Management

Sanierungsexperten in die Apotheke?

Ein Lösungsansatz bei drohender Insolvenz – wann welche Schritte einzuleiten sind

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Die betriebswirtschaftliche Situation der Apotheken hat sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert. Das AMNOG hat teilweise heftige Folgen bei den Apotheken gehabt, die durchschnittlichen Betriebsergebnisse haben sich seither erheblich reduziert. Die wirtschaftliche Situation der meisten Apotheken dürfte sich im Jahr 2015 kaum gegenüber dem Vorjahr verbessern, so äußerte sich beispielsweise Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes, in der Apotheker Zeitung 2015, Nr. 1, Seite 8.

Kritisch ist diese Situation besonders für die Apotheken, die in größerem Umfang fremdfinanziert sind. Wo jeden Monat Zins- und Tilgungsleistungen an die Banken abzuführen sind und z. B. der Großhandel in erheblichem Maße Forderungen über den ­laufenden Bezug hinaus hat, da drückt der Schuh besonders. Eine Verschlechterung der Einkommenssituation führt in diesem Umfeld nahezu zwangsläufig zu Störungen im Zahlungsverkehr. Es werden nur noch die Gläubiger bedient, die am meisten Druck machen und den größten Schaden anrichten können. Verspätete Gehaltszahlungen bei den Mitarbeitern sind hier der Regelfall, vorhandene Werte werden mehr oder weniger freiwillig als Sicherheit an die Gläubiger herausgegeben. Damit verbessert sich aber nicht die betriebswirtschaftliche Situation der Apotheke, sondern alleine die Lage der Gläubiger.

Ausweg Sanierung

Einen Weg aus dieser misslichen Situation kann das frühzeitige Bemühen um eine ernsthafte Sanierung der Apotheke darstellen. Dabei kommt die außergerichtliche Sanierung oder die Sanierung im Rahmen eines Verfahrens nach der Insolvenzordnung in ­Betracht. Die außergerichtliche Sanierung ist dann das Mittel der Wahl, wenn die Gläubiger ­bereit sind, die notwendigen Sanierungsmaßnahmen in vollem Umfange mitzutragen.

Kann hier keine Einigkeit erzielt werden, bleibt der zweite Weg über ein Verfahren nach der In­solvenzordnung. Die Möglichkeiten, die das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (kurz: ESUG) bietet, sind auch für kleinere Unternehmen wie zum Beispiel viele Apotheken hervorragend geeignet, um eine Sanierung durchzuführen, ohne dass der Inhaber das Heft aus der Hand geben muss oder sogar seine Betriebserlaubnis verliert. Auch die Gläubiger können sich sinnvollen Sanierungs­bemühungen nicht entziehen. Im Extremfall kann ihre Zustimmung zur Sanierung durch das Gericht ersetzt werden. Der zweite Weg ist auch dann geeignet, wenn die Zeit, die für die Sanierung noch zur Verfügung steht, schon sehr ein­geschränkt ist.

Leider ist die Scheu vor einem ­solchen Sanierungsverfahren nach der Insolvenzordnung nach wie vor eben so groß wie unberechtigt. Das gerichtliche Sanierungsverfahren kann bei guter Vorbereitung in wenigen Monaten abgeschlossen sein, während die negativen Auswirkungen einer nicht oder nur unvollständig durchgeführten Sanierung oft über Jahre (und bis zum bitteren Ende) bemerkbar sind. Die Scheu vor einem gerichtlichen Sanierungs­verfahren verleitet oft auch dazu, eine außergerichtliche Sanierung auf dem niedrigsten gemeinsamen Level von Gläubigern und ­Inhaber zu versuchen. Eine solche Sanierung (die ihren Namen nicht verdient) verläuft zumeist nach dem Motto „Sanierung gelungen, Unternehmen zum Überleben zu schwach“.

Für eine außergerichtliche Sanierung ist elementar, dass sie zu ­einem Zeitpunkt eingeleitet wird, an dem die Apotheke noch über finanziellen und wirtschaftlichen Spielraum verfügt, damit Alternativlösungen ernsthaft angedacht und ins Spiel gebracht werden können. Besteht dieser Spielraum nicht mehr, gleichen die Gespräche mit den Gläubigern in der Praxis oft Kapitulationsverhandlungen. Je länger ernsthafte und ­wirkungsvolle Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise ausbleiben, umso geringer wird der verbleibende Handlungsspielraum und umso größer wird der Druck und damit die Gefahr des endgültigen Scheiterns.

Ehrliche Bestandsaufnahme unumgänglich

Unabhängig davon, ob der gerichtliche oder der außergerichtliche Weg zur Sanierung gewählt wird, bedarf es einer vollständigen und exakten Bestandsaufnahme zur ­Situation der Apotheke. Die Ursachen der Krise sind im Einzelnen darzulegen und zu analysieren. Von dieser Bestandaufnahme ausgehend wird dann ein Konzept entwickelt, wie und mit welchen konkreten Maßnahmen die Sanierung zu erreichen ist. Diese Maßnahmen richten sich am Leitbild der sanierten Apotheke aus, in dem beschrieben wird, wie die Apotheke nach der Sanierung ­aufgestellt ist.

Eine Sanierung, die gelingen soll und die das Fortbestehen der Apotheke nachhaltig sichert, ist ohne die Einschaltung von Fachleuten kaum machbar. Mit einer selbst durchgeführten Bestandsaufnahme der wirtschaftlichen Situation werden sich die Gläubiger nicht zufrieden geben. Sie erwarten plausible und belastbare Informationen, die von neutraler Seite ­erhoben und aufbereitet wurden. Der Apothekeninhaber hat ein Glaubwürdigkeitsproblem; ihm wird immer unterstellt werden, die Situation geschönt darzulegen. In den Gesprächen mit den Gläubigern sollten auch keine taktischen Fehler gemacht werden. Der Apothekeninhaber ist oft emotional in seiner angespannten Lage verfangen; dies kann von den Gläubigern ausgenutzt werden. Kritische ­Distanz in der Sache und zu den Beteiligten tut Not und fällt einem externen Berater leichter.

Der erfahrene Berater wird spätestens nach der Bestandsaufnahme, meistens aber schon parallel, die notwendigen nächsten Schritte nach Dringlichkeit sortieren und gemeinsam mit dem Inhaber an­gehen. Aufrechterhaltung der Liquidität, offene Kommunikation mit allen Beteiligten und Wiederherstellung des verloren gegangenen Vertrauens bei den Gläubigern sind nur einige Punkte aus dem Katalog der einzuleitenden Sofortmaßnahmen.

Bestandsaufnahme, Konzeption und Umsetzung sollten aus einem Guss sein. Es macht wenig Sinn, diese drei wichtigen Schritte in ­einem Sanierungsprozess unter verschiedenen Beratern aufzuteilen. Die Gefahr von Reibungs- und Umsetzungsverlusten ist einfach zu groß. Das heißt nicht, für konkrete Einzelschritte wie z. B. Schulungs- und Trainingsmaßnahmen keine sonstige Hilfe in Anspruch zu nehmen, sondern nur, dass Schulungen und Trainings innerhalb des Gesamtkonzepts inhaltlich abzustimmen sind.

Achtung, Fallstricke!

Sanierungsverhandlungen bergen juristische Fallen; ist die Bestands­aufnahme und das Sanierungskonzept lückenhaft oder sogar grob fehlerhaft, kann die Sanierung (gerichtlich wie außergerichtlich) daran scheitern und am Ende die Apotheke vor dem endgültigen Aus stehen.

Vielfach wird auch der Fehler begangen, die Maßnahmen nur auf die Kostenseite zu beschränken. Die positiven Auswirkungen zeigen sich dort zwar schnell, aber die Ursachen der Krise bleiben meist unberührt und unbekannt. Wer sich nicht auch intensiv um die leistungswirtschaftliche Seite und die strategische Positionierung der Apotheke kümmert, wird langfristig wenig Freude an seiner Sanierung finden.

Vom Inhaber hängt alles ab

Der erfahrene Berater wird eines nie aus den Augen verlieren: Die Person des Inhabers. Die beste Sanierung wird nicht gelingen, wenn der Inhaber nicht oder nicht mehr in der Lage ist, das persönliche Vertrauen, das die Gläubiger in ihn setzen, zu rechtfertigen. Die Apotheke ist als Einzelunternehmen oder auch als GbR engstens mit dem Inhaber verbunden. Mit ihm steht oder fällt der dauerhafte Erfolg des Unternehmens.

Eine Krise der Apotheke geht kaum spurlos am Inhaber vorüber. Aus haftungsrechtlicher Sicht gibt es keine Unterscheidung zwischen Betriebs- und ­Privatvermögen. Das gesamte Vermögen des Inhabers ist risikobehaftet im Falle des wirtschaft­lichen Scheiterns der Apotheke. Dabei ist die Apotheke nicht nur Einkommens- und oft auch Existenzgrundlage, sie hat i. d. R. auch eine wichtige Funktion im sozialen Selbstbild des Inhabers. Dieses Selbstbild wird vor allem in sich lange hinziehenden Krisen nur noch mühsam aufrechterhalten und droht schon bei kleinen Erschütterungen auseinanderzubrechen. Ein unsensibles Vorgehen des Beraters kann diese Gefahr verstärken. Diese Gefahr ist umso größer, als in der Vergangenheit vergeblich versucht worden ist, der Krise selbst Herr zu werden, die finanziellen Reserven erschöpft sind und ausreichende Privatentnahmen schon lange nicht mehr getätigt werden konnten. Die Arbeit in und an der ­Krise beanspruchte viel Zeit und Energie, die sozialen Kontakte blieben auf der Strecke. Für eine erfolgreiche und nachhaltige Bewältigung der Krise ist entscheidend, dass der Inhaber seine aktive Rolle im Sanierungsgeschehen beibehält oder wieder übernimmt. Auch die Gläubiger fragen sich in dieser Situation: „Trauen wir es dem Inhaber zu, dass er den Karren wieder flott kriegt?“

Kann ich mir die Sanierung noch leisten?

Dass die Kosten einer Sanierung hoch sind, wird oft vorgebracht. Vor dem Hintergrund einer angespannten Liquiditätslage ist dies verständlich, aber nicht begründet. Das anzulegende Maß leitet sich davon ab, was passiert, wenn nichts passiert, also nicht saniert wird: Die Ergebnisse der Apotheke entsprechen nicht dem, was die Apotheke eigentlich leisten könnte, Privatvermögen muss als Sicherheit verpfändet werden, die Lieferanten kürzen zuerst Konditionen, weil Rechnungen nicht wie gewohnt bezahlt werden, Skonti verfallen, im Extremfall erfolgt die Belieferung nur noch gegen Vorkasse, die Kunden sind wegen der schlechter werdenden Lieferfähigkeit verärgert und wandern ab, die Mitarbeiter sind verunsichert, weil die Gehälter nicht rechtzeitig bezahlt werden, und schauen sich auf dem Arbeitsmarkt um, usw., die Punkte der Abwärtsspirale ­lassen sich beliebig fortsetzen.

Dem steht bei einer erfolgreichen Sanierung gegenüber:

  • das Bewusstsein, wieder frei von altem Ballast arbeiten zu können;
  • sich wieder auf das konzentrieren zu können, was einem in der Apotheke Freude bereitet (hat);
  • zu wissen, dass es weitergeht und vor allem, wie es weitergeht;
  • und am Ende das tolle Gefühl, es geschafft zu haben.

Es gibt keine Faustregel, was eine Sanierung kostet. Jeder Fall liegt nach Art und Umfang anders. Die Praxis zeigt aber, dass die Kosten einer Sanierung schon nach wenigen Monaten durch Kostenein­sparungen und Nutzung von bisher ungenutztem Potenzial wieder eingespielt sein können.

Der Apothekeninhaber sollte aber von Anfang an darauf bestehen, dass der Berater offen legt, zu welchen Konditionen er arbeitet, welche Leistungen er ­erbringt und wie hoch er den ­Aufwand (zeitlich wie finanziell) nach erfolgter Bestandsaufnahme einschätzt.

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass Sanierungsverfahren auch für in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene Apotheken Möglichkeiten bieten, wieder festen Grund unter die Füße zu bekommen. Das Sanierungsverfahren kann je nach Falllage außergerichtlich oder gerichtlich durchgeführt werden. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind beim ­gerichtlichen Verfahren deutlich größer, falls die Gläubiger nicht bereit sind, in dem erforderlichen Umfang mitzuwirken, oder die Krise schon weit fortgeschritten ist. Auch das gerichtliche Sanierungsverfahren kann bei guter Vorbereitung in wenigen Monaten abgeschlossen werden. Ein Sanierungsverfahren ohne Einschaltung eines erfahrenen Experten wird kaum erfolgreich sein. |

Roland Reichert, Betriebswirt, ESUG-Berater (DIAI), Büro für Sanierungen, Hauptstraße 35, 74248 Ellhofen, info@reichert-iv.de

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