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Kehrtwende bei „Pille danach“?
Empfehlung für ellaOne®-Freigabe macht Gesundheitsminister nachdenklich
ellaOne® (Ulipristalacetat von HRA Pharma) wird zur Verhinderung einer ungewollten Schwangerschaft innerhalb von 120 Stunden nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr eingenommen bzw. wenn eine Verhütungsmethode fehlgeschlagen ist. Die Wirksamkeit ist bei einer Einnahme innerhalb von 24 Stunden nach dem Ereignis am höchsten.
CHMP: Freigabe ist sicher und erhöht die Wirksamkeit
Nach Meinung des CHMP würde das Ende der Rezeptpflicht den Zugang für Frauen beschleunigen – und damit auch die Wirksamkeit des Arzneimittels verbessern. Basierend auf der Auswertung der verfügbaren Informationen kam der Ausschuss zu dem Ergebnis, dass ellaOne® sicher und effektiv ohne ärztliche Verschreibung verwendet werden kann. Seit der EU-Zulassung im Jahr 2009 habe man umfassende Informationen über die Gefahren und Vorteile gesammelt und untersucht, erklärte der Ausschuss vergangenen Freitagmittag in einer Mitteilung. Das Sicherheitsprofil sei vergleichbar mit dem von Levonorgestrel (LNG), welches das am häufigsten verwendete Notfallkontrazeptivum in der EU sei. Und LNG-haltige Notfallkontrazeptiva, die für den Einsatz innerhalb von 72 Stunden zugelassen seien, seien in den meisten EU-Ländern bereits ohne Rezept erhältlich.
Die ellaOne®-Empfehlung des CHMP wird nun an die EU-Kommission übermittelt, die eine rechtsverbindliche Entscheidung zu treffen hat.
HRA Pharma zuversichtlich
Der Geschäftsführer des ellaOne®-Herstellers HRA Pharma, Klaus Czort, begrüßt die Empfehlung. Er ist zuversichtlich, dass die EU-Kommission der Empfehlung folgen und in Deutschland ellaOne® rezeptfrei zur Notfallkontrazeption zur Verfügung stehen wird. Das werde jedoch frühestens im Februar 2015 sein. Dann könnte es die paradoxe Situation geben, dass LNG-haltige Notfallkontrazeptiva in Deutschland rezeptpflichtig sind, ellaOne® dagegen nicht. Einer der Punkte, die bei einer nationalen Implementierung der EU-Entscheidung zu klären sind, ist die Frage der Kostenerstattung bei unter 20-Jährigen. Zurzeit übernimmt hier die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten. Bislang gab es nur zwei OTC-Switches mit zentraler europäischer Zulassung: Orlistat und Pantoprazol. Sie wurden problemlos in Deutschland umgesetzt.
Kurswechsel im BMG
Nachdem sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) lange gegen die Entlassung der „Pille danach“ aus der Rezeptpflicht gesträubt und auf die ärztliche Beratung gepocht hatte, reagierte er prompt auf die Empfehlung des CHMP: „Wir werden die Empfehlungen des EU-Arzneimittelausschusses genau prüfen und die EU-Entscheidungsfindung weiter verfolgen“, erklärte Gröhe am Freitagnachmittag. Ziel sei es, auch weiterhin eine gute Beratung für beide Präparate aus einer Hand sicherzustellen. „Wenn diese Beratung aufgrund einer Brüsseler Entscheidung zukünftig nicht mehr zwingend durch einen Arzt vorgenommen werden muss, ist eine intensive Beratung auch in den Apotheken der richtige Weg.“ Sollte die EU-Kommission die ellaOne®-Freigabe umsetzen, will Gröhe „die Frauenärzte, die Apotheken und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte dazu einladen, gemeinsam Kriterien für eine qualitativ hochwertige Beratung zu entwickeln“.
Apotheker können das
Die Bundesapothekerkammer (BAK) weist darauf hin, dass sie sich bereits 2013 dafür ausgesprochen hat, die LNG-haltige „Pille danach“ aus der Rezeptpflicht zu entlassen. „Ohne Rezeptpflicht könnten wir unseren Patientinnen noch schneller weiterhelfen“, erklärt BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer. In den wohnortnahen Apotheken mit ihrem niedrigschwelligen und flächendeckenden Nacht- und Notdienst erhielten Frauen die „Pille danach“ umgehend. „Selbstverständlich beraten wir die Patientinnen auch bei rezeptfreien Notfallverhütungsmitteln so, dass eine größtmögliche Arzneimittelsicherheit gewährleistet ist. Die Apotheker übernehmen Verantwortung dafür, dass Medikamente nicht missbräuchlich angewendet werden.“
Zügige Umsetzung gefordert
Die Linksfraktion fordert seit langem, dass Frauen die LNG-haltige PiDaNa® in Notfällen direkt in der Apotheke erhalten können, ohne vorher zum Arzt gehen zu müssen. Die aktuelle Empfehlung zu ellaOne® sei „überaus begrüßenswert“, erklärte Kathrin Vogler, Sprecherin für Arzneimittelpolitik und Patientenrechte. Nachdem die Opposition lange genug gedrängelt und auch mehrere Anträge dazu im Bundestag vorgelegt habe, soll es nun schnell gehen: „Wir fordern, dass die Bundesregierung zeitnah eine entsprechende Verordnung erlässt und Frauen den Weg zu diesen Notfallverhütungsmitteln nicht länger unnötig erschwert.“ Zudem erwartet die Fraktion, dass die Regierung Regelungen zur Erstattungsfähigkeit schafft – „damit insbesondere für junge und sozial benachteiligte Frauen keine finanziellen Hürden geschaffen werden“.
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