Arzneimittel und Therapie

Anastrozol senkt das Brustkrebsrisiko

Gefährdete Frauen können von Aromatasehemmern profitieren

Die größte bisher mit einem Aromatasehemmer durchgeführte Studie zur Brustkrebsprävention (IBIS-II) kommt zu dem Ergebnis, dass sich bei postmenopausalen Frauen mit hohem Brustkrebsrisiko bei täglicher Einnahme von Anastrozol das Brustkrebsrisiko halbiert. Unklar ist jedoch, ob sich dies auch in einer verminderten brustkrebsbedingten Sterblichkeit bemerkbar macht. Mit unerwünschten Wirkungen muss gerechnet werden.

Brustkrebs ist bei Frauen die häufigste Krebsform mit weltweit rund 1,4 Millionen Neuerkrankungen pro Jahr und steigender Tendenz. Für Frauen mit deutlich erhöhtem Risiko stellt sich die Frage, wie sie dieser Erkrankung vorbeugen können. Vor kurzem machte die Entscheidung der US-Schauspielerin Angelina Jolie, sich wegen ihres stark erhöhten Brustkrebsrisikos vorsorglich ihre Brüste amputieren zu lassen, weltweit Schlagzeilen. Ein derartig radikaler Schritt wird normalerweise nicht infrage kommen. Es stellt sich daher die Frage nach anderen effektiven Präventionsmöglichkeiten, die über Lebensstilveränderungen hinausgehen.

Dem Hormon Östrogen kommt bei der Entstehung von Brustkrebs eine entscheidende Rolle zu. Entsprechend kann eine Unterdrückung der Östrogensynthese das Risiko einer Mammakarzinom-Entstehung senken. Durch die Blockade des Enzyms Aromatase wird die Umwandlung des Hormons Androstendion zu Östron und anderen Östrogenen unterdrückt, und zwar vorwiegend in Fettgewebe, Leber, Haut und Muskeln. Vor den Wechseljahren sollten Frauen keinen Aromatasehemmer bekommen, weil der Körper die Östrogenproduktion dann umso stärker über die Eierstöcke aufrechterhält.

Um zu untersuchen, ob die präventive Einnahme des nicht-steroidalen Aromatasehemmers Anastrozol das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, senken kann, wurde im Jahr 2005 die doppelblinde, randomisierte IBIS II-Studie (International Breast cancer Intervention Study II) begonnen. In der IBIS I-Studie war bereits die präventive Wirkung des Antiöstrogens Tamoxifen gezeigt worden. Bei IBIS-II handelt es sich um die größte Studie, die bisher mit einem Aromatasehemmer durchgeführt wurde. Teilgenommen haben 3864 postmenopausale Frauen mit einem durchschnittlichen Alter von 59,5 Jahren an 148 Zentren in 16 Ländern. Einschlusskriterium war ein erhöhtes Brustkrebsrisiko aufgrund einer positiven Familienanamnese oder einer früheren Diagnose einer nicht-invasiven Läsion. Zu Beginn wurden eine Mammographie und eine Tastuntersuchung der Brust durchgeführt, und diese Untersuchungen wurden im Verlauf der Studie mindestens alle zwei Jahre wiederholt. Die teilnehmenden Frauen erhielten randomisiert täglich entweder 1 mg Anastrozol oder Placebo. Nach einer medianen Beobachtungszeit von fünf Jahren hatten 40 von 1920 Frauen der Anastrozol-Gruppe (2%) und 85 von 1944 Frauen der Placebo-Gruppe (4%) einen histologisch bestätigten Brustkrebs entwickelt. Bei invasiven Östrogen-Rezeptor-negativen Tumoren gab es allerdings keinen signifikanten Unterschied. Es wird vermutet, dass es sich bei der Vorbeugung mit Anastrozol um eine frühe Behandlung bestehender subklinischer Hormon-sensitiver Tumore handelt. Diese sind heute bei einer Frühdiagnose fast immer heilbar. Die brustkrebsbedingte Sterblichkeit und die Gesamtsterblichkeit unterschieden sich zwischen den Gruppen nicht: In der Anastrozol-Gruppe starben 18 Teilnehmerinnen und in der Placebo-Gruppe 17. Eine im Jahr 2011 veröffentlichte Studie zur Brustkrebsprävention mit dem steroidalen Aromatasehemmer Exemestan hatte ähnliche Ergebnisse ergeben.

Überlebensvorteil ist nicht zu erwarten

Auch wenn sich nach dem Ergebnis der IBIS-II-Studie postmenopausale Frauen mit hohem Brustkrebsrisiko durch die tägliche Einnahme von Anastrozol vor einer Brustkrebs- Diagnose schützen können, ist keineswegs sicher, ob Anastrozol auch die Sterblichkeit senken kann. Eine längere Nachbeobachtungszeit der Frauen dieser Studie wäre deshalb von großem Interesse, wie die Autoren auch anerkennen. Ob und wie lange der Schutz nach Absetzen der Behandlung bestehen bleibt, ist ebenfalls unklar.

Sind Frauen bereit, die unerwünschten Wirkungen eines Östrogen-Entzugs auf sich zu nehmen, ohne die Gewissheit, dass sie dadurch ihr Leben verlängern können? In der vorliegenden Studie litten unter Anastrozol 57% der Frauen unter Hitzewallungen und nächtlichem Schwitzen und 64% unter Muskel- und Gelenkschmerzen, allerdings waren derartige Beschwerden auch unter Placebo häufig. Weitere unerwünschte Wirkungen, die unter Anastrozol signifikant häufiger auftraten als unter Placebo, waren trockene Augen, Bluthochdruck und Karpaltunnelsyndrom, die absoluten Werte waren hierbei aber niedrig (≤ 5%). Bei der Frakturrate zeigte sich in der vorliegenden Studie zwar kein Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen; eine detaillierte Darstellung auch hinsichtlich Veränderungen der Knochendichte soll jedoch noch veröffentlicht werden. Es ist bekannt, dass Anastrozol Osteoporose verursachen kann.

Auswirkungen auf die Praxis eher gering

Die klinische Erfahrung hat gezeigt, dass sogar beim etablierten und lebensverlängernden Einsatz von Anastrozol in der endokrinen Therapie des Mammakarzinoms die Compliance zu wünschen übrig lässt und viele Frauen die Therapie vorzeitig abbrechen. Solange nicht geklärt ist, ob die präventive Behandlung lebensverlängernd wirkt, ist fraglich, ob Anastrozol als Mittel zur Brustkrebsprävention akzeptiert wird. Für Frauen mit erhöhtem Risiko könnte die Teilnahme an Früherkennungsmaßnahmen der leichtere Weg sein. 

Quelle

Cuzick J et al. Anastrozole for prevention of breast cancer in high-risk postmenopausal women (IBIS-II): an international, double-blind, randomised placebo-controlled trial. Lancet 2013; published online December 12. http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(13)62292-8.

Cameron DA. Breast cancer chemoprevention: little progress in practice? Lancet 2013; published online December 12.   http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(13)62555-6.

 

Apothekerin Dr. Birgit Schindler

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