Wirtschaft

Mehr Packungen, weniger Kassenabschlag – Handelsspanne sinkt trotzdem

Rohertrags-Monitor 1. Quartal 2015

Die betriebswirtschaftliche Analyse der Entwicklung des Apothekenhonorars im ersten Quartal 2015 zeigt, dass trotz eines leichten Verordnungszuwachses und des zum Jahresbeginn gesunkenen Kassenabschlags die Talfahrt des Rohertrags weitergeht.

Wegen der überragenden Bedeutung von verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln (Rx-FAM) für öffentliche Apotheken sind die Honorierung des Apothekers und der Rohertrag einer Apotheke in hohem Maße abhängig von der Zahl der abgegebenen Packungen, von deren Apothekeneinkaufswert, vom gültigen Mehrwertsteuersatz sowie – bei zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM – vom Kassenabschlag (Rabatt nach § 130 SGB V), der Anfang 2015 von 1,80 Euro auf 1,77 Euro gesenkt wurde.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der 2004 eingeführten Preisbildungssystematik für Apotheken werden – beginnend mit dem Berichtsmonat August 2011 und auf der Grundlage der von Insight Health* zur Verfügung gestellten Daten – regelmäßig für die beiden vorangegangenen Jahre und die bisherigen Monate des aktuellen Jahres, im Rohertrags-Monitor fortgeschrieben. Grundsätzliche Bemerkungen zur Umstellung der AMPreisV auf Großhandelsebene (jeweils zum 01.01.2011 und 01.01.2012) und zur Korrektur des Kassenabschlags aus 2010 sind ­darüber hinaus im Rohertrags-­Monitor März 2012 niedergelegt.

Die im August 2013 eingeführte Nacht- und Notdienst-Gebühr ­findet bei der Ermittlung des Apothekenrohertrags aus Rx-FAM keine Berücksichtigung, da dieser „Notdienst-Groschen“ von 0,16 Euro pro abgegebenem Rx-FAM von der Apotheke zwar eingezogen, anschließend aber sofort wieder an den Nacht- und Notdienst-Fonds des DAV (NNF) abgeführt wird. Ebenfalls unberücksichtigt bleiben die Sonderkosten der Beschaffung, die noctu-Gebühr (von 2,50 Euro brutto) u. ä. Weil nicht bekannt, können auch die Umsatz- und Ertrags-mindernden Retaxationen der Krankenkassen bei der Umsatz- und Rohertragsermittlung an dieser Stelle nicht berücksichtigt werden.

Moderater Verordnungs­zuwachs

In den ersten drei Monaten des Berichtsjahres sind 154,3 Mio. Packungen an Rx-FAM zulasten der GKV verordnet worden, ein Anstieg von 1,6 Prozent (vgl. Abb. 1).

Abb. 1: Entwicklung der zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM-Packungen in den Monaten Januar 2013 bis März 2015 (Monatsdurchschnitt 2004 = 100).

Da bei näherer Betrachtung der Daten zu vermuten steht, dass die Apotheken – aufgrund innerbetrieblicher Personalprobleme im Zusammenhang mit der Grippewelle – einen Teil der Februar-Rezepte ihren Rechenzentren erst zu Anfang des Folgemonats überlassen haben, dieser (geringe) Teil also in die März-Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen eingeflossen ist, werden die Daten an dieser Stelle nochmals einem speziellen Vergleich unterzogen (vgl. Tab. 1a).

Monat 2014 2015 Entwicklung
In Mio. Packungen
Januar 52,8 52,4 99,3%
Februar 48,5 48,8 100,5%
März 50,5 53,1 105,2%
1. Quartal 151,8 154,3 101,6%

Quelle: Insight Health und eigene Berechnungen Hü©

Erhärtet wird obige Vermutung zum einen dadurch, dass der durchschnittliche Abrechnungspreis je Rx-FAM im Februar und März – aufgrund der Grippewelle – doch deutlich unter dem Januar-Wert geblieben ist. Gleichzeitig legte der Absatz im OTC-Segment aus o. g. Gründen gegenüber dem Vorjahr (vgl. Tab. 1b) deutlich zu. Die o. g. Vermutung wird also zusätzlich untermauert durch die insbesondere im Februar starke personelle Beanspruchung der Mitarbeiter im Selbstmedikationsmarkt.

Monat Absatzentwicklung 2015 zu 2014 bei
Rx-FAM OTC-AM
Januar 99,3% 106,5%
Februar 100,5% 121,1%
März 105,2% 105,4%
1. Quartal 101,6% 110,9%

Quelle: Insight Health und eigene Berechnungen Hü©

Der Mengenzuwachs bei den zulasten der GKV verordneten Rx-FAM von 1,6 Prozent in den ersten drei Monaten des Berichtsjahres beruht aber nicht allein auf den Auswirkungen der demografischen Entwicklung und den o. g. grippebedingten „Verdünnerverordnungen“, sondern auch auf einer Zunahme der Zahl an gesetzlich Versicherten, die um 0,7 Prozent (oder um durchschnittlich mehr als 480.000) angestiegen ist.

Aufgrund des Schiedsspruchs ist der Kassenrabatt gegenüber dem Vorjahr um 3 Cent je Packung auf 1,77 Euro gesenkt worden. Damit ist das packungsbezogene Honorar in den Monaten Januar bis März 2015 nicht um 1,6 Prozent, sondern um 2,0 Prozent gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres gestiegen. In absoluten Zahlen entspricht das einem mengenbedingten Rohertragszuwachs von etwas über 20,7 Mio. Euro.

Nicht unterschlagen werden soll an dieser Stelle, dass der Anteil der rabattbegünstigten Arzneimittel von 56,7 Prozent (im ersten Quartal 2014) auf immerhin 60,5 Prozent im ersten Quartal 2015 angestiegen ist. Unter Berücksichtigung der Mengenentwicklung insgesamt verzeichnen die rabattbegünstigten Arzneimittel also einen Zuwachs von 8,9 Prozent; und dieser Zuwachs geht mit einem entsprechend höheren Erklärungs- und Beratungsaufwand in den öffentlichen Apotheken einher.

Gerade angesichts der demografischen Entwicklung, einer weiterhin feststellbaren Zunahme der Zahl der GKV-Versicherten und der zunehmenden Möglichkeiten, Krankheiten vermehrt in der ambulanten Versorgung durch den Einsatz von (neuen) Medikamenten zu behandeln, dürften – mittel- bis langfristig betrachtet – die Verordnungszahlen eher weiter anwachsen. Zentrale Aufgabe der Apotheke wird damit sein, in Zukunft eine noch größere Verantwortung im Rahmen der Arzneimitteltherapiesicherheit zu übernehmen.

Apothekeneinkauf wächst weiter überdurchschnittlich

Während die Zahl der Verordnungen von Rx-FAM zulasten der GKV im ersten Quartal um 1,6 Prozent zugelegt hat, ist das zugehörige Einkaufsvolumen wesentlich stärker, und zwar um 3,8 Prozent, gewachsen (vgl. Abb. 2). Einen wesentlichen Beitrag zu diesem Anstieg leisten die hochpreisigen Arzneimittel, also jene Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) 1200 Euro oder mehr beträgt. Bei einem Anstieg der Verordnungszahlen dieser hochpreisigen Arzneimittel im ersten Quartal 2015 von 4,9 Prozent wuchs der Apothekeneinkaufswert gegenüber dem Vorjahr um stolze 18,2 Prozent.

Abb. 2: Entwicklung der Apotheken-Einkaufswerte der zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM in den Monaten Januar 2013 bis März 2015 (Monatsdurchschnitt 2004 = 100).

Am Zuwachs des Apothekeneinkaufswertes (von durchschnittlich 3,8 Prozent) haben die Apotheken unverändert mit 3 Prozent partizipiert; im Ergebnis bedeutet dies für die ersten drei Monate 2015 einen Rohertragszuwachs aus kaufmännischer Komponente von ebenfalls 3,8 Prozent (bzw. in absoluten Zahlen von knapp 6,2 Mio. Euro).

Ein Blick auf Abb. 2 zeigt, dass der durchschnittliche Einkaufswert (lt. AMPreisV) für die ersten drei Monate 2015 um 38,8 Prozent über dem entsprechenden Vergleichswert des Ausgangsjahres (Basisjahr 2004) liegt. Im selben Zeitraum ist die Zahl der zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM-Packungen um 17,2 Prozent gewachsen. Das heißt, der Apothekeneinkaufswert je Rx-FAM ist im betrachteten Zeitraum mehr als doppelt so schnell gewachsen wie die Zahl der zulasten der GKV abgegebenen Packungen.

Betriebshandelsspanne bleibt auf Talfahrt

Die zentrale Größe für die Höhe des Apothekenrohertrages aus Leistungen zugunsten von Versicherten der GKV ist die Zahl der abgegebenen Rx-FAM. Diese ist im Berichtszeitraum wie geschildert um 1,6 Prozent gestiegen. Verbunden mit dem gegenüber dem Vorjahreszeitraum abgesenkten Kassenrabatt (von aktuell 1,77 Euro je Packung, gegenüber 1,80 Euro im Jahr 2014) ist der Rohertrag aus Packungen sogar um 2,0 Prozent angewachsen. Der deutlich höhere Zuwachs beim Apothekeneinkaufswert (von 3,8 Prozent) hat dazu geführt, dass der Gesamtrohertrag der Apotheken aus Rx-FAM im Berichtszeitraum um 2,2 Prozent gestiegen ist. Unter Berücksichtigung des Mengenzuwachses (+ 1,6%) und des Zuwachses bei den rabattbegünstigten Arzneimitteln (+ 8,9%) eher eine betriebswirtschaftliche Entwicklung mit negativen Vorzeichen.

Bedenkt man, dass im ersten Quartal 2015 der Apothekeneinkaufswert um 3,8 Prozent zugelegt hat, Brutto- wie Netto-Umsatz ebenso wie die Mehrwertsteuer um gut 3,5 Prozent gestiegen sind, so sind es wieder die Apotheken, die an dieser Entwicklung nur bedingt partizipieren konnten.

Aufgrund des konstatierten Umsatzzuwachses ist der Rohertrag in Prozenten des Umsatzes (= Betriebshandelsspanne) im Januar (mit 14,67 Prozent) und März (mit 15,22 Prozent) deutlich unter den entsprechenden Vergleichswerten aus 2014 geblieben (vgl. Abb. 3).

Abb. 3: Betriebshandelsspanne aus zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM in Prozenten des Bruttoumsatzes in den Monaten Januar 2010 bis März 2015 (Vergleich: Jahresdurchschnitt 2004).

Einzig im Februar lag der Wert – grippebedingt; siehe oben – leicht über dem Wert des Vorjahresmonats. Letztlich liegt die Handelsspanne nach drei Monaten schon wieder 0,2 Prozentpunkte unter dem Niveau von 2014, dem ertragsmäßig schlechtesten Jahr seit Inkrafttreten des GMG.

Die Not- und Nachtdienstgebühr bleibt im Rahmen dieser Analyse unberücksichtigt, stellt sie doch nur einen (zudem unzureichenden) Ausgleich für einen Dienst an der Allgemeinheit dar, der seit August 2013 nicht mehr quasi komplett umsonst verrichtet werden muss, sondern nur weniger defizitär ausfällt. Berücksichtigt man diese Gebühr (von durchschnittlich maximal 6000 Euro je Apotheke p. a.), so bleibt weiterhin zu konstatieren, dass die „Anpassung des Festzuschlags zum 1. Januar 2013 auf 8,35 Euro“ auch nicht annäherungsweise die Voraussetzungen schafft, das Rohertragsniveau der Apotheken aus dem Ausgangsjahr des Kombimodells, dem Jahre 2004, zu erreichen.

Mehrwertsteuer bleibt ­Kostentreiber

Der durchschnittliche Preis der im Jahresdurchschnitt 2004, im März d. J. und in den ersten drei Monaten 2015 zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM-Packungen sowie die wertmäßigen Anteile der Wertschöpfungsstufen und deren Entwicklung seit 2004 sind Tabelle 2 zu entnehmen.

Tab. 2: Durchschnittlicher Preis der im Jahresdurchschnitt 2004, im März d.J. und in den ersten drei Monaten 2015 zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM-Packungen sowie die wertmäßigen Anteile der Wertschöpfungsstufen und deren Entwicklung seit 2004.
Durchschnittliches GKV-Rx-FAM • 2004(1) März 2015(2) Jan. – März 2015 (3) (3) – (1)(4) (4) in % (1)(5)
Verkaufspreis laut AMPreisV ** 42,19 € 53,93 € 54,51 € 12,32 € 29,2%
./. Kassenabschlag   2,00 €  1,77 €  1,77 € – 0,23 € – 11,5%
= GKV-Abrechnungspreis (brutto) 40,19 € 52,16 € 52,74 € 12,55 € 31,2%
./. Mehrwertsteuer  5,54 €  8,33 €  8,42 €  2,88 € 51,9%
= GKV-Abrechnungspreis (netto) 34,65 € 43,83 € 44,32 €  9,67 € 27,9%
  Apo.-Rohertrag aus Festzuschlag  6,38 €  6,86 €  6,86 €  0,48 €  7,5%
  Apo.-Rohertrag, kfm. Komponente  0,82 €  1,08 €  1,09 €  0,27 € 32,4%
./. Apo.-Rohertrag insges. (gem. AMPreisV)  7,20 €  7,94 €  7,95 €  0,75 € 10,5%
= Apothekeneinkaufswert 27,45 € 35,89 € 36,37 €  8,92 € 32,5%
./. Großhandelsmarge *  1,58 €  1,58 € * *
= ApU (Abgabepreis des pharm. Untern.) * 34,31 € 34,79 € * *
 * = ApU (bzw. HAP) liegt für 2004 nicht vor
** = ab August 2013: „Notdienstpauschale“ von 0,16 Euro (sowohl bei Umsatz als auch bei Ertrag) unberücksichtigt, da kein direkt zuordenbarer Ertragsbestandteil
Quelle: Insight Health und eigene Berechnungen; Hü. ©

Bei einem Zuwachs des Apothekeneinkaufswertes je abgegebener Rx-FAM-Packung von aktuell 32,5 Prozent (bzw. um 8,92 Euro) stieg der GKV-Abrechnungspreis (ohne MwSt.) um 27,9 Prozent (bzw. um 9,67 Euro). Dabei ist die Apothekenmarge innerhalb von 10 Jahren um 10,5 Prozent (bzw. um 75 Cent) gegenüber 2004 angewachsen. Kostentreiber Nummer eins ist nach wie vor die Umsatzsteuer, die im Vergleichszeitraum um 51,9 Prozent (bzw. um 2,88 Euro) – und damit annähernd viermal so schnell wie der Apothekenrohertrag – gestiegen ist. |

Dipl.-Math. Uwe Hüsgen, langjähriger Geschäftsführer des Apothekerverbandes Nordrhein e. V., Essen, E-Mail: uwe.huesgen@web.de

*Insight Health ist ein führender Informationsdienstleister im Gesundheitsmarkt mit einem breiten Portfolio datenbasierter Services zur Markt- und Versorgungsforschung. ­Insight Health bietet individuelle Lösungen für die pharmazeutische Industrie, Krankenversicherungen, Ärztevereinigungen, Behörden, Politik und weitere Entscheider im Gesundheitsmarkt.

Informationen unter www.insight-health.de

Rohertrags-Monitor

Beginnend mit August 2011 werden die Zahlen auf der Basis der von Insight Health* zur Verfügung gestellten Daten ­regelmäßig fortgeschrieben. Sie finden den Rohertrags-­Monitor der Jahre 2013 und 2014 in folgenden AZ-Ausgaben:

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