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Viele Barrieren für Innovationen

Bestandsaufnahme beim Eppendorfer Dialog

HAMBURG (tmb) | Innovationen in der Patientenversorgung werden allseits gefordert, aber wie gut sind die Rahmenbedingungen für neue Produkte und Verfahren tatsächlich? Darum ging es beim 17. Eppendorfer Dialog, zu der Versorgungsforscher Prof. Dr. Matthias Augustin am 25. Februar nach Hamburg-Eppendorf eingeladen hatte. Für neue Arzneimittel mit bekannten Wirkstoffen erwiesen sich diese Hürden mitunter als ­unüberwindbar.
Foto: DAZ/tmb

Diskutierten über die Rahmenbedingungen für neue Arzneimittel und Ver­fahren (v.l.): Gastgeber Prof. Dr. Matthias Augustin, Annette Widmann-Mauz, Dr. ­Michaela Gorath, Josef Hecken und Prof. Dr. Dr. Christian Dierks.

Dieses Problem beschrieb Dr. Michaela Gorath, Hohenlockstedt, am Beispiel eines Nitroglycerinsprays zum Abschwellen posttraumatischer Ödeme. Damit sollte das Zeitfenster für eine mögliche Operation nach einer Fraktur verlängert werden. Für einen so alten Wirkstoff sei kein Unterlagenschutz zu erhalten, der Weg für Generikaanbieter sei damit frei. Die zwingende Forderung nach Studien an Kindern sei in diesem Fall besonders problematisch, weil Eltern unter dem Schock eines Unfalls schnell entscheiden müssten und die Einwilligung beider Elternteile nötig sei. Außerdem drohe das Spray von der Erstattung ausgeschlossen zu werden, weil Externa gegen traumatisch bedingte Schwellungen gemäß Arzneimittelrichtlinie nicht erstattet werden. In anderen Fällen drohe durch Festbeträge ein ruinöser Preis. Der Hersteller Pohl-Boskamp habe daher die Entwicklung des Sprays gestoppt.

Viel Arbeit für Juristen

Der Medizinrechtler Prof. Dr. Dr. Christian Dierks, Berlin, argumentierte, die Arzneimittelrichtlinie könne sich nicht auf neue Konzepte beziehen, die bei der Erstellung der Richtlinie noch unbekannt waren, doch auch dies müsse durchgesetzt werden. Letztlich werde das immer kompliziertere System mit immer mehr Gesetzen zur Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Juristen.

Als Beispiel für ein Problem in der Arzneimittelversorgung verwies er auf Genexpressionstests, die für etliche Arzneimittel vorgeschrieben seien. Obwohl die Arzneimittel erstattungsfähig seien, könne ihr Einsatz an der fehlenden Abrechnungsziffer für den Test scheitern. Die jüngste Rechtsprechung biete den Patienten in solchen Fällen allerdings einen Kosten­erstattungsanspruch, womit wiederum der Druck auf das System steige, die kostengünstigere Sachleistung nun schneller zu regeln.

Inhalte für neue Gesetze

Annette Widmann-Mauz, parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, richtete ihren Blick mehr auf die grundlegenden Trends. Sie betonte den Wunsch nach therapeutischen Durchbrüchen, hob die Bedeutung des Pharmastandorts Deutschland hervor und forderte, die Digitalisierung stärker zu nutzen. Nach dem eHealth-Gesetz würden weitere Maßnahmen folgen. Außerdem solle im Frühjahr 2016 die frühe Nutzenbewertung überarbeitet werden. Als weitere Problemfelder erwähnte Widmann-Mauz Lieferengpässe und den Mangel an neuen Antibiotika, den Bundeskanzlerin Angela Merkel sogar beim G7-Gipfel ansprechen werde.

Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundes­ausschusses (G-BA), lobte erwartungsgemäß die frühe Nutzenbewertung, betonte aber, dass der G-BA ­inzwischen in fast 40 Prozent der Fälle von der IQWiG-Entscheidung und damit von der reinen Lehre der Evidenzbasierten Medizin abweiche. Handlungsbedarf sieht Hecken bei Arzneimitteln mit spezieller Zulassung für Kinder („PUMA“-Zulassung). Deren Zusatznutzen sollte automatisch als gegeben gelten. Außerdem beklagte er das Ungleichgewicht zwischen Innovationen zum Einsatz am Lebensende gegenüber langjährigen chronischen Volkskrankheiten. Dies liege im System begründet, denn bei sehr kurzer Restlebenszeit lasse sich vergleichsweise schnell eine zwar geringe, aber gesicherte Verlängerung der ­Lebensdauer und damit ein gesicherter Zusatznutzen zeigen. Arzneimittel zum jahrzehntelangen Einsatz und mit möglicherweise schwer kalkulierbaren unerwünschten Effekten seien dagegen viel schwieriger zu ­bewerten. |

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