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Herstellung
Methadon zur Substitution
Ein Plädoyer für die Herstellung in der Apotheke
Die Anfänge der Substitutionstherapie
Der Substitutionstherapie für Heroinabhängige standen anfangs zahlreiche gesellschaftliche, politische und juristische Widerstände entgegen. Eine ärztliche Suchtbehandlung, die nicht auf Entzug, sondern Substitution gerichtet war, galt bis in die 80er-Jahre als „fahrlässige Körperverletzung“. Erst der dramatische Anstieg der Zahl an Drogentoten sowie die schweren Begleiterkrankungen der Heroinabhängigen wie HIV, Tuberkulose, Geschlechtskrankheiten oder Hepatitiden bewirkten ein Umdenken.
Das strenge Betäubungsmittelrecht ließ zunächst nur die Gabe von Codein und Dihydrocodein zu. Als die Zahl der Drogentoten dadurch erheblich zurückging, wurden die Substitutionstherapien 1993 legalisiert. Die Hoffnung, Heroinabhängige durch die Substitution stufenweise zur Drogenfreiheit zu führen, hat sich zwar nur zu einem kleinen Prozentsatz erfüllt, aber durch die Substitution wurde eine Vielzahl unwirksamer klinischer Entzugstherapien eingespart. Daher übernahmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für die Substitutionstherapie.
Methadonracemat macht das Rennen
Der Arzt Robert G. Newman in New York war der Vorkämpfer einer breiten Heroinsubstitution mit Methadon und beeinflusste mit seinen Publikationen auch die Fachwelt in Europa. Wegen der langen Plasmahalbwertszeit von Methadon – bei einmaliger Applikation 15 Stunden, bei Langzeiteinnahme 22 Stunden [1] – reicht eine Dosis pro Tag aus, um Heroinabhängige vor Entzugserscheinungen zu bewahren. Die einmal tägliche Einnahme ist ein entscheidender Vorteil des Methadons gegenüber Dihydrocodein, das mehrmals täglich eingenommen werden muss. Darüber hinaus war und ist der Wirkstoff, insbesondere in Form des Racemats, konkurrenzlos günstig.
Zu Beginn der Substitutionstherapie war racemisches Methadon (Abb. 1) in Deutschland nicht als Fertigarzneimittel erhältlich. Lediglich das wirksamere L-Enantiomer war im Handel, aber zu einem wesentlich höheren Preis und in kleinerer Abpackung (L-Polamidon® von Hoechst, seit 1999 Sanofi). Aus pharmakologischer Sicht wäre Levomethadon sogar die fortschrittlichere Lösung für die Substitution gewesen, weil es eine noch längere Plasmahalbwertszeit von durchschnittlich 25 Stunden aufweist, wenn auch mit interindividuellen Schwankungen von 13 bis 55 Stunden [2]. Allerdings zeigte sich die Herstellerfirma nicht kooperativ, da Politiker, die Bevölkerung und auch viele Fachleute die Heroinsubstitution damals mit Argwohn betrachteten und Hersteller und Apotheker als „Dealer in Weiß“ betitelt wurden. Hoechst stellte L-Polamidon® nicht zum Zweck der Substitution zur Verfügung, weder als Fertigarzneimittel mit besonderer Zulassung noch als Ausgangssubstanz.
Da die pharmazeutische Industrie auch keine fertige Methadonracemat-Lösung anbot, füllten einige Apotheken vor Ort diese Lücke und stellten sie defekturmäßig her. Seit 1994 gibt es zwei standardisierte Rezepturen für Methadonhydrochlorid-Lösungen (NRF 29.1.) [3].
Methadon-Schwerpunktapotheken
Die Erfolge der Drogensubstitution in der benachbarten Schweiz ließen die Ärzteschaft und progressive Politiker in Baden-Württemberg aufmerksam werden und einen menschenwürdigen Umgang mit Suchtkranken fordern. Die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg gründete 1994 den Arbeitskreis „Sucht und Arzneimittelmissbrauch“. Besondere Anliegen waren neben einer qualitativ hochwertigen, dezentralen, flächendeckenden Versorgung mit Methadonzubereitungen auch die Regelung des Einsatzes von EDV-gestützten, qualitätssichernden Dosiersystemen (EQD) sowie der Abrechnungsmodalitäten mit den GKV-Kassen. Die neuen Regelungen bedeuteten für die Methadon-Schwerpunktapotheken einige Investitionen, z. B. in Dosierautomaten, in spezielle Arbeitsplätze, größere Tresore, besonders geeignete Sichtbezugsplätze, spezielle Schulungen der Mitarbeiter. Dadurch wurde und wird eine sichere Versorgung der Substitutionspatienten garantiert. Zudem sichert die Eigenherstellung die Versorgung bei Katastrophen, denn die Ausgangssubstanz nimmt wenig Platz weg und kann lange gelagert werden – im Gegensatz zu den gebrauchsfertigen Lösungen.
Methadon-Schwerpunktapotheke zu werden, war keine einfache und freie Entscheidung, sondern ein verantwortungsvolles Engagieren und Wahrnehmen der Berufspflicht.
Weitere Substanzen erobern den Markt
Nach dem Beginn der Substitution mit Dihydrocodein und dem Durchbruch mit Methadonracemat brachten pharmazeutische Hersteller nach und nach neue Fertigarzneimittel auf den Markt. Das „Langzeitmethadon“ (Levo-α-acetylmethadol, LAAM, Orlaam®) wurde aufgrund kardialer Zwischenfälle wieder vom Markt genommen. Nachdem sich die Substitutionstherapie erfolgreich etabliert hatte, ging Sanofi mit Levomethadon (nun als „L-Polamidon® zur Substitution“) ins Rennen. Einen echten therapeutischen Fortschritt bedeutete Buprenorphin (Subutex®, inzwischen auch Generika) aufgrund seiner größeren therapeutischen Breite und der geringeren Gefahr einer Atemdepression. Die fixe Kombination von Buprenorphin mit Naloxon (Suboxone®) erlangte dagegen keine größere Bedeutung.
In größeren Städten etablierte sich für besondere Fälle die Vergabe von Diamorphin.
Methadon-HCl: physikalische und chemische Eigenschaften
Wegen seines pharmakologischen und toxikologischen Gefahrenpotenzials ist Methadonhydrochlorid eine Hochrisikosubstanz, die in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz unterliegt. Schon eine Dosis unter 10 mg kann ein Kleinkind töten, bei nicht-toleranten Erwachsenen ist meistens eine Menge von 40 bis 60 mg letal [4]. Physikalisch und chemisch gesehen handelt es sich bei Methadon-HCl um eine sehr gut zu handhabende Substanz. Es ist ein weißes, kristallines Pulver, löslich in Wasser (bei 20 °C: 120 g · l–1), zeigt keine Zersetzung bei bestimmungsgemäßer Verwendung [5] und ist in wässrigen Lösungen relativ stabil [3]. Wenn alle geforderten sicherheitsspezifischen Aspekte wie Schutzkleidung der herstellenden Personen, geeigneter Raum, gesonderte Lagerung usw. berücksichtigt werden, stellt die Herstellung einer wässrigen Methadon-HCl-Lösung kein Problem dar.
„..., dass diese Furcht zu irren schon der Irrtum selbst ist.“
Herstellung in der Apotheke: Defektur oder Rezeptur?
Die Novellierung der Apothekenbetriebsordnung von 2012 brachte einige Änderungen bezüglich der Arzneimittelherstellung in öffentlichen Apotheken mit sich. Es kam zu Unsicherheiten und Unklarheiten. Es wurde sogar die Arzneimittelherstellung durch die öffentlichen Apotheken – insbesondere die Defektur – infrage gestellt, leider auch von manchem Kollegen. Deshalb soll hier ausdrücklich für die Eigenherstellung geworben werden.
Methadon-HCl-Lösung zur Substitution kann in der Apotheke entweder als Rezeptur- oder als Defekturarzneimittel hergestellt werden. Als Rezeptur wird sie für jeden Substitutionspatienten individuell angefertigt; dabei entfällt eine analytische Prüfung des Arzneimittels, wenn dessen Qualität durch das Herstellungsverfahren und durch In-Prozess-Kontrollen sichergestellt wird (§ 7 Abs. 2 ApBetrO). Dieser Weg ist ideal für Apotheken, die nur wenige Substitutionspatienten betreuen. In Schwerpunktapotheken, die viele Patienten betreuen und/oder Substitutionsambulanzen oder -arztpraxen für den Sichtbezug beliefern, ist dagegen nur die Herstellung als Defekturarzneimittel sinnvoll.
Bei Defekturarzneimitteln fordert die Apothekenbetriebsordnung im Anschluss an die Herstellung eine Prüfung (§ 8 Abs. 3 u. 4 ApBetrO), die durch eine Prüfanweisung und ein Prüfprotokoll zu dokumentieren ist. Welche Prüfmethoden und -verfahren für die jeweilige Defektur auszuwählen sind, entscheidet der verantwortliche Apotheker mit seinem pharmazeutischen Sachverstand anhand einer Risikobewertung. Übrigens weichen die Meinungen, bei welcher Defektur welche Prüfungen nötig sind, stark voneinander ab.
Bei der Methadon-HCl-Lösung handelt es sich in galenischer Hinsicht um eine sehr einfache Rezeptur. Auch die Zugabe eines viskositätserhöhenden Zusatzes ist unproblematisch. Es tritt weder eine Klumpenbildung noch eine Trübung durch Fehltemperierung auf.
Risikobeurteilung
Vor der Herstellung in der Apotheke wird das Risiko bewertet, z. B. nach der Vorlage „Risikobeurteilung für Defekturarzneimittel“ von Andreas S. Ziegler [6]. Dabei sind folgende Faktoren zu ermitteln und miteinander zu multiplizieren:
- jährliche Produktionsmenge: < 150 Einheiten: Faktor 1.
- Applikationsart und Darreichungsform: enteral, unsteril: Faktor 3.
- inhärente Risiken des Wirkstoffs: hoch: Faktor 5.
- Herstellungsprozess: lösen und mischen: Faktor 2.
- Abgabe: hauptsächlich in der herstellenden Apotheke: Faktor 1.
Das Produkt dieser Faktoren beträgt 30, was an der unteren Grenze der mittleren Risikoklasse liegt (30 – 100).
Auch nach DAC/NRF handelt es sich bei Methadon-HCl-Lösungen um eine Herstellung mit einem mittleren Risiko, denn zwei Texte in der DAC-Anlage J beschreiben Prüfungen, die bei Rezepturen mit niedrigem Risiko nicht erforderlich wären [7]. Der Grund hierfür liegt, wie bereits erwähnt, in dem hohen toxischen Risiko des Wirkstoffs. Denn das Risiko des Herstellungsprozesses ist gering (s. o.: Faktor 2).
Herstellungsprozess
In der Praxis haben sich folgende Maßnahmen und Abläufe für die Herstellung bewährt:
Die Herstellung erfolgt ausschließlich durch pharmazeutisches Personal nach dem Vier-Augen-Prinzip (gegenseitige Kontrolle). Im Herstellungsraum halten sich während der Herstellung nur die zwei herstellenden Personen auf, die sich allein auf die Herstellung der Lösung konzentrieren. Durch das Vier-Augen-Prinzip reduziert sich die Fehlerwahrscheinlichkeit nahezu auf null. Alle Herstellungsschritte werden durch Wägeprotokolle, Ausdrucke der Waage bzw. durch Fotos, wenn kein Drucker für die Waage vorhanden ist, dokumentiert und von den beiden Herstellenden abgezeichnet.
Nach der Risikobeurteilung werden Herstellungsanweisung und -protokoll erstellt (§ 8 Abs. 1 ApBetrO). Beide sollten möglichst übersichtlich gestaltet werden, damit offensichtliche Fehler einfach zu erkennen sind. Das gleiche gilt für die Prüfanweisung und das Prüfprotokoll (s. u.).
Nach der Herstellung wird die Defektur von einem Apotheker freigegeben, der an der Herstellung nicht beteiligt war. Er verlässt sich dabei nur auf das, was auf dem Herstell- und Prüfprotokoll vermerkt ist.
Durch diese strukturierte Herangehensweise wird ein Arzneimittel hergestellt, das in punkto Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit einem industriell gefertigten Produkt in nichts nachsteht und die Anforderungen an die Apothekenbetriebsordnung erfüllt.
In gut 20 Jahren der Herstellung verschiedenster Lösungen zur Substitutionstherapie gab es aufgrund dieser stringenten Vorgehensweise kein fehlerhaftes Produkt, d. h. dass die Produkte stets die geforderte Qualität aufwiesen.
Himbeersirup – umstrittenes Ingredienz
Eher selten wird eine Rezeptur mit Himbeersirup verwendet [8]. Dieser wird in den Rezepturhinweisen „Methadon und Levomethadon zur Substitution“ des NRF als obsolet bezeichnet und „zu Take-home-Zwecken strikt abgelehnt“, da er dem Substitutionsmittel eine „lebensmittelähnliche Anmutung“ gibt [9], durch die es bereits zu mehreren Todesfällen bei Kindern kam. Vergleicht man allerdings die NRF-Rezeptur 29.1., die himbeersiruphaltige Rezeptur sowie das Fertigarzneimittel Methaliq® in Bezug auf Aussehen, Geruch und Geschmack, hat das Fertigarzneimittel die höchste Lebensmittelähnlichkeit und birgt damit die größte Gefahr der missbräuchlichen Einnahme durch Kinder. Die Lösung ist blau gefärbt und duftet aromatisch, wodurch sie mit einem modernen Energy-Drink verwechselt werden kann. Zusätzlich birgt die blaue Einfärbung eine Verwechslungsgefahr mit der 0,5%-Methadon-HCl-Lösung nach NRF-Rezeptur 29.1. Dennoch wird Methaliq® als neuer medikamentöser Standard in der Substitutionstherapie mit Methadon aufgefasst [10].
Prüfungen gemäß DAC/NRF
Nach der Risikobewertung handelt es sich bei der Methadon-HCl-Lösung um ein Produkt mit mittlerem Risiko. Aufgrund dessen muss auf analytische Merkmale geprüft sowie eine halbquantitative Bestimmung durchgeführt werden. Zu den analytischen Merkmalen, deren Prüfung in Apotheken problemlos durchgeführt werden kann und sich bewährt hat, gehören der pH-Wert, die Dichte und der Brechungsindex.
Problematisch können hingegen die (halb)quantitativen Prüfungen gemäß der DAC-Anlage J sein [7]. Die quantitative Bestimmung bereitet die meisten Schwierigkeiten, da in den wenigsten Apotheken eine HPLC vorhanden ist. Die halbquantitative DC vergleicht die Untersuchungslösung mit einem 50%- und 150%-Standard. Dabei müssen die Flecken der Untersuchungslösung hinsichtlich ihrer Intensität zwischen denen der beiden Standards liegen. Die Genauigkeit der Methode beträgt somit ±50%. Wirklich befriedigend ist diese Prüfung nicht, es handelt sich eher um eine erweiterte Identitätsprüfung.
Weiterhin ist anzumerken, dass sich regional in Deutschland auch Methadon-Rezepturen durchgesetzt haben, die von der NRF-Rezeptur 29.1. so stark abweichen, dass auf sie die Prüfungen der DAC-Anlage J nicht ohne Weiteres übertragen werden können.
Ginge es auch ohne quantitative Prüfungen?
Hier sei die Frage erlaubt, ob eine Gehaltsbestimmung der Methadon-HCl-Lösung wirklich erforderlich ist. Derzeit werden die inhärenten Risiken eines Wirkstoffs vor allem aufgrund seiner Toxizität, seiner therapeutischen Breite und seines Missbrauchspotenzials (BtM) eingestuft, während seine physikochemischen Eigenschaften nur eine untergeordnete Rolle spielen [11]. Würde man eine umgekehrte Gewichtung vornehmen, hätte Methadon-HCl kein hohes, sondern nur ein mittleres Risiko. Folglich würde bei der Risikobewertung der Rezeptur der Faktor von 5 auf 3 erniedrigt, und das Produkt betrüge 18 statt 30, sodass insgesamt ein geringes Risiko vorläge. Bei dieser Risikoklasse würde eine Gehaltsbestimmung entfallen.
Selbstherstellung oder Fertigarzneimittel? – pro und contra
Es gibt derzeit auf dem deutschen Markt nur einen Hersteller, der eine 1%ige (m/V) Methadon-HCl-Lösung im Angebot hat: die Firma Hexal mit Methaliq®. Käme es einmal zu Problemen bei der Herstellung oder der Distribution, könnte die gesamte Versorgung der betroffenen Patienten einbrechen. Die Sicherheit der Versorgung durch in Apotheken hergestellte Substitutionslösungen hat sich in den vergangenen 20 Jahren bei allen Ausnahmesituationen (Hitzewellen, Stürme, Hochwasser, Streiks usw.) bestens bewährt, da jede Schwerpunktapotheke die Grundsubstanz für den Bedarf von mindestens drei bis sechs Monaten in ihrem Tresor bevorratet. Betäubungsmittel in Form von 0,5- bis 1%igen Lösungen, wie Eptadone® und Methaliq®, sind wegen ihres großen Volumens problematisch für die Vorratshaltung in Tresoren. Schon bei dem von Sanofi vertriebenen „L-Polamidon® zur Substitution“ kommt viel unnötiges Volumen zur Wirksubstanz hinzu, sodass es kaum möglich ist, im Tresor mehr als einen Drei-Wochen-Bedarf zu lagern. Umso erstaunlicher ist es, dass die Industrie nun auch Methadonracemat als großvolumiges Fertigarzneimittel auf den Markt bringt.
Für Nicht-Schwerpunktapotheken, die sich mit der Substitution befassen (z. B. im ländlichen Raum oder nur einer geringen Anzahl zu versorgender Patienten), kann ein Fertigarzneimittel tatsächlich die Versorgung im Sichtbezug und bei Take-home-Verordnungen erleichtern, allerdings um den Preis eines betriebswirtschaftlichen Verlustes. Denn erstaunlicherweise wird das industrielle Fertigprodukt nicht preiswerter angeboten als die defekturmäßig gefertigte Methadon-HCl-Lösung. Die Abrechnung soll nach Auffassung der gesetzlichen Krankenkassen über die Hilfstaxe erfolgen. Die äußerst knappe Kalkulation würde bedeuten, dass die Tätigkeit des Apothekers (Dosierung, Abfüllen, Verpacken, Abgabe und Dokumentation) zum Nulltarif erfolgt.
Der Marktzugang des Methadonracemat-Fertigarzneimittels verschmälert das Aufgabenspektrum der öffentlichen Apotheke, vernichtet in den genannten Schwerpunktapotheken Arbeitsplätze und schwächt die dezentrale Arzneimittelversorgung. Die pharmazeutische Industrie darf legal bei den verordnenden Ärzten und den Fachkreisen werben, die Apotheken hingegen nicht (§ 11 Abs. 1 ApoG). Im Vergleich zum Defekturarzneimittel bietet das Fertigarzneimittel keinerlei Vorteil für Arzt, Patient und Krankenkasse.
Fazit
Im Rahmen einer sicheren und ordnungsgemäßen Arzneimittelbelieferung nach § 1 Apothekengesetz gehört auch die Arzneimittelherstellung zu den grundlegenden Aufgaben der öffentlichen Apotheken. Vor allem aus folgenden Gründen wird sie jedoch zunehmend vernachlässigt: Einerseits ist die gesetzliche Preisfestlegung für die Arzneimittelherstellung in den Apotheken (§ 5 AMPreisV) nicht mehr zeitgemäß, denn ohne eine Querfinanzierung durch andere Bereiche ist sie nicht mehr tragbar. Andererseits fällt ein Großteil der Arbeitszeit auf die Dokumentation, die die Apothekenbetriebsordnung seit 2012 fordert. Damit die selbst hergestellten Arzneimittel ein Höchstmaß an Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit haben, sind diese Anforderungen sinnvoll. Wegen des gestiegenen Zeitaufwands sollte aber auch die Preisgestaltung angepasst werden.
Der Ursprung der öffentlichen Apotheken liegt in der Arzneimittelherstellung. Diese Fähigkeit, die auch in der universitären Ausbildung gelehrt wird, sollte erhalten bleiben: Der Apotheker vor Ort soll der Arzneimittelfachmann in der Herstellung, der Beratung und der Abgabe der Arzneimittel sein.
Abschließend stellen sich bezüglich der Eigenproduktion die Fragen: Sind die Apotheker eingeschüchtert, uninteressiert, bequem oder indifferent? Haben die dem breiten Berufsbild verpflichteten Kollegen resigniert? Oder sind sie ohne Nachwuchs und verschwinden allmählich? |
Literatur
[1] Methadonhydrochlorid, Pharmakologische Eigenschaften; Stand: 2007, in: Bracher F, et al (Hrsg). Arzneibuch-Kommentar. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2015
[2] Levomethadonhydrochlorid, Pharmakologische Eigenschaften; Stand: 2005, in: Arzneibuch-Kommentar (wie [1])
[3] Methadonhydrochlorid-Lösung 5 mg/ml / 10 mg/ml (NRF 29.1.), in: Neues Rezeptur-Formularium. Govi-Verlag Eschborn / Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart, 2014
[4] Seivewright N. Community Treatment of Drug Misuse: More than Methadone. 2nd ed. Cambridge University Press, 2009
[5] Fagron GmbH & Co. KG, 22885 Barsbüttel. Sicherheitsdatenblatt Methadonhydrochlorid
[6] Ziegler AS. Arbeitshilfen Defektur – Risikobeurteilung, Prüfempfehlungen mit Musterdokumenten. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2014, S. 3
[7] Methadonhydrochlorid-Lösung 5 mg/mL bzw. 1 mg/mL (NRF-Rezeptur 29.1.), in: Neues Rezeptur-Formularium, DAC-Anlagen J. Govi-Verlag Eschborn / Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart, 2014
[8] Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker. Substitutionstherapie mit Methadon, AMK-Information 31/5/94. Pharm Ztg 1994;139:336
[9] Rezepturhinweise: Methadon und Levomethadon zur Substitution, Punkt 5.4; Stand: 6. 11. 2013, in: Neues Rezeptur-Formularium. Govi-Verlag Eschborn / Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart, 2014
[10] Spielvogel H. Methadon und Co. Dtsch Apoth Ztg 2014;154(35):3712-3716
[11] Ziegler AS. Defektur – Risikobasiertes Stufenmodell und apothekengerechte Prüfmethoden. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2014, S. 55, Abb. 3.2
Autoren
Philipp Böhmer studierte Pharmazie in Tübingen und ist als Apotheker in der Westend-Apotheke in Stuttgart tätig.
Hansdieter Beck ist Gründungsmitglied des Arbeitskreises „Sucht und Arzneimittelmissbrauch“ der LAKBaden-Württemberg und Teilhaber der Westend-Apotheke in Stuttgart.
Westend-Apotheke OHG
Rotebühlstr. 104, 70178 Stuttgart
Literaturtipp
Defektur: Masse mit Klasse!
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Andreas S. Ziegler
Arbeitshilfen Defektur
VIII, 115 S., 11 farb. Abb., 11 Tab. 24,80 €
Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2014
ISBN 978-3-7692-6252-0
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