Arzneimittel und Therapie

LNG oder UPA – das ist hier die Frage

Entscheidungshilfen für die Abgabe

Von Julia Borsch | Demnächst werden sowohl Ulipristal- (ellaOne®) als auch Levonorgestrel-haltige (Pidana®, Unofem®, Postinor®) Notfallkontrazeptiva rezeptfrei in der Apotheke erhältlich sein. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass man als Apotheker in die Situation gerät, eine Empfehlung für das eine oder das andere Präparat aussprechen zu müssen. Im Folgenden sind einige Punkte zusammengestellt, die in eine Entscheidung einfließen sollten.
Foto: photowahn – Fotolia.com; Fotomontage: DAZ/ekr

Zwei Varianten zur hormonellen Notfallkontrazeption stehen derzeit in Deutschland zur Verfügung: das synthetische Gestagen Levonorgestrel (LNG) und der selektive Progesteron-Rezeptormodulator Ulipristalacetat (UPA). Die hormonfreie Methode, die Kupferspirale, spielt in Deutschland nur eine untergeordnete Rolle. Sie wird lediglich in Einzelfällen angewandt, z. B. wenn hormonelle Methoden ungeeignet sind [1]. Hierzulande überhaupt nicht mehr zur postkoitalen Verhütung empfohlen wird die sogenannte Yuzpe-Methode [1]: eine Estrogen-Gestagen-Kombination bestehend aus je zweimal 50 μg Ethinylestradiol und 0,25 mg Levonorgestrel, die in zwei Dosen im Abstand von zwölf Stunden nach ungeschütztem Verkehr eingenommen werden. Diese Methode gilt als weniger wirksam als ein reines Gestagen-Regime und verursacht aber deutlich schwerere Nebenwirkungen [2]. Das entsprechende Präparat Tetragynon® ist seit 2003 in Deutschland nicht mehr verfügbar. Das Regime kann theoretisch aber auch mit vielen Estrogen-Gestagen-Kombinationspräparaten, wie sie zur „Routineverhütung“ eingesetzt werden, durchgeführt werden. Eine Übersicht über Präparate, die in den USA erhältlich sind und mit denen die Methode durchgeführt werden kann, finden Sie hier: http://ec.princeton.edu/questions/dose.html. Aufgrund ihrer geringeren Relevanz für die Apotheke werden die Kupfer­spirale und die Yuzpe-Methode in diesem Beitrag nicht im Detail berücksichtigt.

Wirkmechanismus

Ulipristalacetat ist ein selektiver Progesteron-Rezeptormodulator mit einer Halbwertszeit von 32 Stunden. Rezeptor-Modulatoren haben agonistische oder antagonistische Aktivität. Die für die Progesteron-Wirkung notwendigen Co-Faktoren des Progesteron-Rezeptors sind unterschiedlich gewebespezifisch verteilt. Daher ist auch die Wirkung der Rezeptormodulatoren – also ob die agonistische oder die antagonistische Wirkung zum Tragen kommt – gewebeabhängig [3]. Auf die Progesteron-Rezeptoren der Hypothalamus-Hypophysen-Gonadenachse wirkt Ulipristalacetat als Agonist. Über negative Rückkopplung wird die Freisetzung des luteinisierenden Hormons (LH) reduziert (siehe Abb 1). Dies führt zu einer verzögerten Ovulation. Im Gegensatz zu Levonorgestrel (siehe Abb. 1) wirkt Ulipristal auch noch, wenn der LH-Anstieg bereits begonnen hat. Als selektiver Progesteron-Rezeptormodulator ist die Substanz in der Lage, den LH-Spiegel wieder unter die kritische Grenze zu senken. Erreicht der Follikel eine Größe von etwa 20 mm ist ein Eisprung möglich. Bis zu einer Follikelgröße von 18 mm kann Ulipristal die Ruptur verhindern und somit die Ovulation verzögern [4]. Hat der Follikel eine Größe von 18 mm überschritten, kann Ulipristal bei Einnahme vor dem LH-Peak die Follikelruptur noch in etwa der Hälfte der Fälle (44 bis 59%) fünf bis sechs Tage nach der Einnahme verschieben. Selbst bei Gabe zum Zeitpunkt des LH-Peaks ließ sich die Ovulation noch 24 bis 48 Stunden verschieben [5]. Am effektivsten ist Ulipristal, wenn es vor dem LH-Peak eingenommen wird (siehe Abb. 1).

Levonorgestrel. Das synthetische Gestagen Levonorgestrel wirkt agonistisch auf den Progesteron-Rezeptor. Auch hier wird über negative Rückkopplung die LH-Produktion reduziert und so der Eisprung verschoben. Die Einnahme muss allerdings vor Beginn des LH-Anstiegs erfolgen (siehe Abb. 1), danach ist Levonorgestrel wirkungslos. Die Halbwertszeit von Levonorgestrel beträgt 43 Stunden [6].

Die Wirkung der beiden Substanzen beruht also auf einer Hemmung der Follikelreifung und somit einer Verzögerung der Ovulation. Diese verschiebt sich bei rechtzeitiger Einnahme, also bei Levonorgestrel vor dem LH-Anstieg und bei Ulipristal vor dem LH-Peak, um etwa fünf Tage. Das genügt, um das fertile Fenster (siehe auch „Zeitpunkt im Zyklus.“; S. 41) zu schließen, da die Überlebensdauer von Spermien im weiblichen Genitaltrakt drei bis fünf Tage beträgt [6].

In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass weder Ulipristal noch Levonorgestrel die Einnistung einer bereits befruchteten Eizelle verhindern können [7]. Effekte auf das Endometrium werden insbesondere für Ulipristal immer wieder diskutiert. Diese scheinen aber dosisabhängig zu sein und sich bei einer Einmalgabe von 30 mg, wie es zur Notfallkontrazeption indiziert ist, auf Placeboniveau zu be­wegen [1, 8]. Levonorgestrel hat nach derzeitigem Wissensstand keinen Einfluss auf das Endometrium.

Abb. 1: Die optimalen Einnahmezeitpunkte für LNG und UPA in Abhängigkeit vom Zeitpunkt im Zyklus [nach 6].

Wirksamkeit

Placebo-kontrollierte Studien zur Wirksamkeit von Notfallkontrazeptiva existieren nicht. Die Daten zur Wirksamkeit basieren daher auf dem Verhältnis der Zahl der Schwangerschaften, die trotz Einnahme der „Pille danach“ aufgetreten sind, und der Zahl, die ohne Intervention in derselben Kohorte zu erwarten gewesen wäre [9].

Levonorgestrel. Generell gilt die Wirksamkeit von Levonorgestrel für die ersten 72 Stunden nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr als erwiesen. Kombinierte Daten aus vier kontrollierten randomisierten Studien der WHO deuten darauf hin, dass Levonorgestrel sogar an Tag vier, also bis 96 Stunden später noch Schwangerschaften verhindern kann. An Tag fünf hingegen entsprach die Rate der ungewollten Schwangerschaften allerdings quasi der, die ohne Notfallkontrazeption zu erwarten wäre [10]. Laut Zulassung darf Levonorgestrel bis zu 72 h nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr angewendet werden. Nach der allgemeinen Auffassung nimmt die Wirkung mit zunehmendem Abstand zum Geschlechtsverkehr ab [1].

Ulipristalacetat.

Die Wirksamkeit von Ulipristal gilt für 120 Stunden nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr als belegt. In Studien war die Substanz zu keinem Zeitpunkt Levonorgestrel unterlegen. In klinischen Untersuchungen versagte Ulipristal in 0,9 bis 2,1% der Fälle Levonorgestrel in 0,6 bis 3,1% [2]. Deutlich wird der Unterschied aber erst im direkten Vergleich. Eine Metaanalyse verglich die Wirksamkeit der beiden Substanzen. Bei Einnahme in den ersten 72 Stunden nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr war die Wahrscheinlichkeit einer ungewollten Schwangerschaft mit Ulipristal 42% geringer war als mit Levonorgestrel. Bei Einnahme innerhalb der ersten 24 Stunden war Ulipristal sogar 65% effektiver [2]. Ulipristal scheint also die wirksamere Substanz zu sein. Dies ist vermutlich auf das größere Wirkfenster (siehe Abb. 1) zurückzuführen. Fachgesellschaften, darunter auch deutschen Gynäkologenverbände, sehen Ulipristal als die wirksamere Substanz an. In einer gemeinsamen Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin und des Berufsverbands der Frauenärzte wird Ulipristal als die „neue Standardmethode“ und „erste Wahl“ bezeichnet [6].

Das Wichtigste in Kürze

  • Viele Experten sehen Ulipristal als die wirksamer Substanz an. Dennoch gibt es einige Umstände wo eher zu Levonorgestrel geraten wird z. B. in der Stillzeit, wenn das Stillen nicht unterbrochen werden soll, bei schwerem Asthma und mehrfacher Einnahme innerhalb eines Zyklus.
  • Beide Präparate sind unabhängig vom Gewicht für alle Frauen geeignet. Nichtsdestotrotz wird von einigen Experten empfohlen, ab einem BMI von 25 kg/m2 ­Ulipristal anzuwenden, alternativ die Kupferspirale.
  • Da der Zeitpunkt des Eisprungs und somit die fruchtbaren Tage in der Regel nicht eindeutig zu bestimmen sind, sollte bei Bedarf unabhängig vom Zyklus zur Einnahme der „Pille danach“ geraten werden und zwar so schnell wie möglich nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr.
  • Die klinische Relevanz der Wechselwirkungen ist nicht bekannt. Die Empfehlungen sind Vorsichtsmaßnahmen.
  • Hinweise zu den Grenzen der Selbstmedikation, sowie zur Abgabe an Minderjährige finden sich in der Handlungsempfehlung der Bundesapothekerkammer unter www.abda.de.

Wechselwirkungen

Enzyminduktoren. Laut einem aktuellen Review existieren keine spezifischen Daten zu Interaktionen zwischen Notfallkontrazeptiva und anderen Wirkstoffen [2]. Man nimmt jedoch an, dass sie denen der „normalen“ oralen Kontrazeptiva ähneln. Enzyminduktoren wie Rifampicin, bestimmte Antiepileptika oder Johanniskraut könnten daher die Wirkung der hormonellen Notfallkontrazeptiva beeinflussen. Für Frauen, die derartige Präparate einnehmen, gilt die Kupferspirale als Mittel der ersten Wahl. Steht diese nicht zur Verfügung oder wird eine hormonelle Methode gewünscht, sollte zu Levonorgestrel geraten werden. Ein britischer Leitfaden basierend auf Expertenmeinungen empfiehlt dann aber eine Verdoppelung der Dosis [10] sowie bei Bedarf die Anwendung bis zu 120 Stunden nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr. Die Wirksamkeit nach mehr als 96 Stunden gilt allerdings als fraglich. Von Ulipristal wird im diesen Fällen abgeraten. Zwischen der Einnahme von CYP-­Enzyminduktoren und Ulipristalacetat sollte ein Abstand von 28 Tagen liegen [10].

Gestagen-haltige Kontrazeptiva. Es besteht der Verdacht, dass Ulipristalacetat als Progesteron-Rezeptormodulator die Wirkung Gestagen-haltiger Kontrazeptiva beeinflusst. Valide Daten zu dieser Interaktion und iher Relevanz gibt es derzeit noch nicht [2]. Daher lautet derzeit die Empfehlung, dass Frauen, die mit reinen Gestagen-Präparaten routinemäßig verhüten, vorsichtshalber 14 Tage nach Einnahme von Ulipristal zusätzlich mit einer Barrieremethode verhüten sollen. Die gleichzeitige Einnahme von Levonorgestrel und Ulipristalacetat wird nicht empfohlen [11, 12].

Wirkstoffe mit Einfluss auf den Magen-pH. Zudem könnte die Einnahme von Medikamenten, die den pH-Wert des Magens erhöhen, die Wirkung von Ulipristal beeinflussen. Zumindest führte die gemeinsame Gabe von 10 mg Ulipristal und 20 mg Esomeprazol zu veränderten Blutspiegeln Inwiefern diese Interaktion bei einer Einmalgabe von 30 mg klinisch relevant ist, ist unklar [11].Dennoch rät eine britische Leitlinie Patienten, die Protonenpumpenblocker, H2-Blocker oder Antazida nehmen, von der Einnahme von Ulipristalacetat ab. Diese Empfehlung basiert allerdings nicht auf Studien, sondern auf der Meinung anerkannter Experten (Evidenzgrad C) [10].

Nebenwirkungen und Kontraindikationen

Nebenwirkungen. Die heute standardmäßig eingesetzten Notfallkontrazeptiva gelten im Gegensatz zum Yuzpe-Regime als gut verträglich. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Übelkeit, Bauch- und Unterleibsschmerzen. Kommt es zu Erbrechen innerhalb von drei Stunden nach Einnahme, muss diese wiederholt werden. Des Weiteren kann es zu Störungen im Zyklus kommen, zum Beispiel einer stärkeren oder verspäteten Menstruation. So berichten beispielsweise 5 bis 13% der Frauen, die Levonorgestrel-haltige Notfallkontrazeptiva eingenommen hatten, von einer Verschiebung ihrer Periode um mehr als sieben Tage. Letzteres ist deswegen problematisch, weil es den Verdacht weckt, die „Pille danach“ könnte versagt haben [9].

Kontraindikationen. Nach Einschätzung der US-amerikanischen Seuchenschutzbehörde im Rahmen ihrer „Eligibility Criteria for Contraceptive Use“ gibt es keinen Umstand und keine Krankheit, bei dem die Risiken einer Anwendung von Levonorgestrel zur Notfallkontrazeption größer sind als der Nutzen. Ulipristal ist in diesen Kriterien noch nicht enthalten, man geht aber davon aus, dass die Substanz als genauso sicher bewertet werden wird [2]. Die bekannten Kontraindikationen oraler Kontrazeptiva gelten für die „Pille danach“ nicht. Außer Unverträglichkeiten gegen einen der Bestandteile bestehen keine absoluten Kontraindikationen [11, 12].

Thromboembolierisiko. Es existieren Einzelfallberichte über Thromboembolien nach Einnahme von Levonorgestrel [12]. Eine generell erhöhte Inzidenz für derartige Ereignisse konnte aber bislang nicht festgestellt werden. Daten für Ulipristalacetat aus Zulassungsstudien ergaben ebenfalls keinen Zusammenhang zwischen der Einnahme und venösen Thromboembolien. Bei Risikopatientinnen mit einer diesbezüglich positiven Familien- oder Eigenanamnese oder bei bekannter Thrombophilie, sollte die seltene Möglichkeit eines thromboembolischen Ereignisses unter Levonorgestrel berücksichtigt werden.

Sonstige relative Kontraindikationen. Laut Fachinformation wird die Anwendung von Levonorgestrel und Ulipristal bei schwerer Leberfunktionsstörung nicht empfohlen. Zudem sollten Frauen mit schwerem Asthma, die Glucocorticoide einnehmen, nicht mit Ulipristal behandelt werden. In der Literatur finden sich weitere Empfehlungen, wie die, dass bei (nicht genauer spezifizierten) Lebererkrankungen sowie bei kardiovaskulären Erkrankungen Levonorgestrel bevorzugt werden soll [2].

Schwangerschaft und Stillzeit

Schwangerschaft. Weder Levonorgestrel noch Ulipristalacetat haben Auswirkungen auf eine bereits bestehende Schwangerschaft [11, 12]. Sie scheinen laut aktueller Datenlage weder das Risiko für einen Abort noch das für Fehlbildungen zu erhöhen. Für Levonorgestrel ist das schon länger bekannt. Für die neuere Substanz Ulipristalacetat liegen mittlerweile Daten aus mehr als 3 Millionen Anwendungen und ca. 570 gemeldete und ausgewertete Schwangerschaften aus dem Schwangerschaftsregister des Herstellers HRA-Pharma vor, die die Sicherheit diesbezüglich belege. Dies hat nach der neuesten Bewertung der Datenlage durch die europäischen Behörden auch zur Streichung von „Schwangerschaft“ als absolute Kontraindikation geführt. Besteht allerdings bereits eine Schwangerschaft oder der Verdacht schwanger zu sein, sollten trotzdem weder Levonorgestrel noch Ulipristalacetat eingenommen werden [11, 12].

Stillzeit.

Levonorgestrel tritt in die Muttermilch über. Daher wird empfohlen, unmittelbar vor der Einnahme des Arzneimittels zu stillen. Zwischen der Anwendung von Levonorgestrel und dem nächsten Stillen sollten mindestens acht Stunden liegen [12]. Ulipristalacetat wird über die Muttermilch abgegeben. Da die Auswirkungen auf das gestillte Kind nicht untersucht wurden, kann ein Risiko nicht ausgeschlossen werden. Wird Ulipristalacetat eingenommen, soll eine Woche mit dem Stillen pausiert werden. Um die Milchbildung anzuregen, wird geraten, während dieser Zeit Muttermilch abzupumpen und zu entsorgen [11]. Diese Empfehlung ist allerdings je nach Land unterschiedlich. So rät die britische Fachinformation zu einer Stillpause von 36 Stunden [10], die US-amerikanische spricht sich ganz gegen eine Anwendung von Ulipristalacetat in der Stillzeit aus [2].

Tab. 1: Ulipristal versus Levonorgestrel
Ulipristalacetat Levonogestrel
Klasse selektiver Progesteron-Rezeptormodulator. synthetisches Gestagen
Wirkweise Verzögerung der Ovulation Verzögerung der Ovulation
bestehende Schwangerschaft kein Einfluss bei bestimmungsgemäßem Gebrauch (lt. akt. Datenlage)
Einahmefenster bis zu 120 h nach ungeschützem Geschlechtsverkehr bis zu 72 h nach ungeschützem Geschlechtsverkehr
Körpergewicht keine Einschränkung, evtl. bei höherem BMI wirksamer keine Einschränkung
Anwendungsbeschränkungen schwere Leberfunktionsstörungschweres Asthma, bestimmte MedikamenteStillzeit, Mehrfachanwendung/Zyklus schwere Leberfunktionsstörung
Thromboembolierisiko bisher nicht gezeigt möglich, Einzelfallberichte
auf dem Markt seit 2009 2000
Altersbeschränkung keine, für alle Frauen im gebärfähigen Alter geeignet
Handelsnamen ellaOne® Pidana®, Postinor®, Unofem®

Abb. 2: Strukturanalogien: Die strukturelle Ähnlichkeit zwischen dem Progesteron-Antagonisten Mifepriston und dem selektiven Progesteron-Rezeptormodulator ist nicht zu übersehen; unten der natürliche Ligand sowie das synthetische Gestagen Levonorgestrel.

Abortive Wirkung. Eine abortive Wirkung von Ulipristal­acetat wurde und wird immer wieder diskutiert. Die Strukturähnlichkeit zur „Abtreibungspille“ Mifegyne® (Mifepriston) ist unverkennbar (siehe Abb. 2). Bei letzterer ist die abortive Wirkung dosisabhängig. So wird Mifepriston in Dosierungen von 10 bis 25 mg beispielsweise in China zur Notfallkontrazeption eingesetzt. Zum medikamentösen Schwangerschaftsabbruch kommen weit höhere Dosierungen zum Einsatz: 200 bis 600 mg Mifepriston in Kombination mit einem Prostaglandin-Analogon wie Misoprostol werden hier verabreicht [1]. Im Tierversuch konnte gezeigt werden, dass Ulipristal bei Ratten, Kaninchen und Affen ebenfalls in höheren Dosierungen abortiv wirkt. Die wiederholte Gabe von Dosierungen über 1 mg/kg hatte eine embryoletale Wirkung. Die orale Gabe von 0,5 mg/kg hatte bei Affen keine Auswirkungen auf das Ungeborene, bei oraler Gabe von 5 mg/kg gingen zwei von fünf Embryonen ab. Wurde Ulipristal intramuskulär verabreicht, reichte eine Dosis von 0,5 mg/kg um vier von fünf Schwangerschaften zu beenden. Dennoch ausgetragene Junge zeigten nach ihrer Geburt keinerlei Abnormalitäten. Inwiefern diese Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind, ist unklar. Hier ist lediglich bekannt, dass die Einmalgabe von 30 mg Ulipristalacetat, wie es bei der Notfallkontrazeption vorgesehen ist, eine Schwangerschaft nicht beenden kann [11].

Was sonst noch wichtig ist

Zeitpunkt im Zyklus. Eine Befruchtung und somit eine Schwangerschaft ist nur in einem begrenzten Zeitraum möglich. Das sogenannte fertile Fenster, also der Zeitraum in dem ungeschützter Verkehr oder eine Verhütungspanne zu einer Schwangerschaft führen können, reicht von fünf Tagen vor bis einen Tag nach der Ovulation. Dies hängt mit der Lebensdauer der Spermien im weiblichen Genitaltrakt – sie beträgt fünf bis sechs Tage – und der Lebensdauer der befruchtungsfähigen Eizelle zusammen. Die Befruchtung muss innerhalb von maximal 24 Stunden nach der Ovulation stattfinden. Die größte Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, besteht bei Geschlechtsverkehr während der zwei Tage vor der Ovulation (siehe Abb. 1) [6]. Offensichtlich gibt es aber häufig Diskrepanzen zwischen den Angaben der Frauen und dem tatsächlichen Zeitpunkt im Zyklus. Daher ist es schwer, den Zeitpunkt der Ovulation und somit die Notwendigkeit für die „Pille danach“ zu bewerten. Außerdem sind Schwangerschaften auch außerhalb des „errechneten“ fertilen Fensters möglich. Um ungewollte Schwangerschaften nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr zu verhindern, sprechen sich Experten daher dafür aus, unabhängig vom Zyklus zur Einnahme eines Notfallkontrazeptivums zu raten [8].

Mehrfache Einnahme in einem Zyklus. Für Levonor-gestrel konnte in mindestens elf Studien gezeigt werden, dass selbst bei mehrmaliger Einnahme in einem Zyklus keine schweren Nebenwirkungen auftreten [2]. Levonorgestrel-haltige Präparate können also, wenn nötig, auch wiederholt innerhalb eines Zyklus angewendet werden [10].

Die wiederholte Anwendung von Ulipristalacetat zur Notfallkontrazeption wurde nicht speziell untersucht. Die Sicherheit einer täglichen Einnahme über einen längeren Zeitraum ist nur für niedrigere Dosierungen von 5 oder 10 mg Ulipristal bei der Myom-Behandlung belegt [2]. Da diesbezügliche Daten fehlen, wird die mehrfache Anwendung in einem Zyklus von 30 mg vom Hersteller sowie von Gynäkologen [1, 11] nicht empfohlen. Besteht nach Anwendung von Ulipristal im selben Zyklus ein weiteres Mal Bedarf für eine Notfallkontrazeption, kann aufgrund des unklaren Effekts von Ulipristal auf die Wirkung von Levonorgestrel (siehe auch Wechselwirkungen) zu einer Kupferspirale geraten werden. Stellenweise wird aber auch in diesen Fällen die Anwendung von Levonorgestrel empfohlen [2].

Höheres Körpergewicht. In Studien gab es vereinzelt Hinweise, dass die Wirksamkeit der Notfallkontrazeptiva bei höherem Körpergewicht eingeschränkt sein könnte. Wobei dieser Effekt scheinbar bei Ulipristalacetat erst bei höheren Gewichten auftrat als bei Levonorgestrel. Die Datenlage ist jedoch begrenzt, teilweise widersprüchlich und nicht aussagekräftig (siehe auch DAZ 2015, Nr. 8, S. 24 „Notfallverhütung bei Übergewicht: Wie zuverlässig wirken Levonorgestrel und Ulipristalacetat bei Übergewicht?“ ). Daher lautet die derzeit gültige Empfehlung der EMA und auch der Fachinformation, dass sowohl Levonorgestrel als auch Ulipristalacetat für alle Frauen unabhängig vom Körpergewicht geeignet ist [11, 12]. Dennoch empfehlen verschiedene Fachgesellschaften, darunter auch die deutschen, ab einem BMI von größer 25 kg/m2 primär Ulipristal einzusetzen. International wird bei höherem BMI alternativ auch zur Kupferspirale geraten [6]. |

Literatur

 [1] Rabe T, et al. Postkoitale Kontrazeption. Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin (DGGEF) e.V. und des Berufsverbands der Frauenärzte (BVF) e.V, Seminarbuch Gynäkologische Endokrinologie (04/202)

 [2] Cleland c, et al Emergency contraception review: evidence-based recommendations for clinicians; Clin Obstet Gynecol. 2014 Dec;57(4):741-50.

 [3] Smith CL, O ́Malley, BW. Coregular function: Akey to understanding tissue specifity of selective receptor modulators. Endocr Rev. 2004; 25(1):45-71

 [4] Brache V, et al.. Immediate pre-ovulatory administration of 30 mg ulipristal acetate significantly delays follicular rupture. Hum Reprod. 2010 Sep;25(9):2256-63. doi: 10.1093/humrep/deq157. Epub 2010 Jul 15

 [5] Richardson AR. Maltz FN. Ulipristal acetate: review of the efficacy and safety of a newly approved agent for emergency contraception. Clin Ther. 2012 Jan;34(1):24-36. doi:10.1016/j.clinthera.2011.11.012. Epub 2011 Dec 9.

 [6] Rabe T, Albring C. Notfallkontrazeption - ein Update: Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin (DGGEF) e.V. und des Berufsverbands der Frauenärzte (BVF) e.V. - Update vom 4.2.2013; Seminar in gynäkologischer Endokrinologie, ISBN 978-3-00-039077-7, Seite 368-394,

 [7] Emergency contraceptive pills: Medical and Service Delivery Guidelines; Hrsg. International Consortium for Emergency Contraception; International Federation of Gynecology and Obstetrics (FIGO)

 [8] Gemzell-Danielsson K, Berger C, P G L L. Emergency contraception - mechanisms of action. Contraception. 2012 Oct 29. pii: S0010- 7824(12)00750-0. doi: 10.1016/j.contraception.2012.08.021. [Epub ahead of print]

 [9] Glasier A. Emergency contraception: clinical outcomes. Contraception. 2013 Mar;87(3):309-13.

[10] Faculty of Sexual & reproductive Healthcare Clinical Guidance Emergency Contraception; Royal College of Obstetricians and Gynaecologists (RCOG);: August 2011, updated January 2012

[11] Fachinformation „Ella one“

[12] Fachinformation PiDana

Autorin

Julia Borsch, Apothekerin, Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Redakteurin bei der Deutschen Apotheker Zeitung.

Die „Pille danach“ in der DAZ

Rezeptfrei, was nun?: DAZ spezial zum OTC-Switch der „Pille danach“;

DAZ 2015, Nr. 3:

  • So wirken Notfallkontrazeptiva: Ulipristalacetat und Levonorgestrel im Vergleich; S. 19
  • Gut beraten zur „Pille danach“: Was bei der Abgabe zu beachten ist; S. 20
  • Fragen und Antworten zur „Pille danach“: Ab wann gilt die Rezeptfreiheit? Bestehen Haftungsrisiken? Gibt es eine Altersgrenze? S. 22
  • „Von Heilberuflern erwarte ich Fingerspitzengefühl“: Interview mit Klaus Czort, HRA Pharma; S. 24
  • Zweifel versus Vertrauen: Kompetenzgerangel um Beratung zur rezeptfreien „Pille danach“; S. 25

Notfallverhütung bei Übergewicht: Wie zuverlässig wirken Levonorgestrel und Ulipristalacetat bei Übergewicht? DAZ 2015; Nr. 8, S. 24

DAZ. Online-spezial zur „Pille danach“ auf www.deutsche-apotheker-zeitung.de

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