Arzneimittel und Therapie

Paracetamol-Risiko unterschätzt?

Mehr Nebenwirkungen als bislang angenommen

Das mit einer langfristigen Paracet­amol-Einnahme einhergehende Risiko scheint höher zu sein als bislang vermutet. Einer aktuellen Auswertung mehrerer Kohortenstudien zufolge ist eine chronische Paracet­amol-Einnahme mit einem erhöhten Risiko schwerer Nebenwirkungen, unter anderem mit einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko verbunden.

Obwohl Paracetamol das weltweit am häufigsten eingesetzte Schmerzmittel ist, liegen keine aktuellen Daten über sein tatsächliches Toxizitätsprofil vor. Eine englische Arbeitsgruppe quantifizierte daher das Risiko schwerer Nebenwirkungen, das mit einer chronischen Paracetamol-Einnahme einhergeht. Eine systematische Literaturrecherche in Medline und Embase führte zu 1888 Studien, von denen acht Beobachtungsstudien mit langem Follow-up ausgewählt wurden. Diese Studien befassten sich mit dem Mortalitätsrisiko sowie kardiovaskulären, gastrointestinalen oder renalen Nebenwirkungen unter einer Paracet­amol-Einnahme in Standarddosierungen. In den Studien war jeweils die Einnahme von Paracetamol in Standarddosierung (0,5 bis 1 g Paracetamol alle vier bis sechs Stunden bis maximal 4 g pro Tag) mit keiner Einnahme von Paracetamol verglichen worden. An den acht in den USA, England, Schweden und Dänemark durchgeführten Studien waren rund 665.000 Probanden beteiligt. Die statistische Auswertung dieser acht Kohortenstudien führte zu folgenden Aussagen:

Mortalität (zwei Studien): In einer englischen Studie mit über 380.000 Teilnehmern wurde eine dosisabhängige Erhöhung der Gesamtmortalität festgestellt. Die relative Mortalitäts­rate lag unter geringer Paracetamol-­Exposition bei 0,95 und stieg auf 1,63 bei sehr hoher Exposition.

Kardiovaskuläre Ereignisse (vier Studien): In allen vier Studien wurde eine dosisabhängige Beziehung zum Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse gezeigt. So lag etwa in einer amerikanischen Studie das relative Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis (Myokardinfarkt, Schlaganfall, koronare Herzerkrankung) bei der Einnahme von ein bis zwei Tabletten Paracetamol wöchentlich bei 1,19 und stieg bei einer Einnahme von mehr als 15 Tabletten wöchentlich auf 1,68 an.

Gastrointestinale Ereignisse (eine Studie): Die relative Rate gastrointestinaler Nebenwirkungen und Blutungen war ebenfalls dosisabhängig und stieg von 1,11 bei geringer Exposition auf 1,49 bei sehr hoher Exposition.

Renale Ereignisse (vier Studien): Drei Studien zeigten einen dosisabhängigen Anstieg renaler Ereignisse. Eine Studie zeigte eine erhöhte Chance (Odds ratio; OR) für die Abnahme der glomerulären Filtrationsrate unter steigender Paracetamol-­Exposition (die OR für eine mehr als 30%ige Abnahme der Nierenleistung stieg von 1,4 auf 2,19).

Konsequenzen

Obwohl bei der Auswertung der ­Beobachtungsstudien eine Verzerrung nicht ausgeschlossen werden kann – Patienten, die über einen längeren Zeitraum hinweg Schmerzmittel einnehmen, haben häufig mehrere Erkrankungen –, zeigte sich eine konsistente Dosis-Antwort-Beziehung zwischen der Einnahme von Paracetamol und dem Auftreten unerwünschter Wirkungen. Diese traten vor allem unter höheren Standard­dosierungen und im Hinblick auf kardiovaskuläre, gastro­intestinale, renale Ereignisse und die Gesamtmortalität auf. Die absolute Risikoerhöhung war eher gering. Die Dimension verändert sich aber, wenn man in Betracht zieht, wie häufig Paracetamol eingenommen wird. Die Autoren raten daher, Nutzen und Risiken einer Paracetamol-Therapie besser abzuwägen. Vor allem sei der Einsatz von Paracetamol bei umstrittenen Indikationen wie Schmerzen aufgrund einer Osteoarthritis oder Rückenbeschwerden zu überdenken. Im Hinblick auf die häufige Einnahme von Paracetamol fordern die Autoren eine systematische Überprüfung der Wirksamkeit und Verträglichkeit von Paracetamol. |

Quelle

Roberts E et al. Paracetamol: not as safe as we thought? A systematic literature review of observational studies. Ann Rheum Dis 2015;0:1-8, doi:10.1136/annrheumdis-2014-206914

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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