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Nachwuchssorgen
„War for Talents“
Umfrage zur Attraktivität des Pharmaziestudiums zeigt Potenziale auf
Das Ludwigsburger Beratungsunternehmen Prof. Kaapke Projekte hat im vergangenen Sommer über 500 Abiturienten (damals Klassenstufe 12) befragt, um herauszufinden, ob das Pharmaziestudium und der Apothekerberuf Optionen für die jungen Leute sind. Dazu wurden ausgewählte Gymnasien angesprochen und dann der gesamte Jahrgang mit den Fragebögen versehen. Die Rücksendequote pro Jahrgang und Gymnasium lag bei im Schnitt ca. 50 Prozent. Demgegenüber waren relativ wenige Gymnasien bereit, an der Umfrage teilzunehmen.
Zunächst wurden die Zwölftklässler befragt, welche Pläne sie nach dem Abitur haben. Über 80 Prozent der Befragten wollen studieren, an erster Stelle rangiert die Universität, gefolgt von einer Dualen Hochschule und abschließend den Fachhochschulen. Der Anteil der Studierwilligen liegt bei den Frauen mit 83,4 Prozent etwas höher als bei den Männern, die zu 79,2 Prozent ein Studium planen.
Da Mehrfachnennungen möglich waren, gab es vergleichsweise häufig auch die Antwort, nach dem Abitur zuerst einen Auslandsaufenthalt bzw. eine „Work & Travel“-Reise zu planen (33,1 Prozent). Ein Viertel aller Befragten strebt eine Ausbildung an. Auf der anderen Seite darf aber auch als bemerkenswert angesehen werden, dass 22,2 Prozent der befragten Abiturienten eine Auszeit planen.
In einem zweiten Schritt wurden jene, die ein Studium planen gefragt, welches Studium sie angehen wollen. Ungestützt, also ohne jede Vorgabe, wurde das Pharmaziestudium nur von insgesamt 3,4 Prozent der befragten Abiturienten genannt, bei denjenigen, die ein Universitäts-Studium planen, waren es immerhin 4,8 Prozent. Je nach Lesart bedeutet dies, dass nur jeder dreißigste Abiturient, der studieren will, überhaupt an ein Pharmaziestudium denkt. Nimmt man noch hinzu, dass nicht jeder Abiturient studieren will, läuft es darauf hinaus, dass nur rund jeder vierzigste Abiturient Pharmazie aktiv genannt hat. Wird der Studiengang Pharmazie vom Befrager genannt, erhöht sich der Anteil potenzieller Pharmaziestudenten spürbar: bei dieser sogenannten gestützten Befragung sagen 16 Prozent der Studierwilligen, dass Pharmazie infrage kommt, unter den Universitäts-Aspiranten beträgt der Anteil 20 Prozent. Auch hier liegt der Anteil bei weiblichen Studierwilligen etwas höher als bei männlichen. Aus dem Unterschied zwischen der gestützten und der ungestützten Nennung lässt sich ableiten, dass eine aktive Ansprache von Abiturienten durchaus erfolgreich sein könnte.
Was spricht gegen ein Pharmaziestudium?
Um besser beurteilen zu können, welche Gründe gegen ein Pharmaziestudium sprechen, wurde die Frage nach der Motivation gesplittet. Zum einen wurden Gründe abgefragt, die das Studium selbst betreffen, zum anderen Gründe, die im späteren Beruf des Apothekers liegen.
Meist genannter das Studium selbst betreffende Grund war „ich habe mir niemals Gedanken um ein Pharmaziestudium gemacht“. Oft wurde auch angeführt, dass naturwissenschaftliche Fächer generell nicht infrage kommen und der zu hohe Numerus Clausus. Weniger bedeutsam war der Grund, das Studium sei zu aufwendig.
Bei den den späteren Beruf betreffenden Gründen wurde deutlich, dass viele Abiturienten schlichtweg nicht als Apotheker arbeiten möchten, dies äußerten insgesamt 81,5 Prozent als starken oder eher starken Grund gegen das Pharmaziestudium. Ebenfalls wurde genannt, dass man weder in der pharmazeutischen Industrie noch in Wissenschaft und Forschung arbeiten möchte. Eher unbedeutend ist die Sorge, keinen attraktiven Arbeitsplatz zu finden. Dies nannten nur 6,8 Prozent als sehr starken und 13,3 Prozent der Befragten als eher starken Einfluss auf ihre Entscheidung.
Nicht aussagekräftig waren die Begründungen, warum der Apothekerberuf nicht ergriffen werden wollte, es werden keine wirklich starken Gründe gegen den Apothekerberuf genannt. Dieser Umstand könnte auf Unwissenheit über die konkreten Aufgaben des Berufs hinweisen, was sich in einer Ablehnung der Berufswahl ohne echte Begründung äußert. Zusammengefasst kann daraus abgeleitet werden, dass das Potenzial für Pharmaziestudenten höher ist als das gegenwärtig ausgeschöpfte und dass eine Imagekampagne an Gymnasien durchaus die Nachwuchsrekrutierung befeuern könnte.
Um abschätzen zu können, worauf die Einschätzungen der befragten Probanden basieren, wurde nach den Informationsquellen gefragt (hier waren Mehrfachantworten möglich). Neben dem allgemeinen Wissen (82,7%) sind vor allem die Erzählungen aus dem näheren Umfeld, also von Verwandten, Freunden und Bekannten (40,9%) sowie Presseartikel (38,7%) maßgeblich. Auch die Berufsberatung spielt mit 17,3 Prozent durchaus eine noch wahrnehmbare Rolle. Die Erzählung von Apothekern selbst bleibt hier mit 16 Prozent etwas zurück. Auch hier scheint es noch immenses Potenzial zu geben, die Unkenntnis oder Falschkenntnis zu verbessern bzw. zu korrigieren. Nur insgesamt zwei der befragten Abiturienten hatten beispielsweise die Arbeit in einer Apotheke in einem Praktikum selbst kennengelernt.
... und was dafür?
Genauso aufschlussreich wie die Gründe die gegen ein Pharmaziestudium sprechen, sind die Motive derjenigen, die die Pharmazie in die engere Studienwahl eingeschlossen haben. Hier ist allen voran das Interesse am Studium mehrerer naturwissenschaftlicher Fächer zu nennen. Dies gaben insgesamt 78 Prozent der Befragten als starkes oder eher starkes Motiv an. Auch die Ansicht, dass nach dem Studium der Pharmazie vielfältige berufliche Tätigkeitsfelder offen stehen, nannten über die Hälfte der potenziellen Pharmaziestudenten, fast genauso viele den hohen Anteil an praktischer Arbeit im Studium (s. Abb. 7).
Diejenigen Probanden, für die ein Pharmaziestudium infrage kommt, wurden darüber hinaus nach ihren langfristigen Berufszielen befragt. Hier dominiert eindeutig eine Beschäftigung in der Industrie vor einer universitären Laufbahn. Interessant ist es auch zu sehen, dass das Ziel, selbstständiger Apothekeninhaber zu werden, nur leicht mehr Zuspruch erhalten hat als der Berufswunsch „Filialleiter“. Angestellter Apotheker in einer Apotheke ohne Leitungsfunktion bildet das Schlusslicht.
Bei den Gründen für das Berufsziel Apotheker führt das Statement „ich möchte gerne Menschen helfen“ mit insgesamt 82,4 Prozent. Die abwechslungsreiche Tätigkeit, der tägliche Kontakt mit Menschen und die Aussicht auf einen krisensicheren Job folgen auf den nächsten Plätzen.
Auch hier haben die Befragten ihr Wissen eher aus eigenen Erkenntnissen (63,3%) und aus Erzählungen von Verwandten, Freunden und Bekannten (45%). Pressemeldungen (36,7%), Erzählungen von Apothekern (26,7%), die Berufsberatung (21,7%) und andere Informationsquellen (11,7 %) spielen dagegen eine eher untergeordnete Rolle.
Fazit
Der „War for Talent“, der Kampf mit anderen Branchen um zukünftige qualifizierte Berufsangehörige hat schon lange begonnen. Die unterschiedlichen Branchen haben dies allerdings unterschiedlich rasch erkannt und sind gegenwärtig unterschiedlich intensiv davon betroffen. Gleichwohl kann der gegenwärtige Zustand bei Apotheken nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Nachwuchsproblem – das heute bereits in manchen Regionen schon greifbar ist – wohl flächendeckend kommen wird. Vielleicht nicht mit einem Knall, aber schleichend. Schon heute fällt es Apotheken beispielsweise im ländlichen Raum ausgesprochen schwer, Ersatzkräfte zu akquirieren, von Filialleitern oder angestellten Approbierten gar nicht zu sprechen. Die zunehmenden Apothekenschließungen können auch ein Hinweis darauf sein, dass es zunehmend schwieriger wird, einen Nachfolger für eine Apotheke zu finden.
Dabei sind gerade attraktive Attribute wie „helfen“, „abwechslungsreich“, „vielfältige Tätigkeit“ und „Krisensicherheit“ Eigenschaften, die in Apotheken nicht zu unrecht vermutet werden. Trotzdem scheint es oft Unkenntnis zu sein, die die Pharmazie bei der Studienwahl ausscheiden lässt. Bisweilen ist auch eine böswillige und fehlerhafte Berichterstattung der Publikumsmedien schuld an einem Apothekerbild, das sich weit jenseits der Realität bewegt.
Das neu zu erstellende Leitbild für die deutschen Apotheken muss sich gerade auch der Phänomene Nachwuchs und Nachfolge annehmen, will es das Prädikat „zukunftstauglich“ attestiert bekommen. Die Millionen, die gegenwärtig für die Unterstützung seiner Erarbeitung im Gespräch sind, wären auch in einer Imagekampagne beim potenziellen Berufsnachwuchs sinnvoll eingesetzt. Noch rollt der Zug langsam in die falsche Richtung, nimmt er erst Fahrt auf, reichen einfache Weichenstellungen nicht mehr aus!
Im Rahmen der Studie nahmen die befragten Gymnasien an einer Verlosung teil: Für das Engagement der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler stellte die Noweda-Stiftung 1000 Euro zur Verfügung. Gewinner war das Annette-von-Droste-Hülshoff Gymnasium in Dülmen. Udo Harneit, Mitglied der Geschäftsleitung bei Noweda, überreichte Vertretern der Schule im Dezember feierlich einen symbolisch Spenden-Scheck.
Autor
Prof. Dr. Andreas Kaapke lehrt Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart, und ist Inhaber eines Beratungsunternehmens.
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