- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 40/2014
- Zwischen Hoffen und ...
Familienplanung
Zwischen Hoffen und Bangen
Reproduktionsmedizinische Möglichkeiten bei unerfülltem Kinderwunsch
Nach den Kriterien der „Scientific Group on the Epidemiology of Infertility“ der WHO spricht man von Sterilität, wenn nach einem Zeitraum von zwei Jahren keine Schwangerschaft eingetreten ist, obwohl das Paar regelmäßig ungeschützten Geschlechtsverkehr hatte. Andere Institutionen, etwa der Berufsverband der Frauenärzte, nennen einen kürzeren Zeitraum von mindestens einem Jahr. Unabhängig davon sollte man unterscheiden zwischen der
- primären Sterilität, bei der die Frau noch nie ein Kind „empfangen“ bzw. der Mann noch nie ein Kind zeugen konnte, und der
- sekundären Sterilität, bei der es zuvor schon einmal zu einer Schwangerschaft gekommen war, egal ob diese normal mit der Geburt des Kindes oder unnormal endete.
Der häufig synonym verwendete Begriff der Infertilität beschreibt streng genommen die Unfähigkeit einer schwangeren Frau, ein lebensfähiges Kind auszutragen.
Ohnmacht, Wut und Selbstvorwürfe
Da Empfängnisverhütungsmittel in den Industrienationen allgemein verfügbar sind, sind Schwangerschaften hierzulande und heutzutage in den meisten Fällen gezielt geplant. Man schätzt jedoch, dass etwa zehn bis 15 Prozent aller deutschen Paare ungewollt kinderlos sind. Da dieser Umstand nicht selten nach außen verschwiegen wird, dürfte es eine hohe Dunkelziffer geben. Vor allem wenn keine offensichtlichen körperlichen Ursachen als Erklärung dienen können, stellen sich betroffene Paare umso mehr die Frage, warum „ausgerechnet sie“ von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen sind. Einerseits wird die Situation oft als ungerecht oder Kränkung empfunden, andererseits kommt es häufig zu Selbstvorwürfen oder zum Gefühl der Hilflosigkeit. Wiederholte und intensive Auseinandersetzungen mit dem unerfüllten Kinderwunsch führen nicht selten in eine emotionale Krise mit stark negativen Reaktionen wie Ohnmacht, Trauer oder Wut.
Komplizierend kann hinzukommen, dass die Partner mit der Situation ganz unterschiedlich umgehen und es daher zu massiven Spannungen innerhalb der Paarbeziehung kommen kann. Das eigentliche Zusammenleben, die Sexualität und die Wahrnehmung des Partners als solchen treten dann oft in den Hintergrund. Nicht zuletzt kann die tiefe Frustration, aber auch ein starkes Schamgefühl dazu führen, dass sich die sozialen Kontakte zur Familie oder zu Freunden zunehmend verschlechtern, insbesondere zu Paaren mit Kindern.
Unerfüllter Kinderwunsch sollte grundsätzlich als Paarproblem aufgefasst werden. Für beide Geschlechter gilt zunächst, dass Fruchtbarkeit keine unveränderliche Größe darstellt, sondern verschiedenen Einflussfaktoren unterliegt und somit schwanken kann. Bei vielen, auch „gesunden“ Paaren dauert es zwischen einem halben und einem ganzen Jahr, bis bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr eine Schwangerschaft eintritt.
Familienplanung: Kinder sollen später kommen
Die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft hängt auch vom Alter der Frau ab. Zum einen nimmt die Zahl der Eizellen – zum Zeitpunkt der Geburt sind es etwa 500.000 – im Laufe des Lebens kontinuierlich ab, zum anderen kommt es vermehrt zu Störungen der Eizellreifung oder zu einer Gelbkörperschwäche. (Die seit 2012 forcierte Diskussion um einen von US-Forschern isolierten geringen Anteil von Stammzellen im menschlichen Ovar, die in der Lage sind, sich in Eizellen zu differenzieren, soll hier unberücksichtigt bleiben.) So kann bei Frauen, die innerhalb eines Jahres regelmäßig ungeschützten Geschlechtsverkehr haben, mit folgenden Wahrscheinlichkeiten mit einer Schwangerschaft gerechnet werden:
- im Alter von 30 Jahren: etwa 75 Prozent,
- im Alter von 35 Jahren: etwa 66 Prozent,
- im Alter von 40 Jahren: etwa 44 Prozent.
Viele Frauen mit längerer akademischer Ausbildung und entsprechendem beruflichem Engagement verschieben ihren Kinderwunsch in der Lebensplanung nach hinten. Wenn es dann so weit ist, sind die biologischen Voraussetzungen für die Realisierung des Kinderwunschs oft nicht mehr ideal.
Auch übermäßiger Stress und starke psychische Belastungen – privat wie beruflich – können sich negativ auf die Fruchtbarkeit auswirken, ebenso der (übermäßige) Konsum von Alkohol, Nicotin und anderen Drogen. Beispielsweise kann bei starken Rauchern die Spermienproduktion vermindert sein oder bei starken Raucherinnen der Eisprung ausbleiben. Weiterhin sind bei Frauen nicht selten Über- oder Untergewicht, schwere körperliche Arbeit oder Leistungssport Gründe für eine zumindest passagere Sterilität.
Gestörte Ovarfunktion
Neben krankhaften Veränderungen der weiblichen Fortpflanzungsorgane (s. Tab. 1) können verschiedene Funktionsstörungen des Ovars (Eierstocks) oder eine Gelbkörperschwäche für eine primäre oder sekundäre Sterilität der Frau verantwortlich sein (vgl. Abb. 1). Ursache der Unfruchtbarkeit kann sein, dass
- im Ovar nicht genügend Eizellen heranreifen,
- die Ovulation (Ei- oder Follikelsprung) ausbleibt, d.h. die Eizelle gelangt nicht aus dem Ovar in die Tube (Eileiter),
- das Endometrium (Uterusschleimhaut) nicht auf die Implantation (Einnistung) der befruchteten Eizelle vorbereitet ist oder
- eine veränderte Zervixschleimkonsistenz das Aufsteigen von Spermien durch den Gebärmutterhals in die Uterushöhle (und von dort weiter in die Tuben) verhindert.
Bei der sogenannten Gelbkörperschwäche (Corpus-luteum-Insuffizienz) finden Eireifung und Eisprung zwar statt, aber anschließend bildet sich der Gelbkörper nur ungenügend aus. Es kommt zu einer verkürzten Gelbkörperphase mit einer erniedrigten Produktion und Konzentration von Progesteron, welches für den Aufbau eines die Schwangerschaft ermöglichenden Endometriums erforderlich wäre.
Formen der Ovarialinsuffizienz
Folgende Formen einer Ovarialinsuffizienz lassen sich unterscheiden:
Hypergonadotrope Ovarialinsuffizienz. Wenn das Ovar aufgrund einer Schädigung keine reifen Follikel (mehr) bildet und deshalb nicht auf die Gonadotropine FSH und LH (Follikelstimulierendes Hormon = Follitropin bzw. Luteinisierendes Hormon = Luteotropin) reagiert, versucht die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse, Teil des Zwischenhirns), den vermeintlichen Mangel durch eine Überproduktion der Gonadotropine auszugleichen. Sind im Ovar keine intakten Follikel mehr vorhanden, besteht jedoch keine Chance, auf natürlichem Wege schwanger zu werden.
Das PCOS – nicht nur ein Risiko für Unfruchtbarkeit
Beim Syndrom der polyzystischen Ovarien (PCOS) handelt es sich um eine komplexe Störung der Hypothalamus-Hypophysen-Ovar-Achse, deren genaue Ursache noch nicht bekannt ist. Unter anderem wird vermutet, dass das Follikelstimulierende Hormon (FSH) durch histopathologische Veränderungen im Ovar unwirksam bleibt. Jedenfalls herrscht ein hormonales Ungleichgewicht im Blut: Die LH-Konzentration ist dauerhaft erhöht; die FSH-Konzentration ist normal bis erniedrigt; die Spiegel der Androgene (Testosteron, Androstendion) sind erhöht. Nach den Rotterdam-Kriterien von 2003 liegt ein PCOS vor, wenn zwei der folgenden drei Kriterien erfüllt sind:
- Zyklusstörungen: Typischerweise bleibt der Eisprung aus (Anovulation), und der Zyklus verläuft monophasisch. Dadurch entsteht ein relatives Estrogen-Übergewicht (gegenüber Progesteron), was wiederum das Risiko für ein Endometriumkarzinom erhöhen kann.
- Symptome der Virilisierung, die auf zu hohe Androgenspiegel hinweisen: vor allem Hirsutismus (männliches Behaarungsmuster insbesondere im Gesicht und um die Mamillen), aber auch Akne oder eine diffuse Alopezie (Haarausfall mit Betonung der Schläfen und des Hinterhaupts).
- Sonografischer Befund von polyzystischen Ovarien, wobei allerdings eine große Variationsbreite von „unauffällig“ bis „von Zysten durchsetzt“ möglich ist.
Frauen mit PCOS sind meist übergewichtig. Häufig ist bei ihnen eine Insulinresistenz nachweisbar, die pathogenetisch die Entwicklung des PCOS zu verstärken scheint. Daher ist ihr Risiko für Diabetes mellitus oder kardiovaskuläre Erkrankungen mehrfach erhöht. Folge der chronischen Anovulation ist in der Regel die Sterilität, wobei auch dieses Risiko mit dem Body-Mass-Index der Frauen steigt. Neben der Gewichtsabnahme stellen orale Antidiabetika wie Insulinsensitizer (Glitazone) oder Metformin eine therapeutische Option dar.
Hyperprolactinämische Ovarialinsuffizienz. Seltene organische Ursachen sind Adenome der Hypophyse (Prolactinome). Häufiger ist die funktionelle Form, etwa begleitend bei Hypothyreose (Unterfunktion der Schilddrüse) oder infolge von Stress oder bestimmten Arzneitherapien (Neuroleptika, Antidepressiva, Antacida) oder auch durch Mamillenstimulation beim Geschlechtsverkehr. Die erhöhten Prolactinspiegel verursachen Zyklusstörungen bis hin zur Anovulation. Zur Prolactinhemmung empfiehlt sich die Gabe von Dopaminagonisten, da das Dopamin der Gegenspieler des Prolactin-freisetzenden Hormons (PRH) ist. Aufgrund eines antiproliferativen Effekts bremsen Dopaminagonisten in den meisten Fällen auch das Wachstum von Prolactinomen.
Hyperandrogenämische Ovarialinsuffizienz. Zu hohe Androgenspiegel finden sich beim Syndrom der polyzystischen Ovarien (PCOS, siehe Kasten) und beim seltenen Mangel des Enzyms 21-Hydroxylase in der Nebennierenrinde. Letzterer entspricht dem autosomal-rezessiv vererbten Adrenogenitalen Syndrom (AGS), bei dem die gestörte Bildung von Cortisol zu einer erhöhten Sekretion von Progesteron, Testosteron und Androstendion führt. Im Extremfall ist auch die Synthese von Aldosteron so hochgradig gestört, dass es zum Salzverlustsyndrom mit nachfolgender Dehydrierung kommt.
Hypothalamische Ovarialinsuffizienz. Ursache ist eine fehlende oder unzureichende Sekretion von Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH, Gonadorelin) in den Kernen des Hypothalamus (Teils des Zwischenhirns). Ein GnRH-Mangel kann funktionell durch Leistungssport oder Stress, organisch durch Tumoren oder Verletzungen (Schädel-Hirn-Trauma) hervorgerufen werden. Eine therapeutische Option ist die pulsatile GnRH-Applikation, bei der in der Follikelreifungsphase mittels einer Pumpe alle 60 bis 90 Minuten GnRH freigesetzt wird.
Auch Spermien lassen zu wünschen übrig
Auch bei Männern gibt es spezifische Ursachen, die die ungewollte Kinderlosigkeit hervorrufen können oder zumindest daran beteiligt sind. Je nach Quelle rechnet man mit etwa 20 Prozent rein andrologisch bedingten Störungen, während in 25 bis 30 Prozent der Fälle bei Mann und Frau gleichzeitig eine Störung besteht. Beim Mann können es folgende Ursachen sein:
Impotentia coeundi. Diese Form der Impotenz entspricht der erektilen Dysfunktion und kann hier als anhaltende oder immer wiederkehrende Unfähigkeit verstanden werden, eine „der Fortpflanzung dienliche“ Erektion zu erreichen oder aufrechtzuerhalten.
Verminderte Spermienqualität/Spermienproduktion. Beim OAT-Syndrom sind die Spermien
- in zu geringer Anzahl im Ejakulat (Oligozoospermie),
- unzureichend beweglich (Asthenozoospermie) oder
- morphologisch verändert (Teratozoospermie).
Vor allem eine erhöhte Hodentemperatur bei Hodenhochstand und Varicozele (Krampfader am Hoden) kann die Spermienproduktion schädigen. In vielen Fällen findet sich jedoch keine kausale Erklärung für ein eingeschränktes Spermiogramm.
Blockierte Samenwege. Zwar werden ausreichend zeugungsfähige Samenzellen gebildet, jedoch gelangen diese nicht durch die Samenleiter oder Nebenhodengänge in das Ejakulat. Bei Verschluss des Samenleiters (obstruktive Azoospermie) können Spermien mikrochirurgisch aus den Nebenhoden aspiriert werden (MESA, „microsurgical epididymal sperm aspiration“). Bei Blockade im Bereich der (Neben-)Hoden bleibt als letzte Möglichkeit die Spermienextraktion aus den Hoden (TESE, „testicular sperm extraction“).
Erkrankung der Hoden. In seltenen Fällen kann eine Hodenfehlfunktion auch infektiös bedingt sein, etwa im Rahmen einer bakteriellen Nebenhodenentzündung (Epididymitis) oder durch eine Mumps-Erkrankung nach der Pubertät.
Diagnostik immer bei beiden Partnern
Basis einer Kinderwunschberatung ist in der Regel ein ausführliches Gespräch mit beiden Partnern. Auch wenn manche Fragen intime oder empfindliche Punkte berühren, sollten anamnestisch alle mit einer möglichen Sterilität zusammenhängenden Faktoren thematisiert werden (Tab. 2).
Die gynäkologische Untersuchung der Frau wird heute in der Regel durch eine vaginale Sonografie ergänzt. Auszuschließen sind Missbildungen (auch vaginal und am Muttermund), Myome, Polypen, Septen sowie Veränderungen im Bereich der Tuben und Ovarien. Eine rektovaginale Untersuchung kann Hinweise auf eine Endometriose geben. In Korrelation zur Zyklusphase bzw. Basaltemperatur können die Follikelbildung und der Aufbau des Endometriums orientierend beurteilt werden.
Eine Hormonanalyse liefert Hinweise auf eine zugrunde liegende Störung des endokrinen Regelkreises zwischen Hypothalamus, Hypophyse und Ovar. Bestimmt werden Estradiol, Progesteron und Testosteron, FSH und LH, ferner Dehydroepiandrosteron und Prolactin sowie die Schilddrüsenhormone. Um eine Corpus-luteum-Insuffizienz auszuschließen, sind im Verlauf der zweiten Zyklushälfte mehrfache Progesteronkontrollen notwendig.
Parallel zum Zyklusmonitoring der Frau sollte sich der Mann untersuchen lassen. Dies kann beim Urologen geschehen oder bei einem spezialisierten Internisten oder Dermatologen (Andrologen). Am Anfang stehen der Tastbefund der Geschlechtsorgane und die Beurteilung von Bartwuchs, Behaarung und Körperproportionen. Schwerpunkt der andrologischen Abklärung ist das Spermiogramm – es ist obligat vor jeder invasiven oder medikamentösen Maßnahme bei der Frau. Nach einigen Tagen ohne Samenerguss werden die Spermien eines Ejakulats bezüglich ihrer Anzahl, Beweglichkeit und Morphologie untersucht. Da die Spermienqualität schwanken kann, sind – in einem Abstand von etwa vier bis sechs Wochen – mindestens zwei Spermienproben erforderlich. Erweisen sich Anzahl und Qualität der Spermien als eingeschränkt, können eine Laboruntersuchung der männlichen Hormone oder eine Gewebeprobe des Hodens weitere Aufschlüsse liefern.
„Verkehr zum optimalen Zeitpunkt“
Als ersten Schritt bei (noch) ungeklärter Sterilität bzw. eher kurzer Zeitdauer des unerfüllten Kinderwunsches sollte man das Paar dazu anhalten, vor und nach der zu erwartenden Ovulation Geschlechtsverkehr zu haben. Der Follikelsprung findet etwa zur Mitte des im Schnitt 28-tägigen weiblichen Menstruationszyklus statt und ist die Voraussetzung für die Befruchtung der ausgestoßenen Eizelle durch ein Spermium im Eileiter. In den meisten Fällen wird der Arzt der Frau zur hormonellen Stimulation ein FSH-Präparat oder Clomifen verabreichen.
Clomifen ist eine Substanz aus der Gruppe der selektiven Estrogenrezeptormodulatoren (SERM) mit antiestrogener Wirkung, denn es blockiert die Estrogenrezeptoren im Hypothalamus, ohne sie zu aktivieren. Hierdurch wird in der Hypothalamus-Hypophysen-Achse die negative Rückkopplung auf periphere Estrogene unterbunden und deren Mangel vorgetäuscht. Über eine gesteigerte GnRH-Ausschüttung aktiviert der Hypothalamus daraufhin die LH- und FSH-Freisetzung im Hypophysenvorderlappen, wodurch wiederum das Wachstum des Follikels gefördert wird. Sonografisch werden Follikelreifung und Aufbau des Endometriums überprüft. Wenn der Follikel eine Größe von 18 bis 20 mm erreicht hat, werden der Frau 5000 IE hCG (humanes Choriongonadotropin) injiziert; hCG hat dieselbe Wirkung wie LH: Es induziert die Ovulation, die etwa 36 bis 38 Stunden später stattfindet.
Insemination bei männlicher Sterilität
In vielen Fällen von unerfülltem Kinderwunsch wird man die Indikation für ein reproduktionsmedizinisches Verfahren stellen. Bei „männlicher Ursache“, also bei wenig beweglichen oder einer zu geringen Anzahl von Spermien, bietet sich eine Samenübertragung an (Insemination). Nach Masturbation wird das Ejakulat so aufbereitet, dass vor allem gut bewegliche Spermien normaler Morphologie in höherer Konzentration vorhanden sind. Diese werden direkt mit einer Spritze oder indirekt mit einem flexiblen Katheter in die Gebärmutter oder den Eileiter appliziert. Der beste Zeitpunkt für die Samenübertragung ist 36 Stunden vor dem Eisprung.
- Bei der homologen Insemination handelt es sich um den Samen des Partners,
- bei der heterologen (oder donogenen) Insemination wird auf den Samen eines anonymen Spenders zurückgegriffen.
Letztere ist in Deutschland erlaubt und kann angewendet werden, wenn der Partner überhaupt keine befruchtungsfähigen Spermien produziert, wenn eine schwere Erbkrankheit besteht oder wenn sich alleinstehende Frauen oder Frauen in einer lesbischen Partnerschaft ein Kind wünschen. Bestehen auch bei der Frau Fruchtbarkeitsstörungen, kann die Insemination mit einer Stimulation der Ovarien kombiniert werden.
Der reproduktionsmedizinische Klassiker: IVF
Neben der Insemination ist die In-vitro-Fertilisation (IVF) das älteste reproduktionsmedizinische Verfahren. Indiziert ist die Methode hauptsächlich bei tubarer Sterilität der Frau (durch Verschluss oder Endometriose) und – sofern alle anderen Methoden der (Sterilitäts-)Behandlung ausgeschöpft sind – bei einer bislang unerklärbaren Sterilität, bei eingeschränktem Spermiogramm oder immunologisch bedingter Sterilität (Antikörper gegen Spermien des Partners).
Nach ovarieller Stimulation unter kontrollierten Bedingungen (s.u.) werden die Eizellen durch transvaginale ultraschallgesteuerte Follikelpunktion gewonnen. Die durch Masturbation gewonnenen Spermien werden „im Reagenzglas“ mit den Eizellen zusammengebracht. Ist es zu einer Befruchtung gekommen, wird die Eizelle nach 24 bis 36 Stunden aus dem Wärmeschrank in die Gebärmutterhöhle übertragen. Die Schwangerschaftsrate beträgt etwa 25 Prozent bei Einzel- und bis zu 60 Prozent bei Mehrfachübertragung – maximal dürfen laut Embryonenschutzgesetz drei Eizellen eingesetzt werden. Da Fehlgeburten – vor allem bei Mehrlingsschwangerschaften – nicht selten sind, liegt die Geburtenrate (bezogen auf Lebendgeburten) unter der Schwangerschaftsrate.
ISCI – Übertragung per Nadel
Ist die Zahl funktionsfähiger Spermien zu gering, um im Rahmen einer IVF oder Insemination eine Schwangerschaft herbeizuführen, kann eine intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ISCI) durchgeführt werden. Hierbei können auch Spermien verwendet werden, die mittels MESA oder TESE gewonnen wurden (s.o.). Im Wesentlichen verläuft die ISCI wie eine IVF, nur wird die Samenzelle mit einer feinen Nadel direkt in die Eizelle injiziert (Abb. 2 siehe Printausgabe). Wird eine Eizelle übertragen, liegt die Schwangerschaftsrate bei etwa 5 Prozent, bei drei Eizellen werden bis zu 30 Prozent erreicht. Wie bei der IVF ist auch hier die Wahrscheinlichkeit von Mehrlingsschwangerschaften erhöht. Vor einer ISCI ist die genetische Untersuchung der Eltern vorgeschrieben.
Kontrollierte ovarielle Stimulation
Seit Beginn der beschriebenen reproduktionsmedizinischen Techniken wurden verschiedene zyklussynchrone Protokolle entwickelt, um eine zeitlich optimale Stimulation der Ovarien zu erzielen. Insbesondere muss verhindert werden, dass durch einen vorzeitigen Eisprung die Eizelle für eine gezielte Entnahme verlorengeht und somit nicht mehr für die Befruchtung im Labor zur Verfügung steht. Weltweit am gebräuchlichsten sind derzeit wohl die beiden folgenden Therapieregimes:
„Long protocol“. Hierbei wird der Frau am 21. bis 23. Tag ihres Zyklus ein GnRH-Agonist zumeist in Depotform verabreicht. Hierbei handelt es sich um ein synthetisches Analogon des GnRH, das vom Hypothalamus pulsatil alle 60 bis 90 Minuten abgegeben wird und die Hypophyse stimuliert. Initial kann es für mehrere Tage zu einer „Flare-up“-Phase („Emporlodern“) kommen, in der massiv die Gonadotropine FSH und LH ausgeschüttet werden. Anschließend bewirkt der ständige Agonistenreiz eine Down-Regulation der GnRH-Rezeptoren an der Hypophyse – mit der Folge, dass die Produktion von FSH und LH sistiert und kein spontaner Follikelsprung ausgelöst wird. Zur Verfügung stehende GnRH-Agonisten sind beispielsweise Triptorelin, Buserelin und Nafarelin.
Sind die Hypophysenhormone supprimiert, beginnt man mit der kontrollierten Stimulation der Ovarien mit FSH- bzw. LH-Präparaten, um jetzt gezielt die Reifung mehrerer Eizellen zu bewirken. Rekombinant hergestelltes FSH (rFSH) steht beispielsweise in Form von Follitropin alfa oder beta zur Verfügung. Eine anwenderfreundliche Alternative ist das langwirksame Corifollitropin alfa, das mit einer einzigen Injektion sieben tägliche rFSH-Injektionen ersetzt.
„Antagonisten-Protokoll“. Hierbei binden GnRH-Antagonisten kompetitiv an GnRH-Rezeptoren und hemmen die Ausschüttung der Gonadotropine FSH und LH aus dem Hypophysenvorderlappen, wodurch sie einen unerwünschten Follikelsprung verhindern. Da die blockierende Wirkung der GnRH-Antagonisten sofort und ohne Flare-up eintritt, können sie später als die Agonisten verabreicht werden. Weiterhin zeigte eine Metaanalyse von 45 Studien, dass bei der Anwendung von GnRH-Antagonisten die Inzidenz des ovariellen Hyperstimulationssyndroms (OHSS) signifikant geringer ist als bei der Anwendung von GnRH-Agonisten – bei praktisch identischen Schwangerschaftsraten. Beim häufig sehr schmerzhaften OHSS entstehen sehr viele und große Eibläschen. Einerseits können sich Zysten bilden, andererseits kann es nach der Befruchtung zu einer Mehrlingsschwangerschaft mit den damit verbundenen Risiken kommen. Für das Antagonisten-Protokoll stehen die GnRH-Antagonisten Cetorelix und Ganirelix zur Verfügung.
Sobald die Follikel eine Größe von etwa 20 mm erreicht haben, erfolgt die einmalige Injektion von humanem Choriongonadotropin (hCG), um anstelle des physiologischen LH die finale Reifung des Follikels herbeizuführen, die notwendig ist, um eine befruchtungsfähige Eizelle zu erhalten. Etwa 36 Stunden später wird die Eizelle entnommen.
Psychologische Begleitung beider Betroffenen
Für den Fall, dass die gewünschte Schwangerschaft trotz aller Bemühungen nicht eintritt, kann es von Vorteil sein, eine Kryokonservierung von Eizellen und Spermien vorgenommen zu haben, d.h. ihr Einfrieren und Lagern in flüssigem Stickstoff. In Deutschland werden eingefrorene Eizellen bis zu zwei Jahre aufbewahrt, während Spermien fast unbegrenzt lagerfähig sind. Wird reproduktionsmedizinisch „ein neuer Anlauf“ genommen, kann der Frau eine neuerliche Hormonstimulation sowie Eizellgewinnung erspart werden. Von Nachteil ist, dass die Schwangerschaftsrate hier noch niedriger liegt als bei der Verwendung frischer Eizellen.
In der Regel wiegen die psychischen Belastungen, die mit dem unerfüllten Kinderwunsch sowie mit der Fertilitätsbehandlung einhergehen, schwerer als die körperlichen. Kritische Phasen sind vor allem die mit passiver Wartezeit verbundenen Behandlungsabschnitte und die etwaige Konfrontation mit der ausbleibenden Schwangerschaft. Einerseits kann ein neuer Therapieversuch abermals eine Kaskade aus Hilflosigkeit, Selbstvorwürfen, Versagensängsten und tiefer Enttäuschung auslösen. Andererseits fällt es vielen Paaren schwer, sich selbst nach mehreren erfolglosen Interventionen von der Vorstellung zu lösen, dass nur ein Kind ihr Leben oder ihre Paarbeziehung erfüllen würde.
Eine qualifizierte psychologische Unterstützung ist nicht nur sinnvoll, um die Fertilitätsbehandlung zu bewältigen, sondern auch, um bei einem Misserfolg wichtige Paarressourcen zu (re-)aktivieren und dabei zu helfen, dem eigenen Selbst- und Lebenskonzept trotz der Trauer eine neue Perspektive zu geben.
Literatur
[1] Lawrenz B. Der unerfüllte Kinderwunsch – Ursachen und Diagnostik. Geburtsh Frauenheilk 2013; 73(4): 306-309
[2] Lawrenz B. Der unerfüllte Kinderwunsch – Therapie. Geburtsh Frauenheilk 2013; 73(5): 402-405
[3] www.frauenaerzte-im-netz.de > Krankheiten > Unfruchtbarkeit
[4] Sonnenmoser M. Reproduktionsmedizin. Psychosoziale Folgen unterschätzt. Dtsch Ärztebl 2006; 10: 461-462
[5] Tempfer C. Das Syndrom der polyzystischen Ovarien. In: Keck C. Das Syndrom der polyzystischen Ovarien. Stuttgart, New York 2011: 1-6
[6] Depalo R, et al. GnRH agonist versus GnRH antagonist in in vitro fertilization and embryo transfer (IVF/ET). Reprod Biol Endocrinol 2012; 10:26
[7] Fischl F. Klinische Studien/Klinische Praxis: GnRH-Antagonisten- versus GnRH-Agonistenprotokolle: Datenlage und neue Erkenntnisse. J Gynäkol Endokrinol 2013; 23(1): 38-39
[8] Riggs BL, Hartmann LC. Selective Estrogen-Receptor Modulators – Mechanisms of Action and Application to Clinical Practice. N Engl J Med 2003; 348: 618-629.
[9] Stoschek J. Corifollitropin alfa ersetzt im GnRH-Antagonistenschema 7 Injektionen eines beliebigen konventionellen rFSH-Präparats. J Reproduktionsmed Endokrinol 2011; 8(1): 76-77
Autor
Clemens Bilharz ist Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin und zusätzlich als wissenschaftlicher Fachzeitschriftenredakteur ausgebildet. Er ist als Autor und Berater für Fachverlage und Agenturen tätig.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.