Aus den Ländern

Wie ein Schlag aus heiterem Himmel

Wolfgang Niedecken und der Schlaganfall

Am 12. November fand in Bonn die jährliche zentrale Fortbildung der DPhG-Regionalgruppe Rheinland statt. Prof. Dr. Theo Dingermann und Prof. Dr. Dieter Steinhilber von der Goethe-Universität Frankfurt referierten über das Thema Schlaganfall am Beispiel des Musikers Wolfgang Niedecken, des Gründers und Sängers der Kölner Rockband BAP. Indem sie ihren Vortrag hin und wieder unterbrachen, um Musik von BAP zu spielen, brachten sie den Hörsaal des Pharmazeutischen Instituts mit 150 Zuhörern regelrecht zum „Rocken“.

Der ischämische Schlaganfall stellt heutzutage die fünfthäufigste Todesursache in Deutschland dar. Dingermann und Steinhilber erläuterten zuerst dessen medikamentöse Primär- und Sekundärprophylaxe.

Medikamentöse Prophylaxe

Acetylsalicylsäure (ASS) und die P2Y12-Inhibitoren Clopidogrel, Prasugrel und Ticagrelor hemmen die Aggregation von Thrombozyten (primäre Hämostase), während Heparin, Phenprocoumon und Rivaroxaban das plasmatische Gerinnungssystem hemmen (sekundäre Hämostase).

Die Schlaganfallprophylaxe mit ASS ist bei Frauen erfolgreicher als bei Männern, die dafür bei der Herzinfarktprophylaxe stärker von ASS profitieren. Bei Patienten, die mit Clopidogrel behandelt werden, gibt es aufgrund von genetischen Polymorphismen des Cytochrom-P450-Enzyms CYP2C19 eine Non-Response-Rate von 15 bis 40 Prozent.

Bei der Beeinflussung des plasmatischen Gerinnungssystems spielt der Vitamin-K-Antagonist Phenprocoumon nach wie vor eine bedeutende Rolle. Trotz zahlreicher Interaktionen mit anderen Arzneistoffen sowie des aufwendigen Monitorings ist Phenprocoumon in der Praxis relativ gut handhabbar. Ein weiterer Vorteil ist die Verfügbarkeit von Antidoten, die es für die relativ neuen Thrombin- und Faktor-Xa-Hemmstoffe Dabigatran und Rivaroxaban (noch) nicht gibt.

Prof. Dr. Theo Dingermann (oben) und Prof. Dr. Dieter Steinhilber in Aktion.
Fotos: Sebastian Hoß

Erste Hilfe und Akuttherapie

„Helfe kann dir keiner“ heißt einer der ersten BAP-Songs, den Wolfgang Niedecken in den 70er Jahren schrieb. Dies bewahrheitete sich für ihn selbst zum Glück nicht, als er am 9. November 2011 einen Schlaganfall erlitt, denn seine Frau Tina reagierte blitzschnell und rief den Notarzt. Sie sah: Ihrem Mann waren „die Gesichtszüge entglitten“, und er konnte nicht sprechen. Dies sind Symptome eines Schlaganfalls, die auch Nicht-Mediziner im FAST-Test (Face Arms Speech Time) erkennen können:

  • Face: Kann der Betroffene lächeln?
  • Arms: Kann er die Arme heben?
  • Speech: Kann er sprechen, einen Satz nachsprechen?
  • Time: Unverzüglich den Notruf 112 wählen und die Symptome schildern!

Für die Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls stehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Verfügung: die fibrinolytische Therapie (Thrombolyse) mit Plasminogen-Aktivatoren (z.B. Alteplase) oder die Thrombektomie, d.h. mechanische Entfernung des Thrombus mithilfe eines Stents, die auch bei Wolfgang Niedecken durchgeführt wurde.

Eine Thrombolyse muss in einem Zeitfenster von höchstens drei (bis 4,5) Stunden erfolgen. Umso wichtiger sind der sofortige Notruf und die möglichst schnelle Behandlung, am besten in einer Klinik mit Spezialstation („Stroke Unit“).

Es kann jeden treffen

Wolfgang Niedecken war nicht der typische Schlaganfallpatient, denn er war noch jung und wies kaum Risikofaktoren auf: Er litt weder unter Diabetes noch unter Bluthochdruck oder Vorhofflimmern, war nicht übergewichtig und hatte bereits vor vielen Jahren das Rauchen aufgegeben. Wahrscheinlich war es eine kleine Wunde in der Halsschlagader, ausgelöst durch einen heftigen Husten, die zum Schlaganfall geführt hatte. Dies zeigt: Es kann jeden treffen, und wenn es passiert, ist schnelles Handeln gefragt nach dem Motto „time is brain“. Dann besteht die Hoffnung, hinterher wie Wolfgang Niedecken sagen zu können: „Alles halv su wild, dat renk sich en.“ 

Melanie Kulick und Ronja Woltersdorf, Bonn

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