Arzneimittel und Therapie

Vorteilsindex optimiert Therapie

Prädiktives analytisches Modell sagt Behandlungseffektivität voraus

Ziel der personalisierten Medizin ist es, basierend auf Ergebnissen klinischer Forschung optimierte Therapieregime zu entwickeln, welche individuell die größte Wahrscheinlichkeit besitzen, gesetzte Behandlungsziele zu erreichen. US-Amerikanische Forscher stellten nun ein prädiktives Modell vor, welches unter Einbeziehung mehrerer patientenindividueller Faktoren die Entscheidungsfindung für den optimalen Therapieansatz erleichtert.

Die klinische Beurteilung des Patienten sowie die individuellen Erfahrungen in den verschiedenen Indikationsgebieten steuern die Entscheidungen der behandelnden Ärzte für eine bestimmte Therapie. Zahlreiche randomisierte, kontrollierte klinische Studien haben versucht, patientenindividuelle Faktoren zu beschreiben, die herangezogen werden können, um für bzw. gegen einen möglichen Erfolg einzelner Behandlungen zu sprechen. Dazu gehören familiäre Faktoren, gesundheitliche Umstände sowie prägende Erlebnisse im eigenen Leben. Obwohl diese Studien darauf hinweisen, dass solche Merkmale signifikant mit der Effektivität einer Behandlung korrelieren, gibt es ernsthafte therapeutische Limitierungen. Klinische Studien betrachten patientenorientierte Variablen stets isoliert, was Medizinern nur wenige Möglichkeiten gibt, über diese einzelnen Sachverhalte hinaus Entscheidungen zu treffen, die für die Behandlung relevant sind.

Therapieregime, welche unter Berücksichtigung einzelner patientenorientierter Aspekte getroffen werden, sind nur dann richtig, wenn alle anderen Faktoren keinen Einfluss auf die Effektivität der Behandlung besitzen. Dies ist jedoch selten der Fall, und teilweise stehen diese Variablen in gegenteiligem Konflikt bezüglich der Behandlungsempfehlung. In diesem Fall fehlt darüber hinaus eine Gewichtung der verschiedenen Faktoren, sodass dementsprechend nicht sicher ist, nach welcher Empfehlung gehandelt werden muss.

Mit dem individuellen Vorteilsindex zur Therapieempfehlung

Forscher der Universität von Pennsylvania sowie der Universität von Pittsburgh haben sich nun dieser Problematik angenommen und ein Entscheidungsmodell auf der Basis der „Leave-one-out“-Validierungsmethode entwickelt. Dieses statistische Testverfahren, dass die Qualität eines Modells bewertet, kann genutzt werden, um die optimale Therapie zu ermitteln. Das Modell vergleicht und gewichtet eine Vielzahl von Variablen, um eine optimale Behandlung vorhersagen zu können. Die Wissenschaftler berechneten so den „personalisierten Vorteilsindex“, welcher als analytisches Instrument multiple, gegebenenfalls widersprüchliche Faktoren einbezieht und die Entscheidung vereinfachen soll. Mit diesem Vorteilsindex kann ermittelt werden, in welchem Ausmaß patientenorientierte Variablen das Behandlungsergebnis diktieren, vor allem, wenn diese jeweils in gegenseitigem Konflikt stehen.

Erstmalig wurde dieses Modell nun an den Ergebnissen einer klinischen Studie getestet und das Resultat des Vergleichs in PlosOne veröffentlicht [1]. Die Studienpopulation (154 Patienten) erhielt aufgrund einer depressiven Symptomatik entweder eine kognitive Verhaltenstherapie (50 Personen) oder eine medikamentöse Behandlung mit Paroxetin (104 Personen). Beide Therapieoptionen haben bereits in Studien ihre Wirksamkeit gegenüber Placebo bewiesen, wobei jedoch auch hier die Ansprechrate der Patienten variierte. Die Studie selbst wurde zwischen 1996 und 2002 durchgeführt und der Therapieerfolg, ermittelt über die Hamilton Rating Scale for Depression (HRSD), über 16 Wochen beobachtet [2]. Unter Verwendung des personalisierten Vorteilsindex ermittelten die Forscher die jeweils individuelle Therapieoption mit der höchsten Wahrscheinlichkeit, einen optimalen Behandlungserfolg zu erzielen.

Als patientenorientierte Faktoren galten unter anderem Familienstand, eine gegebenenfalls zusätzliche antidepressive Medikation sowie das Vorhandensein negativer emotionaler Ereignisse in den letzten Jahren vor Studienbeginn. Die damals behandelnden Psychologen hatten zwar schon zuvor diese Daten aufgenommen und in die Therapieempfehlung mit einbezogen, jedoch niemals in einer so umfassenden Art wie in diesem Modell. Die Resultate der analytischen Vorhersage wurden anschließend mit der tatsächlichen Behandlung überprüft. Dem Studiendesign entsprechend wurden einige Patienten randomisiert der errechneten „optimalen“ sowie der „nicht-optimalen“ Behandlung zugewiesen. Übereinstimmend mit den mathematisch ermittelten Vorhersagen ging es Patienten mit der optimalen Therapie tendenziell besser als denjenigen, die die nicht-optimale Therapie erhielten (d = 0,58, 95% CI 0,17 bis 1,01). Hieraus schließen die Autoren, dass Empfehlungen zur Behandlung, die nach dem berechneten Vorteilsindex ausgesprochen werden, ähnlich aussagekräftig sein könnten wie ein Vergleich zwischen Medikation und Placebo.

Obwohl die Forscher noch nicht sagen können, inwiefern der Test auch außerhalb ihres Studiendesigns funktioniert, zeigen sie sich optimistisch, dass der personalisierte Vorteilsindex in Zukunft an klinischem Einfluss gewinnen wird. Zusätzlich sollen Methoden der patientenorientierten Medizin, u.a. genetische Tests sowie kostenintensive bildgebende Verfahren, mithilfe dieses analytischen Modells in Relation zum Behandlungserfolg gesetzt werden, um eine Aussage über ihre therapeutische Wirksamkeit zu treffen. Der prädiktive Vorteilsindex könnte die Kluft zwischen der Fülle an personalisierten Informationen und deren Interpretation schließen und helfen, diese Methoden abschließend zu bewerten, so die Autoren. 

Quelle

[1] DeRubeis RJ, Cohen ZD, Forand NR, Fournier JC, Gelfand LA et al. The Personalized Advantage Index: Translating Research on Prediction into Individualized Treatment Recommendations. A Demonstration. PLoS One 2014; 9(1): e83875. doi:10.1371/journal.pone.0083875.

[2] DeRubeis RJ, Hollon SD, Amsterdam JD, Shelton RC, Young PR et al. Cognitive therapy vs medications in the treatment of moderate to severe depression. Arch Gen Psychiatry 2005; 62: 409–416. doi:10.1001/archpsyc.62.4.409.

 

Apotheker André Said

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