!
  • Weite, luftige Kleidung aus Baumwolle tragen, um den Juckreiz nicht zu verstärken.
  • Aufenthalt in kühler Umgebung, nächtliches Schwitzen verhindern.
  • Im Bläschenstadium lindern kalte Umschläge den starken Juckreiz.
  • Auf Hygiene achten: mehrmals am Tag die Hände waschen.
  • Bei vielen Bläschen im Mund können Schmerzen beim Essen auftreten; nur mild gewürzte, pürierte, lauwarme Kost zu sich nehmen.
  • Wegen der Ansteckungsgefahr ab Beginn des Hautausschlags sieben Tage das Haus nicht verlassen, das gilt auch für sehr leichte Verläufe.

Windpocken – natürlich behandeln

Eine (anthroposophisch-)homöopathische Behandlung kann bei Windpocken als unterstützende Therapie dienen. Belladonna D6 wird vor allem für das Anfangsstadium der Windpocken, bei brennenden Hautrötungen mit wellenförmigem Schmerzverlauf eingesetzt, Rhus toxicodendron D12 bei Bläschen mit dunkelrotem Hof und wässrigem Sekret. Bei sehr stark juckender Haut und Windpocken-Bläschen mit honiggelber Flüssigkeit sowie bei später auftretenden dicken, gelblichen Krusten kann auf Antimonium crudum D12 zurückgegriffen werden. Es ist wird gerne dann eingesetzt, wenn der Ausschlag auch die Mundschleimhaut befallen hat und die Zunge dick weiß belegt ist. Der Betroffene ist äußerst reizbar und will weder angesehen noch angefasst werden [7].

Impfempfehlung der STIKO

Seit August 2004 wird die Varizellen-Schutzimpfung von der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) für alle Kinder und Jugendlichen empfohlen. Die erste Dosis der Impfung wird in der Regel im Alter von elf bis 14 Monaten durchgeführt, und zwar entweder simultan mit der ersten MMR-Impfung an verschiedenen Körperstellen oder frühestens vier Wochen nach dieser. Es kann auch ein MMR-Varizellen (MMRV)-Kombinationsimpfstoff angewendet werden. Die zweite Dosis Varizellen-Impfstoff sollte im Alter von 15 bis 23 Monaten erfolgen. Der Mindestabstand zwischen zwei Dosen Varizellen- bzw. MMRV-Impfstoff sollte vier bis sechs Wochen betragen in Abhängigkeit des verwendeten Impfstoffs.

Alle ungeimpften Kinder und Jugendliche ohne Varizellen-Anamnese sollten möglichst mit zwei Dosen (Mindestabstand vier bis sechs Wochen) bald geimpft werden, da die Erkrankung bei Ihnen mit einer höheren Komplikationsrate einhergeht. Kinder und Jugendliche, die bisher nur eine Varizellen-Impfung erhalten haben, sollen eine zweite Impfung bekommen.

[Quelle: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut/Stand: August 2014. Epidemiologisches Bulletin Nr. 34 vom 25. August 2014]

Äußerlich kann zur Austrocknung und Linderung des juckenden Ausschlags mehrmals täglich Wecesin® Pulver (Weleda; enthält ethanolische Auszüge von Arnika, Calendula und Echinacea sowie Quarz und Antimon) auf die Bläschen aufgestreut [8, 9] werden. Alternativ können Combudoron® Gel (Weleda, ethanolische Auszüge von Arnica montana und Urtica urens) bzw. Imlan® Creme pur (Betulin) aufgetragen werden. Bei starkem Befall der Mundschleimhaut kommt der Mundbalsam Wala (anthroposophisches Arzneimittel) zum Einsatz, zur Pflege bei zurückbleibenden Narben das Narbengel Wala (anthroposophisches Arzneimittel), das bis zu vier Wochen lang zweimal täglich aufzutragen ist. Sitzbäder mit Kamillenzusatz oder 1:20 verdünnter Quercus-Essenz (Wala) können bei Mädchen das Jucken im Vaginalbereich lindern. Treten bakterielle Superinfektionen auf, kann die Anwendung lokaler antibiotischer Cremes (z.B. Fucidine®) bzw. bei schweren Verläufen sogar die innerliche Gabe von Antibiotika erforderlich werden. Bei weniger schweren Verläufen wird auch auf Bäder oder das Abtupfen mit verdünnter Calendula-Essenz zurückgegriffen [8].

Quelle

[1] Höger P. Kinderdermatologie, 3. Aufl., Schattauer Verlag, Stuttgart 2011

[2] Gebrauchsinformation Anaesthesulf Lotio, Stand Januar 2012

[3] Fölster-Holst R, Latussek E. Synthetic tannins in dermatology – a therapeutic option in a variety of pediatric dermatoses. Pediatric Dermatology 2007; 24 (3): 296-301

[4] Fachinformation Tannosynt® Lotio, Stand Juli 2011

[5] Fachinformation Tannolact® Lotio, Stand Juli 2013

[6] Fachinformation Fenistil® Tropfen, Stand Februar 2011

[7] Wiesenauer M, Kirschner-Brouns S. Das große Homöopathie Handbuch, 1. Aufl., Gräfe und Unzer Verlag, München 2007

[8] Vagedes J, Soldner G. Das Kinder Gesundheitsbuch, 4. Aufl., Gräfe und Unzer Verlag, München 2011

[9] Soldner G, Stellmann HM. Individuelle Pädiatrie, 4. Aufl., Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2011

Autorin

Ines Winterhagen hat in Marburg Pharmazie studiert und ist seit der Approbation 2003 in der öffentlichen Apotheke tätig. Sie ist Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Homöopathie und Naturheilkunde. In der Reihe „Beratungspraxis“, die im Deutschen Apotheker Verlag erscheint, schrieb sie die Bücher „Neurodermitis“ und „Psoriasis“. Sie ist Referentin und Mitglied im Weiterbildungsausschuss der LAK Baden-Württemberg.

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