Arzneimittel und Therapie

Absetzen oder nicht?

Kontroverse Meinungen zu inhalativen Corticoiden bei COPD

Ob Patienten mit schwerer COPD auch ohne inhalative Corticosteroide auskommen können, ist bisher unzureichend untersucht worden. In der doppeltblinden WISDOM-Studie zeigte sich, dass ein Ausschleichen von Fluticason nach zunächst sechswöchiger Tripeltherapie mit Tiotropium und Salmeterol das Exazerbations-Risiko über zwölf Monate nicht erhöhte.

Die Empfehlungen für die Therapie von COPD-Patienten sind in den Leitlinien der Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) zusammengefasst. Danach ist eine Dauermedikation mit inhalativen Corticosteroiden nur bei Patienten mit mindestens schwerer chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) oder bei hohem Exazerbations-Risiko (mindestens zwei Exazerbationen oder eine mit Hospitalisierung pro Jahr) und nur in Kombination mit langwirksamen Bronchodilatatoren (einem langwirksamen Beta-2-Sympathomimetikum [LABA] oder/und einem langwirksamen Muscarin-Antagonisten [LAMA]) empfehlenswert. In allen anderen Fällen, das heißt beispielsweise bei leichter COPD, fällt die Nutzen-Risiko-Bilanz negativ aus. Denn nach aktueller Studienlage reduzieren inhalative Corticosteroide (ICS) zwar das Risiko für Exazerbationen, erhöhen aber gleichzeitig das Pneumonie-Risiko und gehen mit weiteren Nebenwirkungen wie Candida-Infektionen oder Stimmstörungen einher.

Die Nichtunterlegenheits-Studie WISDOM (Withdrawal of Inhaled Steroids During Optimized Bronchodilator Management) ist die erste groß angelegte Untersuchung zum Absetzen von Corticosteroiden bei COPD. Eingeschlossen wurden 2485 Patienten mit schwerer oder sehr schwerer Erkrankung nach den GOLD-Kriterien und einem Mindestalter von 40 Jahren, die Raucher oder Ex-Raucher sind und in den zwölf Monaten zuvor mindestens eine Exazerbation erlitten hatten. In einer sechswöchigen Run-in-Phase wurden sie von ihrer vorangegangenen Medikation auf eine inhalative Tripeltherapie, bestehend aus einmal täglich 18 μg Tiotropiumbromid, zweimal täglich 50 μg Salmeterol und zweimal täglich 500 μg Fluticasonpropionat, umgestellt. Bei der Hälfte der Patienten (n = 1242) reduzierte man danach die Glucocorticoid-Tagesdosis alle sechs Wochen schrittweise (von einer 1000-µg-Tagesdosis auf 500 μg, 200 μg, 0 μg, das heißt Placebo). Primärer Endpunkt war die Zeit bis zur ersten moderaten oder schweren COPD-Exazerbation innerhalb von zwölf Monaten.

Nichtunterlegenheit gezeigt

Nach dem zwölfmonatigen Beobachtungszeitraum zeigte sich eine Nichtunterlegenheit für das Regime, bei dem das ICS ausgeschlichen wurde (hazard ratio [HR] 1,06, 95% KI 0,94 bis 1,19, Obergrenze für die Nichtunterlegenheit: 1,20). Subgruppenanalysen zeigten ebenfalls keine Unterschiede in den Behandlungsergebnissen; auch die Therapie-Abbruchrate war in beiden Gruppen gleich. Es gab jedoch einen nicht signifikanten Trend zugunsten der Tripeltherapie bei den schweren Exazerbationen (HR 1,20, 95% KI 0,98 bis 1,48, p = 0,08). Obwohl die unter „Corticoid-Entzug“ stehenden Patienten weniger Exazerbationen durchmachen mussten, war ihre Einsekundenkapazität (FEV1) bei Talspiegeln deutlicher reduziert als bei Patienten, die weiterhin die Tripeltherapie erhielten. In Woche 18 hatte die Einsekundenkapazität im Vergleich zum Ausgangswert signifikant um 38 ml abgenommen (p < 0,001), nach 52 Wochen um 43 ml (p = 0,001).

Einige Fragen bleiben offen

Die Autoren der Studie ziehen aus ihren Ergebnissen die Schlussfolgerung, dass Patienten mit schwerer, aber stabiler COPD keine Nachteile in Bezug auf moderate oder schwere Exazerbationen haben, wenn das ICS ausgeschlichen wird. Das arznei-telegramm merkt in einem Kommentar zur Studie kritisch an, dass durch das besondere Studiendesign ganz unterschiedlich vorbehandelte Patienten eingeschlossen wurden, unter denen etwa ein Drittel überhaupt erstmals auf Corticosteroide eingestellt worden war. Nicht geklärt wurde zudem die Frage, welche Folgen bei Patienten mit einer Zweierkombination (z.B. ICS + LABA), die bei schwerer COPD die erste Wahl darstellt, ein Absetzen des Corticoids hat. Sollen solche Patienten auf eine duale Bronchodilatation aus LABA und LAMA umgestellt werden oder genügt eine langwirksame bronchodilatatorische Monotherapie, z.B. mit Tiotropium?

Bis diese Fragen durch Studien geklärt werden können, sollte ein Absetzversuch gut überwacht werden. Insbesondere gelte dies für Patienten mit längerer Steroid-Anwendung oder höherem Exazerbations-Risiko (das heißt mindestens zweimalige Anwendung von Antibiotika oder systemischen Corticoiden in der Vorgeschichte). 

Quelle

Magnussen H et al.: Withdrawal of inhaled glucocorticoids and exacerbations of COPD. NEJM 2014;371(14):1285-1294, doi: 10.1056/NEJMoa1407154

Lassen sich inhalative Glucocorticoide bei COPD sicher absetzen? arznei-telegramm 2014;45(10):97–98

Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease: Global strategy for the diagnosis, management, and prevention of chronic obstructive pulmonary disease, update 2014, Stand Januar 2014, www.goldcopd.org/uploads/users/files/GOLD_Report_2014_Jun11.pdf

 

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

 

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