INTERPHARM 2015 – ApothekenRechtTag

Erlaubte und verbotene Zuweisungen

Rezeptzuweisungen und Absprachen: Wie weit dürfen Arzt und Apotheker gehen?

ks | Apotheker und Ärzte sollen auf der einen Seite zum Wohl der Patienten zusammenarbeiten. Doch zu weit darf die Kooperation nicht gehen, zumal wenn es um Rezeptzuweisungen, Empfehlungen oder Absprachen geht. Die Rechtsprechung zeigt sich hier in einigen Fällen restriktiv, in anderen großzügig. Rechts­anwalt Dr. Heinz-Uwe Dettling von der Stuttgarter Kanzlei Oppenländer gab beim Apotheken­Recht­Tag in Hamburg einen Überblick, bei welchen Fallkonstellationen besondere Sensibilität geboten ist.

Dr. Heinz-Uwe Dettling

Es gibt eine Reihe von Vorschriften, die Grenzen der Zusammenarbeit ­zwischen Apothekern und Ärzten aufzeigen. Sie sollen insbesondere, aber beileibe nicht nur, die Wahlfreiheit des einzelnen Patienten schützen, betonte Dettling. Die grundsätzliche Trennung von Arzt und Apotheker soll auch für integre, objektive heilberufliche Entscheidungen sorgen und die Kontrollfunktion des Apothekers gegenüber dem Arzt deutlich machen. Und: Es geht um einen lauteren Wettbewerb und die Wirtschaftlichkeit des Gesundheitswesens.

Die einschlägigen ­Rechtsvorschriften

Im Zentrum steht dabei § 11 Apothekengesetz (ApoG). Dieser regelt in ­Absatz 1 Satz 1 grundsätzlich: „Erlaubnisinhaber und Personal von Apotheken dürfen mit Ärzten oder anderen Personen, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen, keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten, die Zuweisung von Verschreibungen […] zum Gegenstand haben“. Ein absolutes „No-Go“ ist es also, Entgelte oder sonstige wirtschaftliche Vorteile an Angehörige der Heilberufe zu gewähren, um im Wettbewerb bevorzugt zu werden.

Hinzu kommen die Berufsordnungen (BO) der Apotheker und Ärzte, die ähnliche Formulierungen enthalten, teilweise aber auch weiter gehen. In der BO der baden-württembergischen Ärzte finden sich etwa Bestimmungen, nach denen nicht nur gegenseitige ­Absprachen, sondern bereits einseitige Empfehlungen – so sie „ohne hinreichenden Grund“ gegeben werden – nicht zulässig sind. Ein hinreichender Grund kann sich laut Bundesgerichtshof (BGH) etwa aus der Qualität der Versorgung ergeben, der Vermeidung von Wegen für Gehbehinderte oder schlechten Erfahrungen des Patienten mit anderen Anbietern. Schlichte Bequemlichkeit reicht jedoch nicht.

Weiterhin sind das Verbot unerlaubter Rezeptsammelstellen (§ 24 ApBetrO) sowie das Depot- und Zuweisungsverbot des § 128 SGB V Abs. 1, 2 und 6 zu beachten. So zählt es etwa zu den „Todsünden“, in medizinischen Einrichtungen Depots zu unterhalten, über die Arzneimittel oder ähnliches an Versicherte abgegeben werden. Spannend wird überdies der künftige Straftatbestand zur Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen, an dem der Gesetzgeber gerade feilt. Danach wird die Rezeptzuweisung gegen ein Entgelt künftig auch strafbar sein, so Dettling.

Nicht zu vergessen sind im Themenkomplex der Rezeptzuweisungen die zahlreichen datenschutzrechtlichen Vorschriften. Schließlich finden sich auf ärztlichen Verordnungen höchst sensible Daten, deren unbefugte Weitergabe oder Offenbarung eine Ordnungswidrigkeit oder sogar einen Straftatbestand darstellen kann. Grundsätzlich gilt: Die sensiblen Gesundheitsdaten dürfen nur erhoben, verarbeitet und genutzt werden, wenn der Patient eingewilligt hat, oder es einen ausdrücklichen gesetzlichen oder medizinischen Rechtfertigungsgrund gibt.

Neben einigen klaren „No-Gos“ gibt es im Einzelfall auch auslegungsbedürftige Begriffe in den einschlägigen Normen: Wie weit ist beispielsweise die „Zuweisung“ von Verschreibungen in § 11 ApoG zu verstehen? Dem BGH genügte hier schon eine ärztliche Empfehlung ohne ausdrückliche Bitte des Patienten. In seiner jüngsten Entscheidung zur Hörgeräteversorgung (Az.: I ZR 68/13) hielt er es auch für unzulässig, wenn einem Patienten ohne vorherige Empfehlungsbitte ein Formular vorgelegt wurde, in dem er seinen Wunsch ­erklärt, seine Hörgeräteversorgung über einen verkürzten Weg durch ein bestimmtes Unternehmen durchführen zu lassen.

Doch selbst wenn ein Einverständnis des Patienten vorliegt, reicht dies allein nicht immer aus, um eine Zuweisung zu rechtfertigen. Schließlich schützt § 11 ApoG nicht nur das ­Patientenwahlrecht.

Ausnahmen vom ­Zuweisungsverbot

Eine Ausnahme vom grundsätzlichen Zuweisungsverbot gibt es in der Zyto­statikaversorgung, da hier besondere Anforderungen an die Apotheke gestellt werden. Allerdings gibt es sozialgerichtliche erstinstanzliche Entscheidungen, nach denen der Versorgungswunsch der Patienten Vorrang hat, wenn eine Krankenkasse die Zytostatikaversorgung ausgeschrieben und mit nur wenigen Apotheken exklusive ­Verträge geschlossen hat. Ausgefochten ist der Rechtsstreit aber noch nicht. Explizit geregelt ist auch, dass für die Inte­grierte Versorgung eine Ausnahme besteht.

Für einiges Aufsehen sorgte im vergangen Jahr der BGH mit seinem Urteil zum Entlassmanagement. Die Regelungen des SGB V zum Entlassmanagement, so entschieden die Richter, begründeten ebenfalls eine Ausnahme vom Zuweisungsverbot. Sogar das Outsourcing dieser Leistung – inklusive Rezeptvermittlung an eine kooperierende Apotheke – an eine private GmbH hielten sie für zulässig. Der BGH, so Dettling, habe dem Gesetz­geber letztlich vorgehalten, „unsauber gearbeitet“ und eine gesetzliche Ausnahme schlicht vergessen zu haben. Ein „Lapsus“ des BGH, den der Gesetzgeber nun wohl korrigierenwird. Im Entwurf für das GKV-Versorgungs­stärkungs­gesetz wird nunmehr klargestellt, dass das Zuweisungsverbot auch im Rahmen des Entlassmanagements gilt und ein Outsourcing nur auf Vertragsärzte möglich ist. Das letzte Wort vor Gericht ist ebenfalls noch nicht gesprochen: Dettling, der an dem Verfahren selbst beteiligt war, berichtete, dass Verfassungsbeschwerde gegen die BGH-Entscheidung eingelegt ist. |

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