Gesundheitspolitik

„SecurPharm funktioniert“

Verantwortliche sehen sich gut im Zeitplan – Testbetrieb in Apotheken läuft

FRANKFURT/M. (wes) | Sehr zufrieden mit den Fortschritten bei ihrem Arzneimittel-Fälschungssicherheitsprojekt zeigten sich die securPharm-Vertreter bei einer Infotagung am 22. Juli in Frankfurt. Trotz der Verzögerungen bei der Annahme des delegierten Rechtsakts, der die Anforderungen an das Anti-Fälschungssystem präzisiert, sei man auf dem richtigen Weg. Der Einführung des Systems in den Apotheken sehen die Verantwortlichen gelassen entgegen – bisher machten sich aber zu wenige Hersteller Gedanken, wie sie die voraussichtlich ab 2019 vorgeschriebenen Sicherheitsmerkmale implementieren wollen.

„SecurPharm funktioniert unter realen Marktbedingungen“, fasste der Geschäftsführer des securPharm e. V., Martin Bergen, den aktuellen Status quo des Projekts zusammen. Seit 2013 befindet sich das Projekt im Pilotbetrieb, heute machen nach Angaben von securPharm 25 pharmazeutische Unternehmen, der Pharma-Großhändler Phoenix mit 21 Niederlassungen sowie rund 400 Apotheken mit. Die fünf größten Anbieter von Apothekensoftware sind ebenfalls an Bord und haben ihre Kassensysteme entsprechend angepasst. Aktuell sind 180 verschiedene Präparate (180 PZN) mit einem Data Matrix Code (2D- oder QR-Code) versehen und ganz normal im deutschen Apothekenmarkt – insgesamt tragen 16 Millionen Packungen den Code, diese wurden bisher rund 120.000 mal in einer teilnehmenden Apotheke oder Großhandlung verifiziert.

Plädoyer an die Hersteller

Sorgen macht den securPharm-Verantwortlichen aber die zögerliche Auseinandersetzung der Industrie mit dem Projekt. Auch wenn die Einführung noch in weiter Zukunft scheine, sollten sich die pharmazeutischen Unternehmer doch schon heute mit den Anforderungen beschäftigen. Geschäftsführer Bergen: „Drei Jahre sind für ein solches Projekt eine verdammt kurze Zeit.“ Die Einführung der Packungs-Serialisierung sei ein großes Projekt, es habe Einfluss auf praktisch alle Unternehmensteile der Hersteller. Pharmazeutische Unternehmer seien gut beraten, die Umsetzung jetzt schon anzugehen, auch wenn noch nicht alle Details aus dem delegierten Rechtsakt bekannt sind.

Zeitplan verschiebt sich

Denn anders als das deutsche System hinkt der europäische Gesetzgebungsprozess dem Zeitplan hinterher: Die Verabschiedung der Verordnung, die als delegierter Rechtsakt die technischen Details der Fälschungsschutzrichtlinie festlegt, war ursprünglich für den Juni 2015 erwartet worden. Doch wie der bei der EU-Kommission zuständige Abteilungsleiter Stefano Soro mitteilte, sei mit der Annahme des Dokuments nicht vor Anfang 2016 zu rechnen.

Nach einer Übergangsfrist von drei Jahren, also voraussichtlich im ersten Quartal 2019, muss die Verordnung umgesetzt sein. Ab diesem Zeitpunkt, das bestätigte Dr. Oliver Onusseit vom Bundesgesundheitsministerium (BMG), dürfen keine verschreibungspflichtigen Arzneimittel ohne die vorgeschriebenen Sicherheitsmerkmale mehr in den Verkehr gebracht werden. Arzneimittel ohne diese Merkmale, die zu diesem Zeitpunkt bereits vom pharmazeutischen Unternehmer in den Handel gebracht wurden, sind davon nicht betroffen, wie Onusseit klarstellte. Bei den Sicherheitsmerkmalen handelt es sich um eine individuelle Seriennummer – die bei securPharm im Data Matrix Code enthalten ist – sowie um ein Siegel, das als „Anti-Tempering Device“ die Unversehrtheit der Packung dokumentiert.

In Apothekenbetrieb integriert

Dr. Peter Hubmann, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbands, berichtete ausführlich von den Erfahrungen in seiner Apotheke, die am Pilotprojekt teilnimmt. Bei der Abgabe einer securPharm-Testpackung muss in der Apotheke zusätzlich zum „normalen“ Barcode auch der Data Matrix Code gescannt werden (dieser „Doppel-Scan“ fällt mit der flächendeckenden Einführung des Systems weg), die individuelle Seriennummer der Packung wird dann – ohne dass der Name der Apotheke mitübertragen wird – in der Datenbank überprüft. Ist diese Nummer freigegeben, wird sie aus dem System ausgebucht, so dass keine zweite – gefälschte – Packung mit derselben Nummer mehr abgegeben werden kann. Diese Überprüfung dauert laut securPharm im Schnitt 103 Millisekunden – also „ohne spürbaren Zeitaufwand“, so Hubmann. „Davon, dass das System in der Apotheke aufwändig wäre, kann keine Rede sein.“

Auch wenn sich das System laut Hubmann „klar bewährt“ hat, sieht er doch noch einige Fragestellungen, die der Klärung harren. So müssten insbesondere die Erfassung der ebenfalls im Data Matrix Code enthaltenen Chargenbezeichnungen und Verfallsdaten beim Wareneingang noch implementiert werden. Auch die Rücknahme bereits ausgebuchter Arzneimittel durch die abgebende Apotheke – beispielsweise weil der Bote den Kunden nicht angetroffen hat – sei momentan noch nicht praxistauglich geregelt.

Auch securPharm-Geschäftsführer Bergen und -Vorstandsmitglied Peter Krug gaben zu, dass noch nicht alle Detailfragen geklärt seien. Das betreffe vor allem die Arzneimittelabgabe außerhalb der öffentlichen Apotheke, beispielsweise in Krankenhäusern. Beide betonten aber, dass das System im mengenmäßig mit Abstand wichtigsten Bereich, der öffentlichen Apotheke, schon heute praktisch reibungslos funktioniere.

Hehlerware nicht erfasst

Ein weiteres Problem sprach BMG-Mitarbeiter Onusseit an: den Arzneimitteldiebstahl. Denn auch ein System wie securPharm „kann bei ausreichend großer krimineller Energie ein Einschleusen gestohlener Arzneimittel in die legale Handelskette nicht verhindern.“ Die 2011 verabschiedete Fälschungsschutzrichtlinie richte sich gegen Arzneimittelfälschungen, weil man sich damals gar nicht habe vorstellen können, welche Ausmaße das Problem der gestohlenen Arzneimittel heute angenommen hat. Er rief dazu auf, darüber nachzudenken, wie der „in Mode gekommene Weg“ des Wiedereinschleusens von Hehlerware in die Lieferkette unterbunden werden kann. |

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