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Sparen mit Medikationsmanagement

MdB Hennrich sieht größeres Potenzial als bei Rabattverträgen

BERLIN (du/ks) | Äußerungen von MdB Michael Hennrich (CDU), nach denen Rabattverträge die Akzeptanz der Apotheker gesteigert haben, haben auf DAZ.online zu einer teils sehr emotionalen Diskussion geführt. Wir haben Michael Hennrich, der auch Mitglied des Gesundheitsausschusses ist, gebeten, seine Sichtweise näher zu erläutern und mit ihm über Möglichkeiten und Chancen des Apothekerberufs gesprochen.

DAZ: Herr Hennrich, Ihre Ansicht, dass Rabattverträge das Ansehen der Apotheker gesteigert haben, wird von vielen Apothekern nicht geteilt. Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

Hennrich: Zunächst einmal möchte ich festhalten, dass ich ein großer Freund der Inhaber-geführten Apotheke bin. Apotheke verkörpert für mich Mittelstand, der Arbeitsplätze schafft, der regional verwurzelt ist und der soziale Verantwortung übernimmt. Der Apotheker nimmt kraft seiner Tätigkeit eine herausragende Stellung ein, was Versorgung mit Medikamenten und Beratung betrifft. Also ein sehr positives Bild. Es ist mir sehr wichtig, diese meiner Meinung nach sehr gesunde Form der Versorgungsstruktur zu erhalten. Das ist auch ein klares Anliegen der Union und spiegelt sich im Koalitionsvertrag wider. Nun zu der Stellung des Apothekers: es ist meine, zugegeben sehr subjektive Wahrnehmung, dass sich das Ansehen des Apothekers seit 2002, also seitdem ich aktiv in der Politik bin, deutlich verbessert hat. Und damit meine ich – vielleicht hätte ich das klarer herausstellen müssen – vor allem das Ansehen in der Politik. Die Rolle des Apothekers wird hier heute nicht mehr infrage gestellt.

Foto: Thomas Auerbach
MdB Michael Hennrich (CDU): „Ich glaube, dass die Chancen für die Apotheker sehr groß sind, ihre Rolle in der Versorgung auszubauen.“

DAZ: Können Sie das näher begründen?

Hennrich: Das mache ich gerne: Wir finden keine Anträge mehr, die sich gegen die Apotheker richten. Das spiegelt sich schon darin, dass eine Partei wie die Linkspartei Anträge zur Stärkung der Apotheker stellt. Aber auch über die Politik hinaus ist das Ansehen gestiegen. Mir liegt eine Umfrage zum Ansehen der verschiedenen Berufe im Gesundheitswesen des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) vor. Apotheker belegen hier Platz 1 in der Liste, und liegen damit sogar vor den Ärzten. Und ich bin davon überzeugt, dass das mit den Rabattverträgen zusammenhängt. Hier kommen sie mit den Patienten ins Gespräch, können die Lage erläutern. Wenn man das sauber erklärt, klar macht, dass für die Situation in erster Linie die gesetzlichen Krankenkassen und die Politik verantwortlich sind, dann wird der Kunde nicht mit der Apothekerschaft unzufrieden sein. Insofern kann ich die Klagen mancher Apotheker, ihr Ansehen hätte gelitten, nicht nachvollziehen.

DAZ: Viele Apotheker empfinden das anders ...

Hennrich: Möglicherweise liegen diese Apotheker hier falsch, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Kunde nach einer sauberen Erklärung der Rabattverträge dem Apotheker für die Situation die Schuld geben kann. Mir ist auch nicht bekannt, dass in irgendwelchen Umfragen zum Ansehen der einzelnen Berufssparten die Apotheker uns Politikern die hinteren Plätze streitig machen.

DAZ: Nun sehen die Apotheker ja nicht ihre Hauptaufgabe darin, Rabattverträge zu erklären, oft gegen ihre Überzeugung. Sie fühlen sich zu Erfüllungsgehilfen der Krankenkassen und der Politik degradiert.

Hennrich: Das kann ich nachvollziehen, aber ich muss hier einen zweiten Aspekt ins Spiel bringen: wie generiere ich in der Politik Einsparpotenziale? Da haben wir ja jahrelang intensive Diskussionen gehabt. Ich war ein vehementer Gegner der Positivliste. Sie hätte für mich eine Existenzbedrohung der Apotheker bedeutet, denn wo ist da der Apotheker noch gestaltend tätig? Positivlisten kann ich auch über den Versandhandel abwickeln, nicht aber die Rabattverträge. Diese Diskussion ist seit dem AMNOG und der Einführung der Rabattverträge tot.

DAZ: Sicher werden Sie für die Verhinderung der Positivliste in der Apothekerschaft Zustimmung erhalten. Und Sie werden auch die Apotheker finden, die sagen, Rabattverträge sind eine Chance. Aber viele haben ein Riesenproblem mit der Bürokratie, die ihnen die Zeit für die wichtigen Aufgaben raubt.

Hennrich: Klar, das sehe ich auch, aber es hat mir noch niemand ein gutes Modell vorgestellt, mit dem Einsparmöglichkeiten in dieser Größenordnung wie mit den Rabattverträgen zu generieren sind. Auch die Festbeträge haben deutlich langsamer zu Einsparungen geführt. Ich bin offen für alle Vorschläge. Sie kennen ja das ABDA-KBV-Modell, das haben wir immer gefördert, es kann sich beweisen, wir warten dringend auf Ergebnisse.

DAZ: Nun sind die Einsparungen durch Rabattverträge eine Black box. Wie groß sind sie denn tatsächlich? Und wie groß sind die Einsparungen durch das AMNOG insgesamt?

Hennrich: Gesamtsummen der Einsparungen durch Rabattverträge werden in der KV-45-Statistik des BMG ausgewiesen. Sie sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und lagen in den ersten drei Quartalen des Jahres 2013 bei 2,07 Milliarden Euro. Und wenn wir die weiteren Zahlen sehen, die kolportiert werden, dann waren bei Zytostatika Einsparungen um 20%, bei anderen Arzneimitteln sogar um 90% möglich. Insgesamt werden die Einsparungen in der vergangenen Legislaturperiode auf 17 Milliarden Euro für den gesamten Arzneimittelsektor geschätzt.

DAZ: Eine stattliche Summe, für die Apotheker große Einbußen hinnehmen mussten …

Hennrich: Wir wissen, was wir Apothekern abverlangt haben. Das hat auch dazu geführt, dass Mitte der letzten Legislaturperiode die Einsicht gereift ist, dass für Apotheker etwas getan werden muss. Die Erhöhung des Fixzuschlags und die Notdienstpauschale waren die Konsequenz.

DAZ: Wir haben also viel gespart und jetzt haben wir die Situation, dass Apotheker zunehmend mit nicht lieferbaren Arzneimitteln konfrontiert sind. Marktkonzentration und ein zu niedriges Preisniveau in Deutschland aufgrund der Rabattverträge werden dafür mitverantwortlich gemacht. Auch die Produktionsverlagerung in Schwellenländer wird als Problem gesehen.

Hennrich: Dass sich die Produktion ins Ausland verlagert hat, hat meiner Meinung nach nichts mit den Rabattverträgen zu tun, sondern mit niedrigeren Löhnen in diesen Ländern und höheren Gewinnaussichten. Die Produktionsverlagerungen gab es schon vor den Rabattverträgen und erst recht vor dem AMNOG. Zudem sind Lieferengpässe kein spezifisch deutsches Problem – siehe USA –, und auch sie hat es schon vor Einführung der Rabattverträge gegeben.

DAZ: Allerdings nicht in nennenswertem Ausmaß in Deutschland ...

Hennrich: Das ist richtig und hat sicher etwas mit dem viel zu hohen Preisniveau von Arzneimitteln vor Einführung der Rabattverträge zu tun. Deutschland war für die Pharmaindustrie so etwas wie das Paradies. Wir sprechen hier von einer Umsatzrendite von über 25% für Pharmahersteller. Da mussten wir gegensteuern.

DAZ: Mit dem Erfolg, dass jetzt die Arzneimittelversorgung in Deutschland immer schlechter wird?

Hennrich: Ich bin nach wie vor überzeugt, dass die Arzneimittelversorgung in Deutschland den internationalen Vergleich nicht scheuen muss. Dennoch verschließen wir nicht die Augen vor den Problemen. Die Diskussion zum Thema Lieferengpässe haben wir auch im Rahmen des Koalitionsvertrags geführt und Sie finden dort ein ganz klares Signal an Krankenkassen und Hersteller, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Auch die Krankenkassen sind hier in der Pflicht, was ich besonders betonen möchte.

DAZ: Das bezieht sich jedoch nur auf Impfstoffe.

Hennrich: Das bezieht sich „insbesondere“ auf Impfstoffe, aber das Signal, dass Krankenkassen neben Herstellern in der Pflicht sind, ist eindeutig.

DAZ: Krankenkassen verweisen hier gerne auf Verträge mit mehreren Partnern. Trotzdem sind wichtige Arzneimittel nicht lieferbar. Denn kein Hersteller produziert über die zu erwartenden Absatzkapazitäten hinaus. Kommt es bei dem anderen zu Lieferengpässen, dann werden mindestens 6 Monate benötigt, um die eigene Produktion wieder hochzufahren.

Hennrich: Um solchen Problemen aus dem Weg zu gehen, habe ich mich für eine Nationale Arzneimittelreserve stark gemacht. Im Prinzip haben wir die ja schon, wir müssten nur die Bevorratungszeit z.B. beim Großhandel von 2 Wochen hoch setzen auf beispielsweise 2 Monate. Das wäre meiner Meinung nach einfach zu realisieren.

DAZ: Die Einsparmöglichkeiten durch Rabattverträge sollen ausgereizt sein. Wo soll in Zukunft gespart werden?

Hennrich: Das sehe ich auch so und die jüngsten Zahlen zum Thema Rabattarzneimittel geben uns recht. Wir werden uns wieder auf andere Felder konzentrieren müssen. So werden m.E. Festbeträge oder die Hilfstaxe wieder verstärkt in den Fokus rücken.

DAZ: Es gibt noch ein weiteres Feld, das bislang kaum zur Sprache gekommen ist. Das sind Einsparungen durch eine bessere Arzneimittelversorgung, Stichwort Medikationsmanagement.

Hennrich: Wenn es in Zukunft um Einsparungen gehen wird, dann wird gerade das Medikationsmanagement eine noch viel größere Rolle spielen als die Rabattverträge es bislang getan haben. Hier sehe ich ein großes Potenzial, auch im Hinblick auf die Profilierung der Apotheker.

DAZ: Medikationsmanagement ist eine anspruchsvolle und zeitaufwendige Aufgabe. Apotheker erwarten, dass diese Leistung auch angemessen honoriert wird.

Hennrich: Als die Forderung von ABDA bzw. DAV nach einer gesonderten Honorierung des Medikationsmanagements kam, hatte Medco-Celesio angeboten, ein Medikationsmanagement ohne gesonderte Vergütung zu machen, dafür aber die Einsparsumme zu teilen. Hätten wir so etwas in Deutschland gemacht, hätten wir so einem Unternehmen Tür und Tor geöffnet. Es wird also eine ganz spannende Frage sein, wie Medikationsmangement organisiert und vergütet wird.

DAZ: Werden dazu Mittel aus dem Innovationsfonds zur Verfügung stehen?

Hennrich: Das schließe ich nicht aus.

DAZ: Und wann kommt der Innovationsfonds?

Hennrich: Relativ schnell, denn die Erwartungshaltung ist groß. Was mir aber bei der ganzen Diskussion um das Medikationsmanagement wichtig ist, ist, dass wir erst die Strukturen schaffen, dann sehen, welche Einsparungen wir erzielen, und dann über die Vergütung reden.

DAZ: Apotheker müssen also erst einmal in Vorleistung gehen ...

Hennrich: Umgekehrt wird es nicht funktionieren. Wir können nicht erst die Vergütung regeln, dann managen wir und schauen einmal, welche Einsparungen wir erzielen. Das ist nicht durchzusetzen. Es sind kreative Lösungen gefragt, die gemeinsam von Kassen, Apothekern und Politik erarbeitet werden.

DAZ: Wie sehen Sie ganz generell die zukünftige Bedeutung der Apotheker in der Gesundheitsversorgung?

Hennrich: Ich glaube, dass die Chancen für die Apotheker sehr sehr groß sind, ihre Rolle in der Versorgung auszubauen. Vorausgesetzt allerdings, dass wir die Strukturen halten können. Und dann werden es gerade das Medikationsmanagement und die Beratung sein, die die Position der Apotheker stärken werden.

DAZ: Herr Hennrich, wir danken Ihnen für das Gespräch! 

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