Arzneimittel und Therapie

Keine Gefahr für das Ungeborene

Antikonvulsiva erhöhen das Risiko für Spontanaborte und Totgeburten nicht!

Viele Frauen mit Epilepsie und Kinderwunsch sind sich nicht sicher, ob ihre Erkrankung für den Fötus besonders riskant ist. Auch befürchten sie, dass das Kind durch die Einnahme von Antiepileptika während der Schwangerschaft geschädigt werden kann. Zwar helfen allgemeine Hinweise zur antikonvulsiven Therapie epilepsiekranker Mütter vor, während und nach der Schwangerschaft, die Therapie zu optimieren, trotzdem wird das teratogene Risiko generell als erhöht eingestuft. Eine populationsbasierte Kohortenstudie wertete nun zusätzlich auch das assoziierte Risiko für Spontanaborte und Totgeburten bei schwangeren Epileptikerinnen aus.

Die Epilepsie umfasst eine Gruppe von Funktionsstörungen des Gehirns, an denen etwa 1% der Bevölkerung erkrankt. Etwa 5% aller Menschen weltweit erleiden mindestens einmal im Leben einen epileptischen Anfall. An Epilepsie erkranken Personen in jedem Alter, und auch 0,3 bis 0,8% der schwangeren Frauen leiden an dieser neurologischen Erkrankung. Generell gilt, dass die Diagnose Epilepsie keinen Grund darstellt, um auf Kinder zu verzichten. Tatsächlich jedoch können heftige epileptische Krampfanfälle die Gesundheit des ungeborenen Kindes ernsthaft gefährden, sodass eine medikamentöse Therapie auch während einer Schwangerschaft unabdingbar ist [1]. Allerdings können auch Antikonvulsiva nachweislich teratogen auf das ungeborene Kind wirken und zu geringerem Geburtsgewicht, Geburtsdefekten wie Gaumenspalten und Herzfehlern oder niedrigerem IQ führen. Vor allem Kombinationen von mehreren Antiepileptika erhöhen das Risiko für Fehlbildungen, sodass frühestmöglich, im Idealfall bereits bei Kinderwunsch, die medikamentöse Therapie vom behandelnden Arzt umgestellt bzw. angepasst werden muss. Die werdende Mutter sollte auf die niedrigste wirksame Dosis möglichst eines einzigen Medikaments eingestellt werden. Dennoch, ein Restrisiko für das ungeborene Kind kann nicht ausgeschlossen werden, wie neuere Tierversuche zeigten. Hier erhöhte die Gabe von Antiepileptika das Risiko von Totgeburten signifikant [2]. Studien am Menschen waren diesbezüglich bisher widersprüchlich.

Risiko durch Antiepileptika geringer als Nichtbehandlung

Nun wurde in einer großen populationsbasierten Kohortenstudie das Risiko von Spontanaborten sowie Totgeburten bei Schwangeren analysiert, die Antikonvulsiva einnahmen [3]. Hierzu wurden im dänischen Geburten- und Krankenhausregister 983.305 Schwangerschaften identifiziert, die im Beobachtungszeitraum von 1997 bis 2008 auch im nationalen Register zur Statistik über Medizinprodukte gelistet waren. So war zusätzlich eine Aussage über eine mögliche Einnahme von Antiepileptika während der Schwangerschaft möglich. In insgesamt 0,5% aller Fälle wurde eine medikamentöse antikonvulsive Therapie durchgeführt.

Bei 109.800 Schwangerschaften (11%) kam es zu spontanem Abort, bei 0,3% zu Totgeburten. Nach multivariabler Elimination verschiedener Störfaktoren ergibt sich ein um 13% (95% KI, 1,04 bis 1,24) erhöhtes Risiko für Spontanaborte bei Frauen, welche eine Therapie mit Antiepileptika während der Schwangerschaft erhielten, verglichen mit nicht behandelten Schwangeren. Eine Subanalyse der Ergebnisse zeigte jedoch, dass dies nicht für Frauen galt, welche die Medikamente aufgrund der Diagnose Epilepsie einnahmen, sondern ausschließlich für solche, die diese aufgrund anderer Umstände erhielten. Auch bei Mehrfachschwangerschaften, bei denen die jeweilige antikonvulsive Therapie uneinheitlich erfolgte (beispielsweise Medikation während der ersten, nicht jedoch während der zweiten Schwangerschaft), zeigte sich kein erhöhtes Risiko für Spontanaborte. Die geringe Rate an Totgeburten (3222 insgesamt, 18 bei zusätzlicher Begleittherapie) ließ zwar keine angepasste Analyse zu, dennoch war das Risiko durch die Gabe von Antiepileptika nicht signifikant erhöht, so die Autoren.

Die Studie bestätigt demnach, dass das Risiko für Fehl- und Totgeburten durch die Gabe von Antiepileptika weitaus geringer ist als bei Nichtbehandlung einer diagnostizierten Epilepsie während der Schwangerschaft. Dennoch sollten vor allem die Dosis und Art des Antikonvulsivums im Mittelpunkt einer Therapie Schwangerer stehen, da die Autoren der Studie bei hohen Dosen von Valproinsäure, Clonazepam und Carbamazepin eine mögliche Risikoerhöhung für Spontanaborte identifizierten. Da einige Wirkstoffe (z.B. Valproinsäure) bedeutende teratogene Risiken besitzen, sollte möglichst auf diese während der Schwangerschaft komplett verzichtet werden. Es zeigt sich erneut, dass nur die enge Kommunikation mit dem behandelnden Neurologen und die konsequente Therapietreue der Epilepsie-Patientin eine effektive Risikominimierung während der Schwangerschaft ermöglichen. Bei ordnungsgemäßem Gebrauch und richtig eingestelltem Behandlungsregime erscheint die Rate an Spontanaborten und Totgeburten nicht höher als bei gesunden Frauen.

Quelle

[1] Pirker S. Frauen mit Epilepsie: 7 wichtige Aspekte. Klinische Neurophysiol 2012;43:138–143

[2] Padmanabhan R, Abdulrazzaq YM, Bastaki SM, Nurulain M, Shafiullah M. Vigabatrin (VGB) administered during late gestation lowers maternal folate concentration and causes pregnancy loss, fetal growth restriction and skeletal hypoplasia in the mouse. Reprod Toxicol 2010;29:366–377

[3] Bech, BH et al. Use of antiepileptic drugs during pregnancy and risk of spontaneous abortion and stillbirth: population based cohort study. BMJ 2014;349:g5159


Apotheker André Said

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